Ausstellungsbesprechungen

Gülsün Karamustafa – Etiquette. Die ifa-Galerie feiert 40. Jahrestag, Institut für Auslandsbeziehungen, ifa-Galerie in Stuttgart, bis 9. April 2011

Mit dieser Ausstellung startet die ifa-Galerie ihre Reihe »Solo für …«, die jährlich auf Künstlerinnen und Künstler verweist, die bereits im Stuttgarter Haus zu sehen waren. Am Werdegang ihrer jeweiligen künstlerischen Entwicklung will das ifa nicht nur ein Stück Individualgeschichte kenntlich machen, sondern auch »auf die kontinuierliche Künstlerförderung« hinweisen. Die erste Künsterlin dieser Reihe ist Gülsün Karamustafa. Eine Rezension von Günter Baumann.

Zugegeben, so richtig rund ist der Geburtstag der ifa-Galerie noch nicht, aber wenn ein Institut wie das für Auslandsbeziehungen in Stuttgart schon einzigartig ist, dann darf man den »Vierzigsten« ihres künstlerischen Aushängeschilds mit Anstand begehen, zumal es im Schwäbischen seine Bewandtnis hat mit dieser besagten Jubelzahl (aber die hiermit gerühmte Schlauheit hat die Galerie mit ihren 175 Ausstellungen, die 586 Künstlerinnen und Künstlern aus zig Ländern eine Stimme in Deutschland gegeben hat, längst unter Beweis gestellt). Am Rande kursieren interessante Werte. Im vier Jahrzehnte währenden Ausstellungsgeschäft wurden rund 7000 Briefe geschrieben, 25000 Brezeln und 30000 Liter Wasser, Wein und Saft zu den Vernissagen verteilt und nicht zuletzt über eine Million Besucher gezählt, die der »40« eine besondere Magie verleihen.

»Die ifa-Galerie wirkt seit 1971 im Rahmen Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik als ein Forum für Kulturaustausch«, umschreibt die Leiterin Iris Lenz den hehren Auftrag der Galerie. Sie ist sich auch gewiss, dass kein Medium, wie neu es auch immer genannt wird, in der Lage sei, »die Begegnung mit dem Originalkunstwerk, noch den direkten Kontakt zwischen Kulturschaffenden zu ersetzen«. Für 2011 stehen Peru und Chile, Delhi und die Türkei auf dem Programm, wobei die Türkei schon deshalb auf die Tagesordnung gehört, weil dieses Land zwischen Europa und Asien seit nunmehr 50 Jahren als Anwärter für eine Anbindung an die Europäische Wirtschaftsunion, die spätere EU, steht.
Mit Gülsün Karamustafa präsentiert die ifa-Galerie eine renommierte türkische Künstlerin, die bereits 1994 und 1999 hier zu sehen war: Schon immer liegt ihr Hauptaugenmerk auf den Stereotypen der Weiblichkeit sowie auf der kulturellen türkischen Identität. »Viele meiner Arbeiten tragen politische Konnotationen«, schrieb Karamustafa, »häufig beziehe ich die Lebenssituation von Frauen mit ein«. Zugleich seien ihre Arbeiten »persönlich, sehr lokal«, das heißt, aufs innigste mit Istanbul verknüpft, »es ist der Ort, den ich am besten kenne und in dem ich am besten gegenwärtig sein kann«. Sie macht sich keine Illusionen darüber, dass Kunst etwas verändern könne, aber als Austausch – gerade im interkulturellen Kontext – ist sie Gold wert. In ihren Installationen geht sie durchaus soziologisch, ja anthropologisch vor, um die sozialen Gefüge innerhalb einer orientalischen Kultur herauszuarbeiten. In der Stuttgarter Ausstellung befasst sie sich mit der »Etiquette«, die das Bild einer Tischgesellschaft um das Jahr 1900 – wir könnten auch sagen: 1911, um noch einen runden Hundertjahresrückblick daraus zu machen – persifliert. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Künstlerin das Rollenverhalten der Frau, Fragen der Identitätsfindung, Differenzen zwischen verschiedenen Kulturen und die latent aufscheinenden Orientalismen. In vielen Arbeiten verknüpft Karamustafa Migrationsfragen mit den Ritualen der Esskultur (»Heimat ist, wo man isst«, 1994), die in der Regel mit Kommunikation zu tun haben. Eine lukullisch aufgedonnerte Tafel zeigt auf allen Serviceteilen dieselben Darstellungen aus einem historischen Benimmbuch. Die Maßstäbe der Etiquette werden dabei nicht nur durch die Multiplizität ironisiert, sondern auch durch senkrecht den Zugang zum Esstisch versperrende leuchtende Stäbe regelrecht persifliert.

Wichtiger Hinweis:

Die Ausstellung wird vom 6. Mai – 26. Juni 2011 in der ifa-Galerie Berlin zu sehen sein.

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