Buchrezensionen

Gisela Vetter-Liebenow (Hg.): Königliches Theater! Britische Karikaturen aus der Zeit der Personalunion und der Gegenwart, Sandstein Verlag 2015

Karikaturen sind heute wie früher in den Zeitungen allgegenwärtig. Sie setzen sich mit politischen oder gesellschaftlichen Themen auseinander und sorgen dank ihrer Provokationsfreude für Diskussionen. Sie überschreiten Grenzen, amüsieren den Leser und regen zum Nachdenken an. Thyra Mecklenburg hat ihn gelesen.

Anlässlich der Niedersächsischen Landesausstellung 2014 »Als die Royals aus Hannover kamen« fand im Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst die Ausstellung »Königliches Theater! Britische Karikaturen aus der Zeit der Personalunion und der Gegenwart« statt. Der Katalog bietet allen, welche die Ausstellung verpasst haben, auch jetzt noch einen Einblick in die Entwicklung der britischen Karikatur seit dem 18. Jahrhundert. Bereits das Titelblatt des Kataloges ziert das pikante »His Highness In Fitz« (George Townley Stubbs 1786) und weist auf ein großes Thema der Zeichner hin: die Skandale und Affären im britischen Königshaus.

Drei Aufsätze leiten den anschließenden Bilderkatalog ein. Karl Janke schreibt über die »Zerrbilder des Royalen«. Dabei zeigt sich die Karikatur als eine gesellschaftliche Instanz, die den Blick hinter die Kulissen wagt. Wie der Titel des Kataloges schon proklamiert, funktioniert sie gleich einer Rolle in einem Theaterstück: sie kehrt das prunkvolle Idealbild der Monarchie ins Negative. Da kommt natürlich die Frage nach der Freiheit der Satire auf. Die Königssatire entwickelte sich nämlich erst nach der englischen Revolution 1688, da bis zu diesem Zeitpunkt die Kritik am Monarchen aufgrund seiner gottähnlichen Stellung verboten war.

Die Karikatur ist ein Medium methodisch-komischer Entwürdigung, das von Journalisten und Karikaturisten als Waffe eingesetzt wird. Sie spielt mit der gezielten Entstellung politischer Ereignisse und Personen des öffentlichen Lebens. Im Zusammenhang mit der Pressefreiheit unterlag die britische Karikatur der Kontrolle der Regierung, da ihr Stellenwert und ihre politische Bedeutung wuchsen. Eine juristische Vorgehensweise aber wäre kontraproduktiv gewesen, viel eher konnte man Journalisten und Zeitungen bestechen oder aufkaufen und so für eine Aufsichtsorgen. Nichtsdestotrotz blieb die Karikatur aber ein Instrument der Aufklärung, das die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Sie ist bis heute sowohl ein skandalmachendes als auch ein skandaldarstellendes Medium, ja man kann sagen, der Skandal begleitet die Königssatire auf Schritt und Tritt und ist der zentrale Inhalt der Karikatur in Großbritannien.

Im zweiten Aufsatz beschäftigt sich Timothy Clayton mit der »Produktion und dem Vertrieb der Karikaturen in London um 1800«. Karikaturen tauchten in englischen Drucken ab 1750 auf und entwickelten sich ab 1800 zu einem bedeutenden Zweig des Grafikhandels. Die Verleger beauftragten Künstler mit der Umsetzung einer Idee und in sog. printshops fanden Treffen statt, um Ideen für neue Drucke zu sammeln. Der Künstler signierte seine Karikaturen selten, in den meisten Fällen stammen die Beschriftungen vom Verleger oder Kupferstecher.
Karikaturen waren so bedeutend, dass bereits Ausstellungen veranstaltet wurden, für die man aber Eintritt verlangte, um unerwünschte Besucher bzw. Gegner fernzuhalten. Auch verkauft wurden die Drucke: Die Preise der Karikaturen konnten aus Katalogen und Zeitungsanzeigen entnommen werden oder sie wurden direkt auf dem Druck vermerkt. Mit dem inflationsbedingten Preisanstieg Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die massenhafte Verbreitung der Karikaturen eingegrenzt: Die Arbeiterschicht konnte es sich nun nicht mehr leisten Karikaturen zu kaufen, während sie für die Mittelschicht weiterhin erschwinglich blieben. Auch der Inhalt der einflussreichen Karikaturen richtete sich an Menschen, die sozial und politisch gebildet waren. Sie entwickelte sich vom satirischen Bild über den Einblattdruck zu einem Instrument des klassischen Journalismus.

Der dritte Aufsatz von Helen Lewis trägt den Titel »Tintenbesudelte Attentäter« und geht der Frage nach, ob Karikaturen im digitalen Zeitalter überleben können, denn nur wenige Karikaturisten können von ihrem Beruf leben und Nachwuchs ist knapp. Zunächst aber wirft Lewis einen Blick auf die letzten Jahrzehnte: Einen Satireboom erlebte Großbritannien in den 1960ern. Dieser wurde durch das Magazin »Private Eye« gefördert, das neu auf dem Markt erschien und den Karikaturisten einen Freiraum für ihre Ideen bot. Es entstanden drei Formen der Zeitungskarikatur: Kommentarkarikatur, Cartoon und Tagesstrip. Die typische Zeitungskarikatur ist der sogenannte op-ed oder Kommentarcartoon. Dabei handelt es sich um eine Zeichnung in Postkartengröße auf der Kommentarseite der Zeitung, die von Blatt zu Blatt unterschiedlich sein kann. Zum Beispiel unterscheiden sich Guardian und Telegraph anhand bestimmter Richtlinien. Während der Guardian aggressive, fratzenhafte Karikaturen von Politikern gestattet, verbietet der Telegraph den Gebrauch von Fäkalien, denn die Leser sollen zum Lachen gebracht werden.

Auch heute noch verwenden die meisten Zeichner klassisch Tinte und Tusche zum Zeichnen ihrer Karikaturen, erst die neue Generation Karikaturisten greift auf digitale Hilfsmittel zurück. Ein Phänomen stellt die Ähnlichkeit der karikierten Personen bei unterschiedlichen Künstlern dar, da die Zeichner von einander abschauen und bestimmte Merkmale kopieren, die für den Wiedererkennungswert unabdingbar sind Während also in der Entstehung der Karikatur noch klassische Techniken zur Anwendung kommen, erscheinen inzwischen viele Karikaturen auch online statt nur in gedruckter Form. Der Nachteil daran ist, dass sie dabei aus ihrem Kontext gerissen werden und sich ihre Wirkung verändert, das Verständnis des Inhalts erschwert wird. Im Internet fehlt der Kontext der gedruckten Zeitung, wo eine Karikatur meist auf die sie umgebenden Artikel reagiert, sodass sie ihre Wirkung entfalten kann und für den Leser Sinn ergibt.

Im Katalog begegnen natürlich die großen britischen Karikaturisten wie William Hogarth, James Gillray und George Cruikshank, die für die Moralvorstellungen ihrer Zeit sehr gewagte Bilder entwarfen. Aber auch die Gegenwart kommt zu Wort: So sorgte zum Beispiel Gerald Scarfe für die anschauliche Darstellung der Eheprobleme von Lady Diana und Prinz Charles.

Der Epilog befasst sich mit den Grenzen der Karikatur. Wie weit kann und darf sie gehen? Sie unterliegt zwar den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Journalismus, dennoch scheinen weltweite Grenzen zu verwischen, gesellschaftliche Tabus spielen kaum mehr eine Rolle. Letztendlich zeigen dennoch Themen wie der Tod, die Religion und der Nahostkonflikt Grenzen auf, die die Pressefreiheit und die Bildthemen Karikatur beschränken.

Insgesamt ermöglicht der Ausstellungskatalog dem Leser eine intensive Auseinandersetzung mit der britischen Karikatur der letzten 300 Jahre. Zum Verständnis der Karikaturen wird aber vorausgesetzt, dass der Leser historisches Wissen besitzt und ihm die karikierten Politiker und Monarchen bekannt sind. Für alle, die nicht so firm sind, liefert der Katalog aber einiges an Kontext mit: Die Zeichnungen sind unter übergreifenden Themen wie »Das britische Empire« oder »Affären und Skandale« zusammengefasst und jede mit einem Text versehen, der einen Einblick in den historischen Kontext bietet. Abschließend verschafft die umfangreiche Künstlerbiografie einen Überblick über die wichtigsten und bekanntesten Karikaturisten Großbritanniens.

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