Ausstellungsbesprechungen, Meldungen zum Kunstgeschehen

Joseph Maria Olbrich. Architekt und Gestalter der frühen Moderne, Mathildenhöhe Darmstadt, bis 24. Mai 2010

Joseph Maria Olbrich gehört heute nicht zu den vergessenen, wohl aber zu den Architekten der letzten Jahrhundertwende, deren Name heute nur wenigen gegenwärtig ist, deren Werk jedoch weltweit verstreut an vielen Orten zu Baudenkmälern geworden ist. Obwohl er mit Gustav Klimt, Josef Hoffmann und Kolomann Moser einer der Gründer der Wiener Secession und sogar Architekt des Ausstellungsforums war, ist dem heutigen Publikum die Hochschätzung, die sich in den Worten seines Lehrers Otto Wagners ausdrückt: »Ein kaum zu fassendes Genie, ein beispielsloses Talent von übermenschlicher Schaffenskraft« heute nicht mehr präsent. Die Mathildenhöhe in Darmstadt, lange Zeit der Atelierstandort Olbrichs und seine Wirkungsstätte, widmet dem Architekten nun eine Ausstellung. Jan Hillgärtner hat diese für PKG besucht und schildert seinen Eindruck.

Der Ort der Olbrich-Schau ist bereits ein erster Programmpunkt der Ausstellung: Erklimmt man als Besucher die sanft ansteigende Mathildenhöhe, kann man - mit dem nötigen Maß an Ortskenntnis – bereits auf ein erstes architektonischen Zeugnis des 1867 im österreichischen Troppau geborenen Architekten stoßen. Sein für sich und seine Familie konstruiertes Wohnhaus lässt noch in Umrissen Anklänge an den Jugendstil erkennen, dem sich Olbrich in seinem ganzen Werk verpflichtet fühlte. Der Lauf der Geschichte und der rasche Wechsel der Moden sorgten dafür, dass vor allem die Farbgebung und die Verzierungen heute stark von dem ursprünglichen Entwurf Olbrichs abweichen. Angelangt in der Ausstellung selbst bietet sich dem Betrachter eine mit ca. 400 Werken recht umfangreiche, allerdings in chronologischer Order klar strukturierte Präsentation seines Œuvres.

Die ersten Beispiele seiner Arbeiten finden sich in Skizzenbüchern dokumentiert, die er auf einer Reise nach Italien und Nordafrika unmittelbar nach dem Abschluss seiner Ausbildung 1893-94 unternommen hatte. Es zeigt kleinere Natur- und Architekturstudien eines sicherlich begabten, in stilistischer Hinsicht jedoch nicht herausragenden Künstlers. Der Übergang in die nächsten Räume bietet diesem Eindruck jedoch einen gewaltigen Kontrast. Olbrich, der nach seiner Ausbildung bei Otto Wagner eine Anstellung in dessen Büro fand, konnte sich als Berufsanfänger bei der Mitarbeit an den Bauwerken der Wiener Stadtbahnbauten erfolgreich profilieren. Den größten Coup in seiner Wiener Zeit landete er allerdings mit dem Entwurf und dem Bau des Gebäudes für die Wiener Secession - in der Ausstellung anhand von Zeichnungen und eines Modells gezeigt. Dieser Bau lässt bereits einige der Prinzipien der Jugendstilarchitektur erahnen, die Olbrich später noch klarer ausgearbeitet hat. Wenige Verzierungen und Schmuckelemente lassen sich an der Fassade der Ausstellungshalle entdecken, eine exponierte Stellung nimmt lediglich die auf dem Dach befindliche goldene Kugel ein. Sie ist der künstlerische Ausdruck, den Olbrich mit dem Zweckbau verbunden hat, der in einer anderen Hinsicht, durch die Schaffung eines Raumes in der Form des White Cube, sich als richtungsweisend gezeigt hat. Tatsächlich war Olbrich der erste, der in seiner Architektur den Grundstein für diese moderne Form des Ausstellungsbetriebs gelegt hat.

Mit seinem Engagement in Darmstadt scheinen sich für Olbrich zahlreiche neue Möglichkeiten aufgetan zu haben, die Ausstellungsstücke dokumentieren, wie sein Werk in die Breite zu mäandern beginnt. Den Architekten, der zwar bisher einen eigenen Ansatz zeigen konnte, erlebt der Besucher ab diesem Zeitpunkt der Darmstädter Schau als Grenzgänger zwischen Architektur, Design und auch als Künstler. Olbrichs Leistungen für den Jugendstil werden erst in diesen Jahren greifbar. Lobenswert erscheint der Ansatz, das Werk Olbrichs in seiner ganzen Breite zu zeigen. Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Jugendstilzimmer, welches als der Beitrag Deutschlands zur Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 fungierte, entsteht ein Bild des Gesamtkunstwerks Olbrichs, das sich vom Entwurf des Raumes, der Farbgestaltung, über das Möbeldesign bis hin zu kleinsten Details, etwa der Vasen oder des Bestecks. Die Exponate gewähren einen Eindruck des akribisch arbeitenden Architekten, der, um die gestalterische Engführung besorgt, den kompletten Entwurf und die Umsetzung des Zimmers veranlasste.

Was darauf folgt sind Zeugnisse seiner Arbeiten auf den großen Ausstellungen der Welt ab 1902, und der immer noch großen Präsens im Stadtbild Darmstadt. So hat Olbrich etwa das Ausstellungsgebäude selbst entworfen und zwei Wohnhäuser, darunter sein eigenes, in unmittelbarer Nähe zu diesem Prachtbau gestellt. Dies ist einer der Punkte, an dem die Ausstellung Fragen aufwirft und diese zu beantworten vergisst. Wie es kommt, dass Olbrich „Gebrauchsarchitektur“ in unmittelbarer Nähe zu repräsentativen Bauten setzt? Mit welcher Idee oder Vorstellung dies verbunden ist, wird leider nicht erläutert.

Ausgeläutet wird die Ausstellung von Beispielen aus Olbrichs Spätwerk, angesichts eines nur 40 Jahre währenden Lebens scheint sich diese Formulierung jedoch fast zu verbieten. Olbrich wendete sich, nachdem er sich den wichtigen Auftrag des Baus des Düsseldorfer Kaufhauses Tietz gesichert hatte, dem Entwerfen und Gestalten von Arbeiterhäusern und Siedlungen zu. Diese Projekte konnten aber größtenteils nicht realisiert werden und so abrupt, wie das Leben Olbrichs endete, schließt auch die Ausstellung mit den Huldigungen und Kritiken seiner Zeitgenossen. Es bleibt auf lange Sicht die Erkenntnis der erstaunlichen Breite des Jugendstils, ein Erlebnis, das bei der heute nur sehr bruchstückhaften Präsenz des Stils in der Öffentlichkeit sicherlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann.

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