Ausstellungsbesprechungen

Gabriel Metsu, Rijksmuseum in Amsterdam, bis 20. März 2011

Von allen berühmten niederländischen Malern des sogenannten Goldenen Zeitalters ist er der am wenigsten bekannte: Gabriel Metsu. Mit der Ausstellungstournee von Dublin über Amsterdam bis Washington hat sich das Bild gewandelt bzw. wandelt sich aktuell das Bild, wenn es auch in der Konsequenz noch etwas unbestimmt neben den Stars platziert ist. Günter Baumann hat sich mit diesem zu unrecht vernachlässigten Maler beschäftigt.

Neben Rembrandt, Vermeer, Hals und der Ruisdael-Familie (auch Ruysdael) muss man Gabriel Metsu einordnen. Seither war ihm ein Platz in der zweiten Reihe sicher, was keine schlechte Wahl bedeutete: Hier finden sich etwa Gerard Dou – einst der eigentliche Star, dessen Arbeiten als Prestigeobjekt wie heute ein Auto gehandelt wurden – oder Aelbert Cuyp, der mit seinen ländlichen Kuhbildern den Niederländern aus der Seele sprach wie Jan Steen, der das derbe Genre neu aufstellte. Die Höherbewertung kommt nicht zufällig. Metsus Image profitiert von der neuen Begeisterung für Jan Vermeer, dessen ProtagonistInnen sein Figurenpersonal so nahe kommt, und als geborener Leidener, der sein Glück in Amsterdam suchte, nimmt er eine parallele Spur zur Vita Rembrandts ein, der ohnehin zum erlauchten Kreis der Künstler zählt, die ihren Nachnamen nicht mehr für ihr Renommee benötigen (wie früher und im fernen Italien Leonardo und Michelangelo) – so weit brachte es Gabriel Metsu dann doch nicht. Vergleicht man schließlich jedoch viele von Metsus dargestellten Figuren mit denen des heute lebenden belgischen Malers Michael Borremans, dann schürt das die Gewissheit, dass Metsu bis in die gegenwärtige Moderne vorausweist oder anders formuliert: dass der Genremaler des 17. Jahrhunderts, der 1667 im Alter von nur 38 Jahren starb, dem heutigen Künstler noch viel zu sagen hat – und sei es über die Verschwiegenheit eines Malers, der inhaltlich Rätsel aufgibt und zugleich formal Interesse weckt für die Malerei jenseits aller Inhalte.

Die Schau, die mit mehreren Stationen international angelegt ist, hat es geschafft, das weltweit gestreute Werk des Niederländers in einer dichten Auswahl von 35 Arbeiten zu bündeln, die die ganze Spannweite seines Schaffens unter Beweis stellt. Mit leichtem Pinsel, aber brillanter Beobachtungsgabe entwarf Metsu harmlos wirkende Genreszenen, die sich schnell einmal zur fulminanten Allegorie erweitern. Dass er genauso stilsicher in (für holländische Verhältnisse) untypischen Themen wie der Kreuzigung brilliert, zeugt von Metsus Kenntnis flämischer und wahrscheinlich auch spanischer Kollegen. Wenn er hier Anklänge an ein rubensches Pathos erkennen lässt und zugleich den Fertigkeiten von Jan Vermeer nachstrebt, ist das kein Widerspruch, da er souverän auch die Zwischentöne beherrscht. Freilich wird er sich auch am Markt orientiert haben, wohl wissend, dass die Wohnstube eines Händlers aus Amsterdam andere Bedürfnisse befriedigen musste als die römische Kirchenwand (für die wohl die Kreuzigung gedacht war, die heute in der Pinacoteca Capitolina in Rom hängt). Wer tief in die Ausstellungsgeschichte blickt, muss feststellen, dass Gabriel Metsu ein halbes Jahrhundert lang nur eine Nebenrolle spielte. Kein Wunder, dass sein kreatives Genie nun so wirkungsvoll entfesselt scheint. Dabei halten seine Figuren samt den fein beobachteten Gegenständen eine dadurch fast beklemmende Distanz, die allein in Vermeer – und dann wieder in der Gegenwartskunst – Seelenverwandte hat. Bei Vermeer liegen sie auf der Hand: Ausgehend von Dou oder Terborch, gingen beide Maler mit denselben Vorzeichen an den Start, entdeckten als Katholiken den cartesianisch unterwanderten, nüchternen Calvinismus für sich, und sie waren selbstbewusst genug, um sich gegenseitig zu inspirieren. Malerisch gingen sie Hand in Hand (wobei man nicht weiß, ob sich beide je persönlich begegnet sind), wo man eigentlich Konkurrenten vermuten sollte.

Abkupfern mussten beide jedenfalls nicht voneinander. Gabriel Metsu zierte sich nicht, sich selbst in einem eher unvorteilhaften und durchaus selbstironischen Fast-Akt darzustellen, mutmaßlich nach einem Bad im Fluss, ein weißes Hemd flüchtig zwischen den Oberschenkeln liegend; der füllige Bauch zeigt an, dass die Armmuskulatur noch von früheren Zeiten herrührt. Seine Frau, die in vielen Gemälden auftaucht, hat er liebevoller ins Bild gestellt. Aber all das macht nicht den modernen Künstler aus, auch wenn Metsus Arbeiten überraschend authentisch wirken. Die Szenen selbst unterstehen der Demonstration technischer Könnerschaft und der kompositionellen Raffinesse. Was ihn so bedeutend macht für uns, ist die Mühe um die reine Peinture, die ihn näher an Rembrandt heranbringt. Jeder Farbton hat sein Pendant, jedes formale Detail seine Entsprechung, jeder Stoff (von Kleidern, Teppichen, Decken) trifft auf ein Gegenstück. Auch die Personen sind – so realistisch sie auch erfasst sind – sozusagen stoffliche Details im Ganzen; wenn sie aus dem Bild schauen, ist das eher beiläufig, ansonsten bleibt ihr Blick im Bildraum. Gabriel Metsu entspricht seiner Zeit, wenn er Allegorien der Liebe, der Mäßigung usw. schafft, aber dass seine Malerei darüber hinaus sich selbst verherrlicht, ist neu. Man hat gerade bei einem seiner bekanntesten Bilder, dem »Kranken Kind«, vermutet, Metsu öffne die Szenerie bewusst dem Betrachter. Doch gegenüber anderen Gemälden bleibt es stärker in der Fläche; die Mutter schaut eindringlich auf ihr Kind, als seien nur sie und das Kind auf der Welt, und das geschwächte Kind hat den Blick gehoben, schaut aber haarscharf am Betrachter vorbei, dass man zweifelt, ob es (möglicherweise) jemanden ins Visier nehmen wollte.

Das Rijksmuseum hat – mit den kooperierenden Museen in Dublin und Washington – den Versuch unternommen, die einstige Popularität Gabriel Metsus wiederaufleben zu lassen. Wahrscheinlich wird ihm die Bewunderung, die Vermeer genießt, nicht in diesem Map zuteil. Aber man wird in Zukunft genauer auf sein Werk blicken, wenn es um die Meisterwerke des Goldenen Jahrhunderts in den Niederlanden geht.

Weiter Hinweise:

Die Ausstellung wird vom 17. April bis 24. Juli 2011 in der National Gallery of Art in Washington zu sehen sein.

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