Ausstellungsbesprechungen

Fremde Heimat – Kunst in Baden-Württemberg, Kunsthalle Mannheim, bis 20. Juni 2010

Heimat - Ort täglicher Existenz oder lebenslanges Sehnsuchtsziel? Spürbar jedenfalls wird Heimat zumeist erst dann, wenn sie nicht mehr oder noch nicht da ist - im Fremdsein also. In diesem Niemandsland siedelt auch die Kunst. Unter dem Leitmotiv „Fremde Heimat" ruft die Kunsthalle Mannheim in Kooperation mit dem Künstlerbund Baden-Württemberg erstmals einen kuratierten Kreis regional und überregional bedeutender Künstler des Bundeslandes zusammen. Günter Baumann hat sich die Ausstellung angesehen.

Die Mannheimer Ausstellung »Fremde Heimat« macht es sich schwer – mit einer Leichtigkeit, die so manche andere Ausstellung in den Schatten stellt. Die Fremde auszustellen, ist schon komplex genug, um sich allein mit einem ästhetischen Blickwinkel zu begnügen; die Heimat zu thematisieren, scheint sich fast zu verbieten, wenn man nicht auf eine (kaum mehr originelle) Kitsch-Schau abzielt. Ulrike Lorenz, Direktorin der Kunsthalle und Kuratorin der Ausstellung, hat sich die beiden schwierigen Fälle vorgenommen und zusammengelegt – heraus kam eine Art gordischer Knoten: Doch als sei ein Knoten schließlich dazu da, aufgelöst zu werden, zog die Ausstellungsmacherin los und sichtete unzählige Ateliers und filterte die geeigneten Künstlerinnen und Künstler heraus. Das wäre nun nicht der Rede wert, ist es doch das Alltagsbrot eines Kurators. Aber was hier Einzug ins Museum gefunden hat, grenzt schon an einen genialen Coup – die schöne alte Welt könnte kaum skurriler, außergewöhnlicher und intelligenter gezeigt werden. Heimat ist noch genug vorhanden: Es stellen Künstler aus Baden-Württemberg aus, die allerdings auf 1000 Quadratmetern alle künstlerischen Register ziehen, nicht immer ganz ernst, aber nie wirklich albern, im erfrischenden Dialog und in köstlichen Widersprüchen. Lorenz bevorzugt in ihrer Auswahl die jüngeren Medien, Installationen und Konzepte. Der Besucher darf sich dazu bekennen: So schön kann das Nachdenken über die Heimat sein, auch wenn diese kleine Welt nur selten wirklich heil ist.

Die Kuratorin lädt zum Parcours ein, der - auch das geht weit über die Norm hinaus - die Schau zum Entdeckungspfad macht und von einem Handbuch, sprich: einem Katalog begleitet wird, der als Wegführer mit Informations- und Spaßquote seinesgleichen sucht, denn die wunderbare Bildparade wird nicht nur von einem vasenförmigen Guckgedicht von Otto Jägersberg und einem bronzenen Giganten-Golem Thaddäus Hüppis eingeleitet und -geläutet, sondern auch mit (weiteren) literarischen Wegmarken versehen, die das Buch zur Heimatanthologie machen: Wilhelm Genazino, Peter Härtling, Jagoda Marinic, Bernhard Schlink, Theresia Walser, mit Bedacht in das Bilder-Buch gestreut. Aber das gehört schon zum Genuss nach der Ausstellung. Den Künstlern gehört freilich zuerst das Wort. Da ist zum Beispiel Gabriela Oberkofler, die für ihre Installationen und Bildprojekte sogar jodeln gelernt hat, oder Carola Camilla Kreusch mit einem sehr fragilen Heimatkasten. Daniel Sigloch malt pixelunterstützt schöne Landschaften, die Tino Panse mit sperrmülltauglichen Sofaecken konterkariert. Der in seiner Bedeutung nicht hoch genug zu preisende Klaus Heider ist mit Lichtobjekten, Schriftbildern und Fotografien vertreten, die den Betrachter in kosmische Regionen entführt, während Georg Winter den Störungen in alltäglichen Betriebssystemen nachspürt. Klaus Staeck, Experte für vaterländische Irritationen, hält der Heimat unermüdlich den Spiegel vor. Dorothea brilliert mit Hörzeichnungen und holt aus der Gattung der Zeichnung das Äußerste heraus, wie auch Peter Riek, der sich mit dem Raum der Zeichnung und dem Raum in der Zeichnung befasst. Und nicht zuletzt führt uns Pablo Weibel noch einmal seine gewagte, urkomische und von der chinesischen Regierung allzu ernst genommene Aktion als Terrakotta-Krieger vor.

Die weiteren Künstler(innen): Franz Ackermann, Reinhold Adt, Olga Allenstein, Hagen Betzwieser, Oliver Braig, Birgit Brenner, Peter Dreher, die Filderbahnfreundemöringen FFM, Axel Heil, Alfonso Hüppi, Ruth Hutter, Ulrika Jäger, Klaus Merkel & Achim Sakic, Jürgen Palmtag, Alexander Roob, Daniel Roth, Joan Sallas, Werner Schmidt, Marco Schuler, Fritz Schwegler, Herbert Sattler, Super-ART.TV, Eric Carstensen & Michael Volkmer, Harry Walter, Peter Weibel.

Wichtige Termine zum Ende der spektakulären Ausstellung:
Donnerstag, 17.06.2010, 19.30 Uhr: Vortrag von Werner Schmidt über »Die Macht der Farbe bei James Joyce«;

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