Rezensionen, Buchrezensionen

Jürgen Trimborn: Arno Breker. Der Künstler und die Macht. Die Biographie, Aufbau Verlag 2011

Arno Breker gehörte neben Leni Riefenstahl und Albert Speer zu den drei Vorzeigekünstlern der Nationalsozialisten. Er meißelte Hitlers Traum von der arischen Herrenrasse in Stein. Trimborn enthüllt nicht nur die Lebensgeschichte des Bildhauers und dessen Verstrickungen in das NS-Regime, sondern nimmt auch dessen erstaunliche Nachkriegskarriere in den Blick. Rainer K. Wick hat das Buch kritisch gelesen.

Dass das Interesse am Dritten Reich auch Jahrzehnte nach seinem Untergang anhaltend ist, zeigen nicht nur die fatalen Umtriebe der Neo-Nazis, sondern auch die Geschichtssendungen Guido Knopps und anderer, die unentwegt über die deutschen Bildschirme flimmern. Gemessen an der Gesamtmenge von Publikationen über die NS-Zeit ist die Zahl der Veröffentlichungen, die sich mit der Bildenden Kunst im Dritten Reich befassen, verschwindend klein. Umso mehr zog der Berliner Aufbau Verlag die Aufmerksamkeit auf sich, als er im letzten Jahr eine große Biografie des „Lieblingsbildhauers des Führers“ auf den Markt brachte. Ihr Titel: »Arno Breker. Der Künstler und die Macht«; ihr Autor: der Kunsthistoriker Jürgen Trimborn. Ein Opus Magnum: 712 Seiten, der Anmerkungsapparat allein 115 Seiten, das Personenregister immerhin noch 13 Seiten.

Das macht neugierig, und so nimmt man das Buch mit hochgespannten Erwartungen zur Hand. Es beginnt mit einem Prolog, in dem Trimborn eine gespenstische Szene schildert, nämlich Hitlers unangekündigten dreistündigen Parisbesuch im Morgengrauen des 23. Juni 1940, unmittelbar nachdem Frankreich kapituliert hatte. Begleitet wurde der „Führer“ in seinem gepanzerten Mercedes von dem Architekten, Generalbauinspektor für die zukünftige Reichshauptstadt „Germania“ und späteren Rüstungsminister Albert Speer, von Münchens Generalbaumeister Hermann Giesler und von dem Bildhauer Arno Breker, der in den späteren 1920er und frühen 1930er Jahren in der französischen Hauptstadt gelebt und gearbeitet hatte. Seit 1936 avancierte er zum Favoriten Adolf Hitlers, und die Paris-Reise ließ ihn, nach Trimborn, zum „festen Mitglied von Hitlers Hofstaat“ werden, dem »nun der Weg offen stand, zum ‚Michelangelo des Dritten Reichs’ […] aufzusteigen«. Damit schlägt der Autor das zentrale Thema seines Buches an, nämlich die tiefen Verstrickungen des Bildhauers in das NS-System wie auch die das Dritte Reich überdauernde Verbundenheit Brekers mit faschistischem Gedankengut.

Mit seiner passagenweise spannenden Darstellung gelingt es dem Autor, minutiös zu zeigen, wie Breker (geb. 1900, gest. 1991) im Hitler-Faschismus zum privilegierten und einflussreichen Staatskünstler werden konnte, um dann nach 1945 einen jähen Absturz zu erleben und dennoch seine Arbeit als Bildhauer bis zu seinem Lebensende mit Hilfe alter Seilschaften und dank neuer Protektoren fortführen zu können.

Das Buch ist in zehn Großkapitel gegliedert, beginnend mit »Lehrjahre (1900-1927)« bis zum Schlusskapitel »Zwischen Anerkennung und Ablehnung (1979-1991)«. Trimborn skizziert detailreich Brekers familiären Hintergrund als Sohn eines Steinmetzmeisters aus Elberfeld (heute Wuppertal), seine Lehrjahre im väterlichen Betrieb, sein – zeittypisches – Engagement im Wandervogel, seine ihn tief beeindruckende Erstbegegnung mit einer Auswahl von Werken Auguste Rodins, sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie 1920 bis 1925. Sein „Flirt“ mit der Moderne – in Düsseldorf hatte sich 1919 gerade die progressive Künstlergruppe „Das Junge Rheinland“ konstituiert – war nur von kurzer Dauer. Dem 1919 in Weimar gegründeten Bauhaus und seiner dem Expressionismus und der Abstraktion verpflichteten Ästhetik (Trimborn spricht in völliger Verkennung der dezidiert anti-akademischen Programmatik dieser Reformkunstschule von „Bauhaus-Akademie“) stand er ablehnend gegenüber. So konzentrierte sich Breker ganz auf das Gebiet der gegenständlichen figürlichen Plastik und bemühte sich um eine Synthese so unterschiedlicher Positionen wie der von Rodin einerseits und Maillol andererseits. Schnell stellten sich erste Erfolge ein, und die Tatsache, dass er ab 1924 von dem prominenten jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim vertreten wurde, war seiner Karriere überaus zuträglich. Dass ein Opportunist wie Breker dies im Dritten Reich systematisch verschwiegen hat, ist ebenso wenig verwunderlich wie die Tatsache, dass er in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre als Staatskünstler des NS-Regimes von seinen früheren jüdischen Künstlerfreunden deutlich auf Distanz ging.

1928 siedelte Breker nach Paris über, wo er mit der Avantgarde der damaligen Zeit in Kontakt kam, jedoch unbeirrt an seiner konservativen künstlerischen Auffassung festhielt. 1932 erhielt er von der Preußischen Akademie der Künste ein Stipendium der Villa Massimo, das ihm einen achtmonatigen Aufenthalt in Rom ermöglichte und ihn zur vertieften Auseinandersetzung mit Michelangelo veranlasste. Merkwürdigerweise hat Trimborn den diesbezüglich überaus aufschlussreichen Aufsatz von Ralph-Miklas Dobler »Arno Breker zwischen Paris, Rom und Berlin« (2010) offenbar nicht zur Kenntnis genommen.

Als Breker im Sommer 1933 von Rom nach Deutschland zurückkehrte, hatte hier mit der Machtübernahme durch die Nazis eine „neue Zeit“ begonnen. Gleichwohl verkehrte der Künstler in Berlin vorläufig noch in Kreisen von Künstlern, Intellektuellen und Sammlern (auch jüdischen), die dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden. Seit 1935 scheint sich Breker dann mehr und mehr den neuen Machthabern, von denen er zunehmend Aufträge erhielt, angenähert zu haben. Den entscheidenden Karrieresprung markierten seine anlässlich der Olympischen Spiele 1936 für das Berliner Reichssportfeld geschaffenen Figuren »Die Siegerin« und »Zehnkämpfer«. Letztere fand Hitlers begeisterte Zustimmung. Breker wurde dem Diktator vorgestellt, der ihn zu seinem „Lieblingsbildhauer“ erkor und ihm schon 1937 den Professorentitel verlieh. 1937 war auch das Jahr, in dem der Bildhauer in die NSDAP eintrat. Dass er nach 1945 stets behauptet hat, nie Parteimitglied gewesen zu sein, gehört zu jenen peinlichen Strategien des Verschweigens, Verleugnens und Verdrängens, derer sich später mancher Altnazi mehr oder minder erfolgreich bedient hat.

Trimborn zeigt detailliert, wie Breker zum Parteigänger der Nationalsozialisten, zum Protégé des Regimes, zum umworbenen und gefeierten Staatskünstler des Dritten Reiches wurde und dabei bis in die Berliner High Society und die höchsten NS-Kreise aufsteigen konnte. Sein anfänglich an Rodin und Maillol orientierter Stil mutierte zu einem pathetisch übersteigerten, hohlen Neoklassizismus — perfekter Ausdruck der Rassenideologie der Nazis und ihres heroischen Körperideals. Das alles ist prinzipiell nicht neu und an anderer Stelle bereits gut dokumentiert.

Neu ist dagegen die überaus faktenreiche Darstellung, wie Breker in den Kriegsjahren zunehmend der Faszination der Macht verfiel und sich als „Hofkünstler“ Hitlers dem NS-System nicht nur passiv auslieferte, sondern an maßgeblicher Stelle aktiv an dessen propagandistischer Selbstinszenierung mitwirkte und dabei enorme Privilegien genoss, von abenteuerlich hohen, steuerfreien Künstlerhonoraren bis hin zu „arisierten“ Luxusimmobilien. Auch beschäftigte er in den „Steinbildhauerwerkstätten Arno Breker GmbH“ in Wierzen an der Oder zahlreiche ausländische Zwangsarbeiter, die die Entwürfe des Bildhauers großmaßstäblich umzusetzen hatten und die keineswegs so gut behandelt wurden, wie der Künstler nach dem Krieg glauben machen wollte. Interessant wäre es gewesen, mehr über die konkrete Organisation des Werkstattbetriebs und die technische Durchführung der dem Größenwahnsinn geschuldeten Skulpturenprojekte Brekers zu erfahren, doch bleibt die Darstellung Trimborns in dieser Hinsicht wenig ergiebig.

Fast 270 Seiten widmet der Autor der zweiten Lebenshälfte Brekers, die zeitlich exakt mit dem Ende des Hitler-Faschismus einsetzt. Trimborn zeigt, mit welchem Geschick es Breker nach 1945 gelang, sich als unpolitischer Künstler zu stilisieren mit dem Ergebnis, im Zuge der Entnazifizierung als bloßer „Mitläufer“ eingestuft zu werden. Gleichwohl hat er sich von seiner „braunen Gesinnung“ zeitlebens nicht gelöst, wie der Autor unter Heranziehung zahlreicher Belege nachweist. Obwohl in der Bundesrepublik höchst umstritten und als „Staatskünstler“ untragbar, konnte der Bildhauer als Porträtist der Industrie- und Finanzelite der Nachkriegszeit reüssieren. Besonders zu erwähnen ist der in den 1950er Jahren entstandene Neubau des Kölner Gerling-Konzerns, an dessen Entwurf Breker beteiligt war und dessen neoklassizistische Formensprache zweifellos das Diktum von der „Kleinen Reichskanzlei“ rechtfertigt. Unter den Künstlern und Literaten hielten u.a. Jean Cocteau, Ernst Jünger, Salvador Dalí und Ernst Fuchs dem Bildhauer die Treue, und mit den Aktivitäten der Galerie Marco in Bonn seit den 1970er Jahren und der Gründung des privaten Museums Arno Breker in Nörvenich bei Köln in den 1980er Jahren durch Joe F. Bodenstein begann die Vermarktung Brekers und der Versuch seiner öffentlichen Rehabilitierung. Einen Sturm der Entrüstung löste 1986 das Industriellen- und Sammlerpaar Peter und Irene Ludwig aus, als es sich von Breker porträtieren ließ, und die Breker-Ausstellung in Schwerin im Jahr 2006 geriet zum Aufreger des Kunstjahres.

Jürgen Trimborns Buch ist als Beitrag zur Aufarbeitung der Kunst im Dritten Reich ohne Frage verdienstvoll. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Familie Breker dem Autor die Auswertung des Nachlasses verweigert hat, ist die Fülle des von ihm herangezogenen, bis dato noch unerschlossenen Quellenmaterials beeindruckend. Ermüdend ist zuweilen allerdings die den Enthüllungsjournalismus streifende Tendenz des Autors, Breker in jedem Fall zu „entlarven“ und ihn als karrierebesessenen, unmoralischen Opportunisten hinzustellen. Und ein erhebliches Manko des Buches, dessen magere Bebilderung kaum befriedigt, ist die Tatsache, dass es dem promovierten Kunsthistoriker nicht gelingt, mit Hilfe substanzieller Kriterien das Œuvre Brekers in angemessener Weise kunstwissenschaftlich auszuloten und eine differenzierte ästhetische Wertung vorzunehmen. Breker letztlich nicht als Künstler, sondern eher als talentierten Handwerker zu präsentierten, der sich durch das NS-Regime korrumpieren ließ, dürfte der Komplexität der Sache nur sehr bedingt gerecht werden.

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