Ausstellungsbesprechungen

Ida Kerkovius – Meine Welt ist die Farbe, Kunstsammlungen Chemnitz | Museum am Theaterplatz, bis 27. April 2014

Das Chemnitzer Museum präsentiert die erste größere Einzelausstellung der Malerin und Bildweberin Ida Kerkovius (1879-1970) seit über zehn Jahren. Die Deutschbaltin zählt zum Kreis des Stuttgarter Avantgardekünstlers Adolf Hölzel. Rowena Fuß hat sich ihre Werke angesehen.

Mit einem Schwall ergießt sich der Wasserfall in eine Mulde und dreht sich spiralförmig im Becken. Fast ist es so, als ob er klingt. Das markanteste Wahrzeichen im Zentrum des Kurortes Bad Gastein fällt im Bild der Künstlerin direkt vor den Häusern aus 340 Metern. Nur zwei von ihnen waren für die Komposition nötig. Kerkovius grenzt die jeweiligen Farbflächen der Gebäude, Steine, Wälder und Berge mit dicken schwarzen und blauen Konturlinien voneinander ab. Wie eine Symphonie mag auch ein abstrakter Wandteppich erscheinen, der 1950 entstand. Ein gelber Halbmond korrespondiert mit einer unregelmäßigen blauen Fläche, während verschiedene kreis- oder quaderförmige Figuren in gedämpften Rot-, Blau oder Grüntönen um sie kreisen.

Weben und Malen gehören für Ida Kerkovius zusammen. Begeistert von den Werken einer Hölzel-Schülerin im Rigaer Kunstsalon fasst sie im Jahr 1902 den Entschluss, ihr Studium in Dachau bei München weiterzuführen, wo Adolf Hölzel eine private Malschule gegründet hatte. Dessen Farbenlehre sowie seine Lehre vom Primat der Mittel prägen ihre Arbeiten stark, doch sollte es die handwerkliche Tätigkeit des Webens sein, die sie zur Abstraktion führt. Sie erlernt es am Bauhaus in Weimar. Dort studierte sie bis 1923 drei Semester lang bei Paul Klee, Wassily Kandinsky und ihrem ehemaligen Schüler Johannes Itten. Und es sind die einfachen Formen und Texturen ihrer Webarbeiten, die Kerkovius auf ihre Malerei überträgt. Bereits 1920 widmet sie sich der Pastelltechnik, für die sie auch bekannt ist.

Zarte farbige Akzente in Gelb, Hellblau und Rosa schmücken die aus cremefarbenen Velours und weißer Pastellkreide aufgebaute Flusslandschaft in »Schiffe in Norwegen«, während ultramarinblaue Linien den Bildelementen Konturen verleihen. Die ursprünglich 1958 datierte Arbeit, musste jedoch weit nach vorn gerückt werden. Als das Pastell anlässlich der Ausstellungsvorbereitungen aus dem Passepartout gelöst wurde, kam ein Nachlassetikett zum Vorschein. Das dort verzeichnete Jahr 1932 konnte jedoch mit keiner Norwegenreise Kerkovius’ in Beziehung gebracht werden. Für Kuratorin Gesa Jürß und ihr Team stand dann aber schnell fest, dass es wohl um 1936 entstanden sein musste, da hier sowohl die Reise wie auch eine verhältnismäßig naturnahe Darstellung einer norwegischen Inselgruppe auf einem anderen in der Zeit entstandenem Bild Indizien liefern.

Die insgesamt 27 Arbeiten, darunter zwei große Wandteppiche, vier Gemälde und eine große Anzahl ihrer farbkräftigen Pastelle laden dazu ein, die vergessene Avantgardekünstlerin wiederzuentdecken. Interessant ist außerdem, wie es zur Ausstellung kam. Der größte Teil der Exponate stammt aus der Privatsammlung Gerhard Kluges, die voraussichtlich als Schenkung an das Museum gehen soll. Diese Art Klüngel zwischen einem Museum und einer Privatperson lässt sich in letzter Zeit häufig beobachten. Vorreiter ist das Frankfurter Städel. Erst 2013 stiftete der Verleger und Sammler Benedikt Taschen 15 Werke aus seiner Privatsammlung dem Museum. 2011 kamen Werke aus der Sammlung Posselt ins Haus. Die FAZ kommentierte dies in ihrer Onlineausgabe damit, dass das Städel mittlerweile zu einem »Musterbeispiel privater Kunstförderung« geworden sei. Zu Recht, meinte die Berliner Morgenpost. Denn in Zeiten knapper öffentlicher Kassen seien die Häuser auf private Sammlungen angewiesen. Es versteht sich von selbst, dass das nicht überall für Begeisterung sorgt. »Manche sind nervös, wenn ich mit der Erbtante spreche«, sagte Max Hollein, der Leiter des Städels in einem Interview mit dem Magazin Focus. Den Chemnitzer Kunstsammlungen ist zu wünschen, dass sie für ihre zukünftigen Händel genug Feingefühl besitzen.

Weitere Informationen

Parallel zeigt das Museum Gunzenhauser in Chemnitz bis 27. April 2014 die Ausstellung »JAWLENSKY neu gesehen«. Beide Präsentationen ermöglichen dem Besucher, die künstlerische Entwicklung zweier befreundeter Zeitgenossen nachzuverfolgen und gegenüberzustellen.

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