Ausstellungsbesprechungen

Holzschnitt, Urform des Buchdrucks

Das Ausstellungsprojekt »Sechs deutsche Holzschneider« verdanken wir Reinhard Scheuble – Scheuble ist Buchdrucker, Buchkünstler und Verleger zugleich; seit über 25 Jahre gibt er in seinem Verlag »Die Quetsche« (Witzwort/Nordfriesland) limitierte Buchdrucke und Einzelblätter heraus; er ist, könnte man sagen, ein Traditionsverwahrer der »Schwarzen Kunst«.

Diesmal ist es ihm gelungen, sechs namhafte Künstler in einem Projekt für den Kunstverein Husum e.V. zu vereinigen, die in ihren Themen und Motiven kaum unterschiedlcher sein könnten: Klaus Süß (Chemnitz), Gerhard Hermanns (Barkenholm/Dithmarschen), Bernhard Jäger (Frankfurt/Main), Lothar Seruset (Berlin), Uwe Bremer (Gümse/Wendland) und Peter Loeding (Hamburg).

 

Die Ausstellung wird nach Husum noch an drei weiteren Stationen zu sehen sein. Was die Künstler verbindet, ist die Liebe zum Holzschnitt, jener Technik, die in unserem Kulturraum ihre Blütephase vom frühen Mittelalter bis hin zur Dürerzeit hatte. Der Holzschnitt gilt damit als Urform des modernen Buchdrucks. Aber erst die Expressionisten entdeckten erneut diese Kunst als unverzichtbares Ausdrucksmittel.

 

Die sechs Künstler haben diese Technik für sich erwählt, weil der Holzschnitt nicht nur diszipliniertes Arbeiten erfordert, sondern auch auf einem äußerst lebendigen Material basiert, dessen Bearbeitung eine kundige Hand verlangt. Der Künstler steht in Zwiesprache mit diesem spröden, sich wandelnden Material Holz – und es entsteht beinahe so etwas wie eine erotische Beziehung zwischen beiden.

 

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Diese Ausstellung und die begleitende Publikation – 6 Holzschnitte auf handgeschöpftem Papier in einer exklusiven Kleinauflage von 40 Stück - beweisen, dass der Holzschnitt ein künstlerisches Medium ist, das sich auch im beginnenden 21. Jahrhundert zu behaupten weiß. Die Künstler sehen sich dabei bewusst einer Tradition verpflichtet, die es gerade im Zeitalter der Technisierung und beliebigen Reproduzierbarkeit zu bewahren gilt.

 

Die Ausstellung ist auch insofern besonders anschaulich gestaltet, da die Künstler nicht nur die Holzschnitte, sondern zum Teil auch die Druckplatten als – fast schon eigenständige Kunstobjekte – mitgeliefert haben. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Holzschnitte aus der erwähnten, die Ausstellung beleitenden Mappe herausgestellt.

 

Im Œuvre von Klaus Süß – Jahrgang 1951 - spielt der Mensch eine besondere Rolle. Es geht um animalische Urkräfte, um den Kampf der Geschlechter, um das dialektische Wesen zwischen den Polen Fruchtbarkeit und todbringender Kraft. Der Künstler beschwört dabei Anspielungen auf Naturmythen- und völker, auf archaische Rituale und kulturübergreifende Symboliken.

 

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So fühlt man sich bisweilen erinnert an die urtümliche Formensprache afrikanischer Kunst, wie sie beispielsweise auch den expressionistischen Künstlern der »Brücke« bekannt waren, was durch Süß’ Farb- und Formensprache unterstützt wird. Seine Figuren pulsieren vor Lebenskraft, einzelne Gliedmaßen sind überproportional vergrößert, ihre Gestik ist beinahe theatralisch.

 

Dies gilt auch für das Motiv des ausgewählten Holzschnitts:  eine übermächtige, große Frauengestalt – vielleicht eine Art Urmutter – trägt einen kleinen Mann, der in einem Boot sitzt, in ihren Händen. Klaus Süß greift hier einen Motivkomplex auf, mit dem er sich aktuell beschäftigt: Menschen im Boot. Die Doppeldeutigkeit dieses Motivs entspricht der Doppeldeutigkeit des dargestellten Verhältnisses zwischen Mann und Frau. Wiegt sie den Mann in seinem Boot beschützend in ihrem Schoß – oder hat sie die Macht, ihn jederzeit auf den Weltmeeren auszusetzen oder gar aus dem Boot – seinem privaten Kosmos - zu stoßen?

 

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Gerhard Hermanns wurde 1935 geboren, er lebt heute in Dithmarschen. Sein Schwerpunkt ist üblicherweise der Farbholzschnitt; Landschaftsmotive der schleswig-holsteinischen Küsten- und Kulturlandschaft sind seine Leitthemen. Der Mensch erscheint in seinen Bildern nur selten, mal trifft man auf badende Knaben, mal auf Bauern oder typische Gestalten seiner heimatlichen Region in Dithmarschen.

Ein Bild wie dieses, das ausschließlich einen Knabenkopf zeigt, ist also eher selten, ebenso wie die Tatsache, dass er sich diesmal für einen Schwarz/Weiß-Holzschnitt entschieden hat. Aber es tut dem Betrachter gut, auch einmal die andere Seite eines Künstlers kennenzulernen. Klare Konturen, ein fast schon als hart empfundener Hell/Dunkel-Kontrast, der Schlagschatten, der von Dunkelheit verhüllte Blick lassen den unbekannten Jungen eindringlich, aber nicht aufdringlich wirken.

 

Seine aktuellen Arbeiten, die er in dieser Ausstellung zeigt, sind – ebenso wie der Ausflug

in die Porträtkunst – ein Novum. Dem Gegenständlichen hat er darin abgeschworen; es sind, so könnte man schlicht sagen, Illustrationen zu Gedichten. Aber die abstrakten Motive, die sich auf Texte osteuropäische Lyriker beziehen, sind von einer geradezu aufrüttelnden Intensität. Holzgesänge nennt Hermanns diese Arbeiten – und es sind Abgesänge auf eine heile Welt, die es – wie es viele der osteuropäischen Autoren thematisieren – nach Kriegen und auch dem Holocaust nicht mehr geben kann und wird.

 

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Lothar Seruset, Jahrgang 1956, lebt in Berlin. Sein Holzschnitt wirkt kaleidoskopartig, denn auf dem Bild vereinigen sich mehrere Szenen, die zeitgleich nebeneinander oder in zeitlicher Abfolge hintereinander stehen. Hier sind Momentaufnahmen festgehalten, die zusammengenommen eine bedrückende atmosphärische Dichte haben: von links schwebt ein uniformierter Mann ins Bild, der eine Säule trägt, die von einer Skulptur geschmückt ist, die die zweite Bildszene symbolisiert – auf dem Rücken eines Pferdes liegt, so als könne er sich nur schwer halten, ein gefallener Engel. Die dritte Figur, die dieser vordergründigen Szenerie den Rücken zuwendet, steht auf einem Hochhaus und zielt mit einem Gewehr in die Ferne, vielleicht auf den einfliegenden Hubschrauber.

 

Der Holzschnitt hat etwas Apokalyptisches an sich, er erinnert thematisch und stilistisch zum Teil an den Weltzweifel des expressionistischen Künstlers Hans Meidner. Die figürliche Darstellung war und ist sein bevorzugtes Thema; immer wieder versucht Lothar Seruset den Standort des Menschen in dessen eigenem Leben auszuloten.

 

Er hat seine Kunstwerke einmal sehr treffend charakterisiert: »Der Versuch des Menschen, sich in seiner Mitte zu halten – und das in einer Welt, die manchmal auf dem Kopf steht«. Man könnte auch sagen: in einer kopflosen Welt, in der alles aus den Fugen geraten ist, versucht der Mensch verzweifelt einen Halt zu finden – eine beklemmendes Gefühl, das auch beim Betrachten diesen Holzschnittes bleibt.

 

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Uwe Bremer
wurde 1940 bei Erfurt geboren und lebt seit 1971 in Gümse im Wendland.  Der Holzschnitt (wie andere Ausstellungsstücke) entstammt dem Band »Nachmittag eines Fauns und anderes Jägerlatein« von Hans Christoph Buch (Quetsche. Verlag für Buchkunst 2006). Es illustriert die skurril anmutende Geschichte eines Försters, der über die mangelnde Zielgenauigkeit der Wilderer philosophiert, kurz bevor er realisiert, dass er tatsächlich von der Kugel eines dieser Freischützen getroffen wurde und sterben wird.

 

»Diese Freischützen, bei denen es sich um entlaufene Matrosen oder desertierte Soldaten handelte [...], schreckten vor keiner noch so gemeinen Schandtat zurück [...]«.

Der einäugige Ganove, den Bremer darstellt und der mehr wie ein Mischwesen aus antikem Zyklopen und einem Mafioso wirkt, ist wieder einmal ein typisches Beispiel aus der Bilderwelt des Künstlers: sein Hang zum Abgründigen oder Phantastisch-Grotesken wird in dieser Gestalt, in der übrigens, wie der Künstler selbst sagt, immer auch ein bisschen vom eigenen Ich steckt, überdeutlich. Schon seit Beginn seines künstlerischen Schaffens hat er diese Affinität zu dunklen, irrealen Welten, in denen seine Wesen agieren. Wieder einmal erweist sich Bremer als virtuoser Illustrator, der mit einen Arbeiten das erzählerische Element des leichten Grausens beim Leser und Betrachter verstärkt.

 

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Leitmotivisch zieht sich das Thema »Figur« durch das künstlerische Werk von Bernhard Jäger (1935 in München geboren). Gerne greift er die Antipoden »männlich« – »weiblich« auf, arbeitet mit Verdopplungen und konzentriert sich auf die Fragestellung der zwischenmenschlichen Kommunikation.

 

Das Assoziationsfeld erweitert sich durch die jeweilige Umgebung, in die der Künstler seine Figuren stellt: Gehäuse, Särge oder ein Tisch wie auf dem vorliegenden Holzschnitt. Jäger hat hier ein bekanntes Motiv aus der Wahrnehmungspsychologie ausgewählt und leicht abgewandelt: zwei Köpfe in seitlicher Porträtansicht blicken einander an; im entstehenden Zwischenraum nimmt der Betrachter üblicherweise eine Vase wahr, hier jedoch hat der Künstler farblich eingegriffen, so dass man den Eindruck erhält, aus den geöffneten Mündern der beiden quelle eine neue, eine dritte Figur hervor.

 

Wie viele Figuren Jägers ist auch diese abstrahiert und piktogrammartig. Sie reiht sich damit in ein in Jägers Figuren-Alphabet von mittlerweile rund 400 sogenannten Prototypen der unterschiedlichen psychischen und physischen menschlichen Konstitutionen, die der Künstler in den letzten Jahren erschaffen hat und auch in dieser Ausstellung zeigt.

 

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Peter Loeding,
1936 in Hamburg geboren und aufgewachsen, hat als Kind den Feuersturm auf Hamburg im Zweiten Weltkrieg miterlebt, diese Erfahrung prägt bis heute seine Sujets. Seine Bilder sind beherrscht von apokalyptischen Szenerien, vom Krieg und von Katastrophen. Endzeitstimmung – könnte man sagen, denn hier wird keine heile Welt beschworen, hier wird angeklagt, nämliche jene Zustände, an denen unsere Gesellschaft damals und heute erneut krankt.

 

Loeding hat die Utopien begraben. Auf diesem Holzschnitt, mit dem er das Motiv von 2004 »Yellow Dog oder kleines Lied vom Krieg« wieder aufgreift, spielt eine Gestalt mit einer Hundemaske Saxophon; aus dem Musikinstrument drängen Flammen; Flammen, die die spielzeugartigen Häuser ringsherum entzünden. Die Figur erinnert, wie das für Loeding so kennzeichnend ist, an Elemente aus der Volkskunst, wie zum Beispiel der der alemannischen Fastnacht; er greift mit seinen dargestellten Figuren und Szenen weit zurück in literarische und volkstümliche Traditionen.

 

Begriffe wie »memento mori« oder »Totentanz« sind bei der Betrachtung schnell assoziiert. Der Künstler schafft Mischwesen, lässt sie scheinbar unbeteiligt tanzen und musizieren, obwohl sie eigentlich Feuer, Zerstörung und Tod bringen; mit ihrem »prophetischen Zorn« läuten sie das Weltende ein: »Das Fest ist aus – es brennt das Haus – wir machen uns davon« betitelte Loeding einst einen seiner Holzschnitte.

 

Aber dennoch gibt es so etwas wie Hoffnung in Loedings Werk, vor beinahe 15 Jahren schrieb er zu einem Holzschnitt-Zyklus: »So sing ich denn mein Lied durch Regen und Nacht, bis uns kein Feuer mehr erwärmt. Kummerland ist abgebrannt. Aber aus Asche wird auch etwas Neues!«

Weitere Informationen

Öffnungszeiten

Täglich – den Öffnungszeiten des Rathauses entsprechend sowie Sonntag 11-13 Uhr

  

Weitere Stationen der Ausstellung

Kunstverein Heide: 5. August bis 2. September 2007

Druckmuseum Rendsburg: 20. September bis 2. Dezember 2007

Kunstverein Gera: 13. März bis 25.April 2008

 

Mappe mit 6 Originalholzdrucken: gedruckt in der »Quetsche«/Witzwort auf handgeschöpftem Losin Papier, Verkaufsauflage: 40 Stück; signiert und nummeriert; Preis: € 280,00

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