Buchrezensionen

Hannah Rothschild: Die Launenhaftigkeit der Liebe, DVA 2016

Ein geheimnisvolles Bild, ein Familiengeheimnis und Intrigen – das sind die Zutaten zur Geschichte, die Hannah Rothschild für ihren Roman gewählt hat. Ob das gelingt, das hat Stefanie Handke sich genauer angesehen.

 Die erste Szene des Buches weist bereits den Weg: eine aufsehenerregende Auktion mit zahlreichen Stars, Menschenaufläufe vor dem Auktionshaus, minutiös geplante Präsentationen. Es ist ein Meisterwerk, um das es hier geht und das macht Rothschild früh klar. Im Anschluss erzählt sie die Geschichte, wie »Die Launenhaftigkeit der Liebe« bis zu diesem Punkt kam. Oder vielmehr, welche Erlebnisse der Menschen um es herum bis zu diesen Ereignissen führen, allen voran seine Besitzerin Annie McDee.

Die kauft das Gemälde in einem runtergekommenen Trödelladen und will es eigentlich verschenken. Aber es bleibt bei ihr und so entspinnt sich eine kleine Odyssee. Annie will das Werk zunächst schnell wieder loswerden und zurückbringen, muss aber feststellen, dass der Laden abgebrannt ist. Also behält sie es, versucht bei durchaus namhaften Experten seine Herkunft enträtseln zu lassen. Mit wenig Erfolg und erst durch Zufall – einen Museumsmitarbeiter und dessen Bekannte – kommt sie auf den Gedanken, dass es sich dabei um einen waschechten Watteau handeln könnte. Daneben sind außerdem verschiedene andere Personen dem Gemälde auf der Spur, so ihre aktuellen Arbeitgeber, die einflußreiche Kunsthändlerfamilie Winkleman. Die vermisst nämlich genau dieses Gemälde und entdeckt es schließlich bei ihrer Köchin Annie. Mit einer Intrige versucht sie an das Bild zu kommen. Aber auch andere Begehrlichkeiten werden geweckt: Ein Erzfeind der Winklemans entdeckt in dem Bild eine Möglichkeit, sich zu rächen, das fiktive Auktionshaus Monachorum hofft auf Sanierung durch den Verkauf des Werkes und und und.

Dabei scheint das Werk eine eigentümliche Faszination auf alle Figuren auszuüben: Es führt die unglückliche Annie zu einer neuen Liebe (natürlich nach zahlreichen Verwicklungen), jeder will es haben und ein Berater der besseren Gesellschaft, der der Liebe abgeschworen hat, beginnt über diese nachzudenken. In jedem Fall will jeder das Bild sein Eigen nennen, sucht es, jagt es oder versucht wie Annie und ihre Freunde seine Herkunft zu klären. Und die Familie Winkleman ist bereit, über Leichen zu gehen, um das Werk wieder an sich zu bringen.

Obendrein erzählt Rothschild in einem weiteren Strang von den Nachforschungen Rebecca Winklemans bezüglich ihres Vaters: der ist bei weitem nicht der, der er zu sein scheint, wurde er doch während der Nazizeit keineswegs als Jude verfolgt, sondern spürte für die Nationalsozialisten wertvolle Kunstwerke auf. So kam er auch in den Besitz dieses besonderen Werkes und kompensierte später sein Gewissen durch ein starkes Engagement für die jüdische Gemeinde Londons.

Der Watteau, den Rothschild hier beschreibt, ist kein real existierendes Gemälde, nein, er ist rein fiktiv. Im Grunde genommen dient er der Autorin als Zentrum eines Reigens auch kuriosen Figuren der Kunstwelt. Da treten der erfolgreiche Kopf eines Kunsthandelsimperiums auf, der bereit ist über Leichen zu gehen, als sein Erzfeind der gescheiterte Gelehrte, der das Geheimnis der Winklemans lüften will und allerlei Gestalten der feinen Gesellschaft vom reichen russischen Magnaten bis hin zur alternden Mäzenatin. Sie alle versammeln sich auf der Auktion, mit der das Buch beginnt und treten immer wieder auf. So entsteht ein Panorama der High Society, die sich um Geld und Kunstwerke organisiert, für die die Faszination eines erlesenen Werkes oft nur in seinem Wert zu liegen scheint, die aber durchaus auch weitere Interessen an einem solchen Gemälde hat. Diese Nebenfiguren sind das eigentlich interessante an »Die Launenhaftigkeit der Liebe«. Sie alle begehren das titelgebende Werk auf irgendeine Weise und knüpfen ihre Eitelkeiten an seinen Erwerb.

Ein bisschen hat diese Geschichte etwas von Vergangenheitsbewältigung: Rothschild ist der Spross der reichen Londoner Bankiersfamilie, wuchs mit Gängen in die Londoner Museen und erlesenen Kunstwerken im eigenen Haushalt auf. Die Kunstsammlung der Rothschilds wurde von den Nazis enteignet und so verwundert es kaum, dass die Autorin bereit zuvor zu diesem wichtigen Thema gearbeitet und dieses nun auch in ihrem Roman eingebaut hat.

Gerade in den Beobachtungen rund um die oftmals irrationale und übertriebene Kunstwelt liegt die Stärke des Buches. Rothschild schafft Karikaturen von bekannten Typen und lässt sie »Die Launenhaftigkeit der Liebe« wir Motten das Licht umkreisen. Zugleich deutet sie ein Problem des Kunsthandels an: Die Fixierung auf Werte statt Faszination. Während die unbedarfte Annie McDee schlichtweg fasziniert von der Wirkung und Herkunft des Werkes ist, interessieren insbesondere die Winkleman und Earl Beachendon, den Kopf des Auktionshauses Monachorum, vor allem dessen Wert.

Im weiteren aber scheint Rothschild schlichtweg zuviel zu wollen: Da ist das Geheimnis um ein Gemälde aus dem Trödel, es geht um Raubkunst und obendrein will sie Kritik am geldgierigen Kunstmarkt äußern. Sie bedient sich dafür ein bisschen an allen Genres: Historienroman, Liebesroman, Krimi. Das ist nicht langweilig, nein, man bleibt bei der Geschichte, aber die Figuren in ihrer Karikaturhaftigkeit bleiben blass. Hannah Rothschilds Kunstgriff, das kleine Gemälde selbst zu Wort kommen zu lassen und über die Menschen seiner Umgebung zu philosophieren, ist dagegen äußerst unterhaltsam, insbesondere da »Die Launenhaftigkeit der Liebe« eine gewissen Abgebrühtheit erkennen lässt, die ihm die Gabe verleiht, all diese Personen neutral zu betrachten.

Fazit: Ein unterhaltsamer Roman, aber mehr als einmal wird man ihn wohl kaum zur Hand nehmen.

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