Ausstellungsbesprechungen

Géricault – Delacroix – Daumier. Französische Lithographien und Zeichnungen. Museum Goch, bis 22. März 2009

In der Geschichte der massenhaften Reproduzierbarkeit nimmt die Lithographie einen so hohen Stellenwert ein, wie sie als Technik geheimnisvoll bleibt. Günter Baumann über diese Wanderausstellung zu den wichtigsten Künstlern dieser Technik.

In der Geschichte der massenhaften Reproduzierbarkeit nimmt die Lithographie einen so hohen Stellenwert ein, wie sie als Technik geheimnisvoll bleibt. Erfunden wurde sie von einem aus Prag stammenden österreichischen Schauspieler, der in München vor 1800 dieses chemische Flachdruckverfahren auf Solnhofener Schiefer- bzw. Kalkstein erfand, das – anders als der Hochdruck (Holzschnitt) oder der Tiefdruck (Radierung) – ohne Reliefierung des Druckstocks auskam. Der Druck resultierte aus dem chemischen Verhalten der Antioden Fett und Wasser und erlaubte eine malerische wie in der Zeichnung fein nuancierte Darstellung nahezu ohne Abnutzungserscheinungen. Das bedeutete, dass der Siegeszug im Publikationswesen vorprogrammiert war und das Ergebnis dennoch oder gerade deshalb so schnell zur Selbstverständlichkeit wurde, dass das Augenmerk sich eine Generation nach der Erfindung des sogenannten Steindrucks der Fotographie zuwandte, noch bevor jener gleichermaßen zum Angstgegner der Malerei werden konnte. So konnte sich die Technik recht unspektakulär als geläufiges Medium bei der Vermittlung von Notenbüchern, naturwissenschaftlich-technischen Darstellungen und illustrierenden, auch die Malerei wohlfeil reproduzierenden bzw. kopierenden Bildnissen entfalten.

In Frankreich blühte die Lithographie – die hier auch ihren Namen erhielt – nach der Französischen Revolution, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch künstlerisch auf wie nirgendwo sonst. Die Hauptnamen vereint die Wanderausstellung und der Katalog schon im Titel: Géricault, Delacroix, Daumier. Allein mit dieser meisterhaften Troika ist alles abgedeckt, zu dem die Technik fähig ist. Géricault arbeitete eng am eigenen malerischen Werk entlang, schilderte das einfache, entbehrungsreiche Leben, historische Stoffe und schuf großartige Pferdebilder (ohne dass man ihn je als modischen Pferdemaler abtun würde). »Das Rennen« von 1822 ist nicht nur einer der bewegtesten Darstellungen von Pferden im rasanten Galopp, selbst die Kleidung der Jockeys macht das Blatt zu einem nahezu modernen Bild. Delacroix, gleichermaßen begnadeter Maler, nutzte die Lithographie insbesondere zur Illustration der Weltliteratur – Goethes Faust und Shakespeares Hamlet sind mit Abstand die Protagonisten, die als ganz eigenständige Begleiter der literarischen Figuren auftreten. So könnte man seinen »Faust im Studierzimmer« aus dem Zyklus von 1825–27 auch ohne Vorlage als allgemeingültiges Bild eines an sich und der Welt zweifelnden Gelehrten betrachten. Glanzlichter der Lithographie schuf nicht zuletzt Honoré Daumier, der Urvater der politischen Karikatur und der Schöpfer der Birne als Symbol des kritisierten Herrscherhauptes – in seinem Fall des französischen Königs –, entstanden aus der Not der Zensur heraus. Seiner Zeit weit voraus, entlockte er dem Medium einen präimpressionistischen Zeichenduktus, der gerade so viel andeutete, wie der Betrachter brauchte, um die Szene klar zu erfassen.

Alle drei Künstler setzten Maßstäbe, die sich freilich in einem Gefolge von Weggefährten und Nachahmern fortpflanzten. Die Rundumschau der Ausstellung wie auch der Katalog führen stellvertretend etliche Graphiker auf, deren Arbeiten weniger bekannt sind, aber doch die Vielfalt der Flachdrucktechnik unterstreichen: Darunter sind zu nennen Richard Parkes Bonington mit Architekturansichten, Nicolas-Toussaint Charlet, der von Géricault wie Delacroix inspiriert wurde, wie er selbst Delacroix zu Gemälden, auch zu »Die Freiheit führt das Volk an« anregte, und Jean-Baptiste Isabey mit malerischen Motiven. Zu den Nachfolgern gehören Camille Corot, Gustave Doré, Eugène Fromentin, Théodore Rousseau, Camille Pissarro und Henri de Toulouse-Lautrec, der die Lithographie schließlich zu einem neuen Höhepunkt brachte, von dem aus die Klassische Moderne zu sehen war.


 

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Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag: 10 – 17 Uhr
Samstag – Sonntag: 11 – 17 Uhr

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