Ausstellungsbesprechungen

Hinaus in die Natur! Barbizon, die Weimarer Malerschule und der Impressionismus. Weimar, bis 30. Mai 2010

In dieser Ausstellung wird der neueste Stand der Forschung zur Weimarer Malerschule präsentiert. Die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht sprach diesbezüglich von »europäisch denken«. So will die Ausstellung die Rolle der Weimarer Landschaftsmalerei im Beziehungsgeflecht zwischen Frankreich, den Niederlanden und Deutschland deutlich machen, um somit auch Barbizon aus dem Schatten des Impressionismus zu befreien. Das Ausstellungskonzept folgt dabei der Ausstellungskonzeption für die Goldene Hochzeit von Großherzog Carl Alexander und Großherzogin Sophie 1892, in der schon einmal Werke der Barbizonisten neben solchen der Malerschule standen. Rowena Fuß hat die Eröffnung der Ausstellung beigewohnt und schildert ihren Eindruck.

Im ersten Raum des Erdgeschosses werden die klassisch-idealisierenden Kunstansichten des Großherzogs mit Bildern wie Karl von Pilotys »Seni an der Leiche Wallensteins« (um 1855) und »Burg Tirol im Etschtal« (1851) von Stanislaus Graf von Kalckreuth gezeigt und den zeitgenössischen Werken der Barbizonisten gegenübergestellt.

Der zweite Raum veranschaulicht nämlich das Werk der Barbizoner Künstler Camille Corot, Gustave Courbet, Charles-François Daubigny, Narcisse Diaz de la Peña und Constant Troyon. Die Barbizoner Maler, die dort von 1830 bis 1870 wirkten, gelten durch die Wiederentdeckung der Natur als Pioniere einer neuen Landschaftsmalerei. Sie wandten sich der schlichten heimatlichen Landschaft zu, ihrer Darstellung im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten und der Witterung. Im Zuge dessen entwickelten sie auch eine neue Landschaftsauffassung, die so genannte »paysage intime«. Obwohl Corots Werk oft noch eine stille Verklärung des arkadischen Hirtenlebens darstellt, betrachtete auch er die Natur als Grundlage seiner Arbeit. In seinem Bild »Holzfäller in einem Waldtal« (1872) verschwimmen Plastizität und begrenzte Räumlichkeit, um in Dunst und Licht aufzugehen. Mit seiner charakteristischen Spachtelarbeit in der Courbet das materiell Gegenständliche, in »Rehe im winterlichen Unterschlupf« (1866) vor allem die Schnee- und Laubpartien, eindrücklich vermittelt, wurde er besonders für Christian Rohlfs zum Vorbild. Die Weite des Landschaftsraums und die weich modellierten Lichtverhältnisse mit den Schattenzonen bestimmen den lyrischen Charakter der Werke Daubignys, hier beispielhaft »An der Oise« (1869). Mit seinem flüssigen Pinselstrich und den frischen Farbharmonien beeinflusste er zudem die Entwicklung des Impressionismus. Troyon galt hingegen als Meister des zeitgenössischen Tierbildes, da er eine Synthese des modernen Landschaftsbildes und des von altholländischen Vorbildern inspirierten Tierstückes schuf. »Herde, eine Furt überschreitend« (1860) zeigt eine massige Rinderherde, die im Gegenlicht frontal auf den Betrachter zukommt. Mit diesen und anderen Werken wurde Troyon zum Vorbild für die Haager und Münchner Schule.

Im dritten Raum werden verschiedene Fotografien von Landschaftsmotiven aus Barbizon gezeigt, die Eugène und Adalbert Cuvelier sowie Paul Gaillard um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufnahmen und vielen (Barbizoner) Künstlern als Motivkatalog für ihre Bilder dienten.

Im vierten Raum wird das Verhältnis von Barbizon und der Haager Schule beleuchtet. Als Beispiel: Anton Mauves lockerer, zügiger Pinselstrich und die fein abgestimmte dunkle Tonigkeit lassen die Rinderherde in »Weg mit Kühen: Auf dem Heimweg« (o.J.) mit ihrer Umgebung verschmelzen.

Der fünfte Raum zeigt die intime Landschaftsmalerei in München, die Eduard Schleich d.Ä. und Adolf Heinrich Lier als einflussreichste Vertreter einer stimmungsvollen und auf leise Töne konzentrierten Landschaftsmalerei vertraten. Diese wandten sich von den heroisch aufgeladenen Bergmotiven, sowie der Verwendung dramatischer Effekte ab und suchten stattdessen in den kargen oberbayrischen Moorgegenden nach intimen Bildausschnitten. Beispielhaft ist Schleichs »Rinderherde am Wasser« (um 1851) ausgestellt.

Im sechsten Raum im Erdgeschoss des Museums wird die »Freilichtmalerei in München, Düsseldorf und Dresden« dargestellt. Der Münchner Akademiestudent Wilhelm Trübner erlebte 1876 zusammen mit Carl Schuch am Weßlinger See, westlich von München gelegen, eine besonders fruchtbare künstlerische Phase. Dort erreichte er einen Höhepunkt seines auf wenige Farbtöne abgestimmten malerischen Ausdrucks, wie ihn das ausgestellte Werk »Zimmerplatz am Weßlinger See« (1876) bezeugt. Inhaltliche Aspekte treten dabei zugunsten der koloristischen Wirkung zurück. Der gebürtige Den Haager Richard Burnier ließ sich 1867 in Düsseldorf nieder, ohne den Kontakt in die Heimat abbrechen zu lassen. In fein nuancierter, toniger Farbigkeit und verwischten Pinselstrichen hielt er den Eindruck feuchtigkeitsgesättigter Luft in »Landschaft (Nasses Wetter)« (1878) fest. Dicht gesetzte, intensiv gelbe Pinselstriche fangen dagegen in Max Arthur Stremels »Ährenleserinnen in Flandern« (1891) den Eindruck eines lichterfüllten heißen Sommertages ein, an dem die Luft zu flirren beginnt und die Konturen der Gegenstände sich aufzulösen scheinen.

Im Obergeschoss widmet sich die Ausstellung ganz der Weimarer Malerschule, die sich ab 1875 um Karl Buchholz, Paul Baum, Theodor Hagen, Leopold von Kalckreuth, Ludwig von Gleichen-Russwurm und Christian Rohlfs bildete. Die neue Anschauung der »paysage intime«, mit der bedeutenden Rolle des Naturstudiums, einer Nahsicht des Gegenstandes und das schlichte, heimatliche Motiv prägten diese Künstler. Einen besonderen Verdienst um die Vermittlung der Barbizonistischen Malerei in Weimar kam den beiden Lehrern Albert Brendel und Theodor Hagen an der Kunstschule zu. Hagens »In den Dünen von Scheveningen« (1876) lebt von einem raffiniert eingesetzten Gegenlicht, in dem die auf die Rückkehr der Fischerboote wartenden Fischersfrauen im Vordergrund in einem silhouettenartigen Hell-Dunkel-Kontrast wie in den Bildern der Haager Schule erscheinen. Eine frühe Form der »paysage intime« findet sich in Alexander Michelis »Rhönlandschaft« (1865). Dieser war 1863 bis 1868 Leiter der Landschaftsklasse an der Kunstschule und machte das Freilichtstudium zum festen Bestandteil der Ausbildung. Nicht ein effektvolles Motiv, sondern die authentische Wiedergabe eines Landschaftsausschnittes, hier der abfallende Hang unter wechselndem Lichteinfall, ist das Thema. Als Leitfigur unter den Weimarer Malern fungierte auch Karl Buchholz. Mehrfach stellte dieser das Webicht dar, ein Waldstück zwischen Weimar und Tiefurt. »Waldinneres (Frühling im Webicht)«, das um 1880 entstand, öffnet den Blick in ein feierlich stilles Waldinterieur, gesäumt von Birken- und Buchenstämmen, deren grafisch-lineares Geäst sich kontrastreich im Gegenlicht des Himmels abzeichnet. Neben Buchholz standen die etwas älteren Künstler Eduard Weichberger und Paul Tübbecke für die frühe Freilichtmalerei in Weimar. Weichbergers » Landschaft mit blühenden Obstbäumen« (o.J.) konzentriert sich einzig auf die blühenden Bäume an dem leicht nach links abfallenden Hang, wie sie an den Wegen in der Umgebung Weimars gut zu beobachten waren.

Weiterhin stehen die französischen Inspirationen auf die Weimarer Landschaftsmalerei ab 1890 im Fokus der Aufmerksamkeit. In den Ausstellungen der Permanenten Kunstausstellung in Weimar wurden ab 1890 Werke von Claude Monet, Camille Pissarro und Henri Martin gezeigt, die einen maßgeblichen Entwicklungsschub auf die Weimarer Maler auslösten. Stellvertretend für die damals ausgestellten Bilder sei hier Monets »Das Meer bei Antibes« (1888) genannt, das im März 1890 in der Permanenten ausgestellt war und sich auch heute erneut unter den ausgestellten Werken befindet.

Ein weiterer Raum widmet sich der »Hellmalerei in Weimar« und den deutschen Impressionisten Carl Arp, Christian Rohlfs, Hans Olde, Paul Baum u.a., von denen hier Ludwig von Gleichen-Russwurm betrachtet werden soll. Dieser malte mit »Die Bleiche« (um 1895) ein beliebtes Motiv der Impressionisten, in dem er sich nur auf die leuchtenden Farben und die Lichtreflexe eines Sommertages konzentriert.

Fazit: Mit einer überwältigenden Auswahl an Bildern wird die Schau ihrer Intention, die Komplexität der Weimarer Malerschule zu zeigen, nur allzu gerecht. Viele zusätzliche Dokumente in Vitrinen wie die Skizzenmappen von Eduard Weichberger und Albert Brendel, sowie zeitgenössische Dokumente machen die Ausstellung zu einem lehrreichen Ereignis und Augenschmaus. Einziger Mangel ist das Spiegeln der Glasvitrinen bei eingeschaltetem Licht und die nur sparsam belichtete Prellergalerie, in der Friedrich Preller d.Ä. 1868 in einem 16-teiligen Zyklus die Odyssee thematisierte.

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