Buchrezensionen

Johannes Ebert, Andrea Zell (Hrsg.): Klima Kunst Kultur. Der Klimawandel in Kunst und Kulturwissenschaften, Steidl Verlag 2014

Die Wissenschaft erklärt die Wirklichkeit anhand von Begriffen, die Kunst macht die Wirklichkeit sinnlich erfahrbar. Johannes Ebert und Andrea Zell haben das nuancierte Buch »Klima Kunst Kultur« herausgegeben, das diese beide unterschiedliche Diskurse rund um das Thema Klimawandel vereinigt. Aura Cumita hat es gelesen.

Basierend auf Herder, der den geerbten aristotelischen Gegensatz zwischen Natürlichem (von Natur aus) und Künstlichem (von Menschen Gemachtes) aufhebt, verzichten die heutigen Kulturwissenschaften auf diesen Gegensatz. Der doppelte Prozess des Bewirkens und Erduldens zeichne nicht nur die Natur, sondern auch den Menschen, also auch die Kultur aus, wie der in Berlin lehrende Kulturhistoriker Thomas Macho meint. Er geht noch weiter: er verwendet den Begriff Klimawandel als Pseudonym für Kulturwandel und setzt den Kulturbegriff mit dem Klimabegriff gleich. »Naturkatastrophen« seien im Grunde nichts anderes als Kulturkatastrophen schreibt auch der Soziologe Alban Knecht.

Als bewirkende Kraft, ist das Klima mächtig und unberechenbar. Dadurch wird nicht nur unser Leben, sondern es werden sogar unsere Gemüter zutiefst beeinflusst. Dies zumindest glauben der Kulturwissenschaftler Nico Stehr und der Klimaforscher und Meteorologe Hans von Storch. Beide beschäftigen sich mit sozialen Konstrukten des Klimas und verfolgen dabei klimadeterministische Vorstellungen. Diesen Vorstellungen zufolge, ist der Klimawandel um jeden Preis zu vermeiden: Der Mensch solle im Einklang mit dem Klima leben, sonst gibt es katastrophale Folgen für die Menschen und die Kultur. Die beide Autoren beklagen, dass Klimaschutzpolitik unzureichend ist - vermutlich weil der Faktor Kultur nicht in die Schutzpolitik einbezogen ist - und geben zu, dass Anpassung eine der wichtigen Strategien ist, um sich auf den Klimawandel einzustellen. »Anpassung ist ein regionales Phänomen und setzt voraus, dass man gute Erkenntnisse darüber gewinnt, wie sich das Wetter und Klima an der Nordsee oder am Bodensee verändern.«

Während die Wissenschaft sich um genauen und wahren Erkenntnisse bemühen soll, bezieht sich der im Buch enthaltene künstlerische Diskurs auf Installationen, Videos und Fotoserien von Künstlern, die aus verschiedensten Regionen der Welt (USA, Dänemark, Deutschland, Nigeria, Schweden, Äthiopien und Argentinien) kommen und mit unterschiedlichen Ansatzpunkten an das Thema Klimawandel herangehen: mal dramatisierend oder alarmierend, mal ganz pragmatisch oder ironisierend. Die unter dem Titel »Apokalypse jetzt – Dramen lokaler Verwundbarkeit« gesammelten Kunstwerke werden zu einer Bewusstsein schaffenden Instanz, die den wissenschaftlichen Diskurs mit seiner Starrheit der Begriffe auflockert und zugleich eine prägende Ästhetisierung der Folgen des Klimawandels schafft. Beispielsweise, dokumentiert in einer Fotoserie der in Nigeria geborene Fotograf und Fotojournalist, George Osodi, wie sich das Niger-Delta und damit der Alltag der dort lebenden Menschen durch die Ansiedlung der Öl-Industrie dramatisch verändert. Hier werden Natur und Mensch als Opfer dargestellt. Die Videoinstallation von dem seit 1995 zusammenarbeitenden Künstlerduo Allora & Calzadilla rekonstruiert die Atmosphäre in New Orleans nach der Überflutung durch Hurrikan »Katrina« 2005 und macht darauf aufmerksam, dass die Infrastruktur auch nach so vielen Jahren in New Orleans immer noch nicht wieder richtig funktioniert. Das Werk begreift die Natur als bewirkende Kraft und den Mensch als Opfer. Die Künstlerin Erika Blumenfeld und der Schriftsteller Ilija Trojanow begeben sich auf eine sinnliche Reise in die Antarktis und vermitteln durch Bilder und Worte die Erfahrung der weißen Landschaft. Dabei zeigen sie sich besorgt über die Schmelzprozesse in der Antarktis. In den beiden Beiträgen wird der Mensch als bewirkende Kraft verstanden, während die Natur ein Opfer zu sein scheint. Die im Buch abgebildeten Werke stimulieren die Neugierde des Betrachters, erweitern sinnlich dessen Horizont hinsichtlich der Folgen des Klimawandels und laden zur Stellungnahme ein.

Einige Strategien zur Bekämpfung der Erderwärmung wurden bereits weltweit teilweise eingeführt und haben zur Entwicklung einer Kultur der ökologischen Verantwortung geführt. Das Buch stellt diese Tendenz in Frage. Joachim Radkau warnt in seinem Beitrag davor, dass das Eingeständnis, dass Klimawandel die größte Krise der Menschheit sei, zu einem unüberlegten Aktivismus führen kann, wie er beispielsweise zu den gigantischen Windkraftparks geführt hat. Der ökologische Aktivismus in Deutschland hat zu einem Konstrukt beigetragen, demzufolge die Deutschen sich für vorbildlich in dieser Hinsicht halten, meint der Philosoph Ludger Heidbrink. Eine Studie von National Geographic zeigt jedoch, dass die Deutschen »mit ihren Energielampen und dem Sortieren von Abfall« aber mit ihren hohen CO2- Emissionen nur im unteren Mittelfeld stehen. Denn Bekämpfung der Erderwärmung geht nicht wirklich mit dem Wachstumsprinzip und dem Fortschrittsdiktat einher, wie der Autor zeigt. Hierfür ist »Öko-Kapitalismus« das Schlagwort.

Was gerecht oder, besser gesagt, was ungerecht in der jetzigen Politik im Hinblick auf dem Klimawandel ist, lässt sich am besten in dem Beitrag »Ungleichheit ohne Grenzen« von Ulrich Beck nachvollziehen, der darauf besteht, gerade den aristotelischen Gegensatz nicht aufzuheben. Die klare Trennung zwischen Gesellschaft und Natur erlaube zwischen »sozialer und natürlicher Ungleichheit« zu unterscheiden. Der Klimawandel bewirkt, so Beck, eine Verschmelzung dieser beiden Ungleichheiten. Mit seiner Argumentation gelingt es dem Autor, sich kritisch mit der politischen Organisation der Gesellschaften in nationalen Staaten auseinanderzusetzen. Das, was als Naturkatastrophe bezeichnet wird, »spiegelt vielmehr die soziale Verwundbarkeit bestimmter Länder und Bevölkerungsgruppe durch die Folgen des Klimawandels wieder«. Denn Natur hat an sich nichts Katastrophales. Als Befund dessen, was Klimawandel letztendlich ist, behauptet Beck, dieser sei »hierarchisch und demokratisch zugleich«: »Zum einen verschärft er vorhandene Ungleichheiten von Armen und Reichen, Zentrum und Peripherie, zum anderen hebt er diese zugleich auf«. Mehr noch, glaubt Beck, der Klimawandel eröffnet zugleich die Türen zu einem kosmopolitischen Realismus in der Politik.

Das Buch »Klima Kunst Kultur« ist lesenswert vor allem für jene, die sich kritisch mit dem Klimawandel auseinandersetzen wollen. Der/die LeserIn erhält einen guten Überblick über die unterschiedlichsten Positionen in die Geisteswissenschaften und in der Kunst, die vor allem die These eines anthropogenen, also vom Menschen verursachten Klimawandel verfolgen.

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