Ausstellungsbesprechungen

Goya trifft Rubens. Das druckgrafische Werk, Siegerlandmuseum Siegen, bis 15. August 2010

Zeitlich gesehen sind es genau 106 Jahre zwischen 1640 und 1746, die die Lebensalter - und 1263 Kilometer zwischen Siegen und Aragon, die die Geburtsorte zweier Meister der europäischen Malerei trennen. In einer Ausstellung im Oberen Schloss in Siegen versucht das Siegerlandmuseum nun, zurückgreifend auf eine druckgrafische Leihgabe des Freiburger Morat-Instituts, verbindende und trennende Elemente zwischen Peter Paul Rubens und Francisco de Goya herauszuarbeiten. In der mit über 250 Werken Goyas außerordentlich breiten Schau werden vier Zyklen der Arbeiten Goyas um die Jahrhundertwende des 17. zum 18. Jahrhunderts gezeigt. Es eröffnet sich ein erhellender Einblick in das Selbst- und Weltverständnis und die Zeitkritik des Spaniers, die Bezüge zu Rubens sind hingegen von lockerer Natur. Jan Hillgärtner hat die Schau gesehen und berichtet für Portal Kunstgeschichte.

Wollte man versuchen den Unterton, den Goya in seinen kleinformatigen Grafiken darstellt, schlagwortartig zusammenfassen, ließe sich bereits in dieser Abfolge eine gewisse Steigerung erkennen: beginnt der erste Zyklus mit der Darstellung von Stierkampfszenen, die durchzogen sind von leicht spöttischen Pointen, schreiten wir fort zur zweiten Zusammenstellung, die dem Thema der Sprichwörter »Los Proverbios« gewidmet ist und bereits deutlich radikale zeitgeschichtliche Stellungnahmen erkennen lässt. Die Klimax erfährt die Schau in dem rund 80 Bilder umfassenden Zyklus »Los Desastres de la Guerra«, einer Reflexion des Künstlers auf den napoleonischen Krieg in Spanien 1810-14, die auf drastische Art und Weise das zum Ausdruck bringt, wofür der Krieg jenseits linguistischer Debatten und Verlautbarungen unserer Tage seit jeher steht: Tod und Schrecken. Schließlich sind es die Positionen ganz allgemeiner Natur bezüglich der spanischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, die in der Reihe »Los Disparates«, »Die Torheiten«, ein Beispiel für das beißend satirische und unangepasste Schaffen des Spaniers sind.

Bei einem ersten sporadischen Überblick über die verschiedenen dargestellten Stierkampfszenen, zusammengefasst in dem Zyklus »Tauromaquia« (1815-16), entwirft sich rein aus der Ebene des Dargestellten heraus ein stark von den heutigen Sehgewohnheiten abweichendes Bild des Stierkampfs. Was Goya darstellt sind Szenen, die nichts von dem Stolz und dem Anmut zu tun haben, die heutige Stierkämpfe vermitteln und die die Toreros zu den heldenhaften Bezwingern des Tiers stilisieren. Glauben wir dem, was uns Goya darstellt, so war der Stierkampf in seiner Zeit eine Angelegenheit, in der sich Narren, Frauen und Heranwachsende gegen degenerierte Tiere beweisen konnten. Dass eine solche Betrachtung, die augenscheinlich komische und groteske Momente übersieht, der wahrscheinlichen Intention des Künstlers entgegenläuft, wird jedoch schnell beim räumlichen Wechsel deutlich, der uns mit den Positionen Goyas in der Auseinandersetzung mit dem Krieg in seiner Zeit konfrontiert.

Vom spanischen Krieg, bei dem im Napoleonischen Zeitalter eine Invasion Spaniens durch Frankreich versucht wurde, ist auch Goya nachhaltig beeinflusst worden, wie es in der Ausstellung zu sehen ist. Bereits der Titel, »Die Schrecken des Krieges«, lässt schnell eine bestimmte Erwartungshaltung entstehen. Die Radierungen stellen hauptsächlich kleinere Szenen mit einer begrenzten Anzahl an Personal im Bild dar, die auf der persönlichen Ebene das Schicksal des Verlusts, den Tod und die Gewalt erfahren. Die Vielschichtigkeit die diese kleinformatigen Werke dabei jedoch an den Tag legen ist erstaunlich. Beachtenswert erscheint der vielfach lakonische Titel der Werke, immer im Stile »Welcher Mut!«, »Das geschieht jederzeit« oder superlativischer Steigerungen bei der Darstellung der verschiedenen Variationen der Grausamkeit und des Leids entwirft auf der Metaebene einen deutlichen Sinnentwurf, wie die jeweiligen Werke, die im Übrigen vielfach lange Zeit vor der Öffentlichkeit versteckt wurden, zu lesen seien. Bildlich gesehen sind es die Grausamkeiten des Kriegs, die den Menschen Spaniens widerfahren sind. Auffällig an diesem Zyklus ist die Verortung des Kriegs als gesamthistorisches Phänomen. Goya stellt die vielen Toten, Erschossenen, Gehängten und Kämpfenden jeweils als Persönlichkeiten mit deutlichen individuellen Zügen dar. Was in den fein gearbeiteten Werken jedoch ausnahmslos fehlt sind Elemente, die eine geschichtliche Einordnung ermöglichen und den Bezug zu einzelnen Begebenheiten des Kriegs deutlich machen. Man meint an dieser Stelle ganz deutliche Bezüge zur Moderne erkennen zu können, die ebenfalls jenseits aller historischen Realität den Fokus viel stärker auf das Individuum als auf das Geschichtliche – und so häufig auch Legitimierende – legt.

Im Schlossgarten, quasi dem Vorhof des Siegener Schlosses deutet ein Brunnen auf den langen Kampf hin, den die Stadt um die Anerkennung als Geburtsstätte Peter Paul Rubens gekämpft hat. In den Räumen des Schlosses, wo für die gegenwärtige Ausstellung viele Werke zur Seite geräumt werden mussten, wird versucht einen Dialog zwischen dem wahrscheinlich bedeutendsten Maler des Barocks und Francisco de Goya herzustellen. Dies wirft jedoch gewisse Schwierigkeiten auf, da die Werke Rubens´ in der Ausstellung lose in die Zyklen Goyas eingefügt wurden. Besonders das 2x3 Meter große Bild »Die Löwenjagd« sticht hervor. Undeutlich bleiben jedoch die Bezüge, die diese idealistisch anmutende Bildkonzeption gegenüber den vielen kleinen Werken Goyas haben, die immer einen gewissen satirischen Charakter besitzen. Von einer Kontinuität zu sprechen ist sicherlich nicht möglich, viel eher fallen die Unterschiede auf, die, Technik, Material, Stil, und Gegenstand betreffend, nicht gegensätzlicher hätten sein können. Unabhängig von diesen verschiedenen Konzeptionen eröffnet sich leider kein Eindruck von einem verbindenden Element das – hätte man die Malereien des Spaniers hinzugezogen – sich wahrscheinlich deutlicher gezeigt hätte. Was der Ausstellung darüber hinaus gut getan hätte wären breitere Hintergrundinformationen. Das, was im Zyklus der Sprichwörter dargestellt ist, lässt sich aus den Bildkommentaren als die zynische grafische Umsetzung spanischer Sprichwörter destillieren, von den Sprichwörtern selbst und ihren Weisheiten erfahren wir jedoch nichts. Festzuhalten bleibt jedoch, dass das Museum eine ambitionierte Schau organisiert und durchgeführt hat und erfreulicherweise nach den Ausstellungen der letzten Jahre, vor allem der wichtigen Picasso-Schau, sich weiterhin als wichtige Vermittlungsinstanz bedeutender Kunst in der Region treu bleibt.

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