Buchrezensionen

Juliane Mohrland: Die Frau zwischen Narr und Tod. Untersuchungen zu einem Motiv der frühneuzeitlichen Bildpublizistik, LIT 2013

Die Verschränkung der Motivgruppen des Narren, dem Tod und attraktiven jungen Frauen erfreute sich in der Bildpublizistik der Frühen Neuzeit einer auffallenden Beliebtheit. Doch was wurde damit verschlüsselt: Ein Memento mori oder ein Kampf der Geschlechter? Ulrike Schuster hat sich die Publikation angeschaut.

Mohrland will in ihrer Untersuchung zum einen die Frage nach den historischen und sozialen Gründen für die motivische Verknüpfung von Frauenfiguren mit Narren- und Todesgestalten ergründen. Zum anderen zeichnet sie die Etappen der konkreten bildnerischen Umsetzung in den druckgrafischen Medien, zwischen 1450 und 1550, nach. Ihr Ziel ist es dabei, wie sie schreibt, »umfassender als bisher die ikonologische sowie ikonographische Analyse durch sozialgeschichtliche Fragestellungen im Hinblick auf eine Motivkompilation zu erweitern«. Ein Versprechen, das sie – gemessen an der Vorgabe – jedoch nicht ganz einlösen kann.

Den Ausgangspunkt für ihren vielversprechenden Ansatz sieht die Verfasserin in der theologisch begründeten Minderwertigkeit der Frau als Trägerin der Sexualität und der damit verbundenen Sündhaftigkeit, die das abendländische Denken seit den Kirchenvätern geprägt hat. Eine latent misogyne Haltung der Gelehrten forderte ihre gesellschaftliche Unterwerfung unter den Mann – auch das Motiv des "Kampfes um die Hosen" war ein beliebter Gegenstand im frühneuzeitlichen Bilderprogramm. Von der Norm der idealen Ehefrau abweichende Lebensentwürfe, wie sie im Bild der Buhlerin oder der Dirne, der Hexe, oder einfach nur in einem weiblichen „Singledasein“ zum Ausdruck kamen, wären dagegen, so die Autorin, seit dem Spätmittelalter zunehmend sanktioniert worden.

Nach einem umfassenden, wenn auch eher im Allgemeinen gehaltenem Überblick zur Stellung der Frau zwischen der Spätantike und der beginnenden Neuzeit, nähert sich Mohrland ab dem zweiten Teil dem eigentlichen Gegenstand des Buches. Die weibliche Typologie wird in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen ausgelotet. Anhand der Liebesgartenthematik führt Mohrland aus, wie sich aus dem höfischen Minneideal im Laufe des 15. Jahrhunderts allmählich eine bürgerliche, moralisierende Sichtweise absetzte, die die Freizügigkeit der höfischen Welt satirisch-kritisch betrachtete und letztlich als zügellos und verwerflich geißelte.

Mit dem Siegeszug der Druckgrafik im 16. und 17. Jahrhundert verschärfte sich der moralische Ton der Bilder zunehmend. Die fliegenden Blätter brandmarkten die Dummheit der Welt im Allgemeinen und die Lasterhaftigkeit der Frauen im Besonderen. Das gesellschaftliche Klima forderte nun soziale Codes des sittsamen Benehmens, deren Einhaltung auch rigider überwacht wurde als zuvor. So wurde das häusliche Ideal von Ehefrau und Mutter zum verbindlichen weiblichen Lebensmodell, während unangepasstes oder gar aufsässiges Verhalten von gesellschaftlichen Sanktionen bedroht war. In der eingängigen, oftmals auch drastischen Bildersprache der Zeit wurde so die Konfrontation des lasterhaften Weibes, mit Narren, genarrten Gauchen oder schließlich dem Tod selbst, zum Sinnbild der Eitelkeit beziehungsweise zur dringlichen Mahnung, den Verlockungen der Sünde zu widerstehen.

Die Autorin kann ihre These plausibel darstellen. Sie fügt sich bruchlos in den Prozess der umfassenden gesellschaftlichen Disziplinierung ab dem 15. Jahrhundert, wie ihn Michel Foucault oder Norbert Elias beschrieben haben. Man kann sich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass hier in erster Linie unterschiedliche Bildtypen, beziehungsweise Motive, erfasst und katalogisiert, aber wenig analysiert werden. In der Ausdeutung verlässt sich Mohrland über weite Strecken auf ihre Begleitliteratur und geht, abseits der Bildpublizistik, nur selten auf zeitgenössische literarische Quellen ein. Ausgespart ist unter anderem auch der große Bereich der Emblemliteratur. Wenn sie schließlich doch auf allegorische Gegenstände zu sprechen kommt, geschieht es zuweilen, dass die Bilder nicht etwa entschlüsselt, sondern ganz im Jargon der 1970-er Jahre „entlarvt“ werden, was den Tatbestand des permanenten Skandalons suggeriert. Ihre Resümees aus sozialhistorischer Sicht dagegen zielen – in der Sache durchaus zutreffend, doch etwas gebetsmühlenartig sich wiederholend – auf die Diffamierung und Disziplinierung des weiblichen Geschlechts durch den Druck der Gesellschaft ab.

Dennoch, das Thema ist interessant und klug gewählt. Mohrlands Buch gibt einen kompakten Überblick über ein weites Feld, das sehr viel über die Ängste, Träume und Sehnsüchte der frühneuzeitlichen Menschen verrät. Es weckt die Neugier, mehr über den Gegenstand zu erfahren, und bietet sich zugleich als Einführung an: ein Stück in der Kartographie der europäischen Geistesgeschichte, das der Beschreitung wert ist.

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