Ausstellungsbesprechungen

Karl Lagerfeld - Parallele Gegensätze. Fotografie - Buchkunst - Mode, Museum Folkwang Essen, bis 11. Mai 2014

Seit über fünf Jahrzehnten arbeitet Karl Lagerfeld ausgesprochen erfolgreich in den Bereichen Mode und Gestaltung. Ihm stehen daher Beinamen wie Modezar, Modekönig oder Kaiser ebenso gut wie das schlichte Kürzel K.L. In diesen beiden Initialen drückt sich nicht zuletzt seine Identität als Künstler aus. Das Museum Folkwang richtet eben jenem nun eine große Werkschau aus. Nina Loose hat sich einmal umgesehen und ist zwiegespalten.

Bei der Ausstellung handelt sich ausdrücklich nicht um eine Retrospektive, sondern vielmehr um eine Momentaufnahme - eben um »work in progress«, wie es sich für den nimmer müden Designer gebührt. Im Alter von achtzig Jahren ist Karl Lagerfeld immer noch höchst vital, diszipliniert und professionell. Seine Werkschau konzipierte und kuratierte er persönlich in Zusammenarbeit mit seinem Verleger Gerhard Steidl und dem Kreativdirektor von Chanel, Eric Pfrunder. Somit oblag dem Museum Folkwang einzig die organisatorische Durchführung. Über 14 Räume und auf einer Fläche von 1400 Quadratmetern erstreckt sich der Parcours, der, obgleich keine Retrospektive, doch alles repräsentiert, was Lagerfeld in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschaffen hat: Fotografien in verschiedenartiger Ausgestaltung, Werbekampagnen, Objekte, Karikaturen, Modegrafiken, Filme und Bücher.

Als Einstieg dient eine meterlange Collage aus Selbstporträts, entstanden zwischen 1998 und 2014. Diese Fotografien zeugen einerseits von Lagerfelds unverhohlenem Hang zur Selbstinszenierung, andererseits umreißen sie ein erstes Mal die Zeitspanne, die die Ausstellung in den Blick nehmen will: Von den glamourösen 1990er Jahren bis heute zeigt sie den Designer und sein Werk. Die Hommagen an seine Lieblingskünstler, etwa an Anselm Feuerbach, Lyonel Feininger oder Edward Hopper, beeindrucken sämtlich durch Motivwahl, Komposition und Lichtregie. Nichts erweckt hier den Anschein eines Schnappschusses, alles ist durchkomponierte Fotokunst. Dasselbe gilt für die von Lagerfeld kreierten Foto-Romane, mit denen sich der Modemacher überdies als großer Literaturliebhaber ausweist. 1995 setzte er zum Beispiel den »Faust« mit Claudia Schiffer als Gretchen und David Copperfield als Mephisto um, 2005 realisierte er das Hochglanz-Fotobuch »A Portrait of Dorian Gray«, frei interpretiert nach Oscar Wilde. So nährt Karl Lagerfeld seine Kunst eifrig aus dem Fundus der Kulturgeschichte — getreu dem Motto: »Erlaubt ist, was gefällt«. Man kann dies gutheißen und es im Sinne einer Huldigung an vergangene Genies begreifen, man kann es aber auch als anmaßend empfinden.

Unerwartet trifft man auf eine Reihe von Architektur-Drucken, die Lagerfeld 2010 als großformatige Siebdrucke produzieren ließ. Durch diese aus der Pop Art bekannten Technik bietet z.B. »New York Facades«, ursprünglich Bestandteil einer Anzeigen-Kampagne, ein besonderes Seherlebnis: Die schwarzen Partien im Bild heben sich vom Untergrund ab und erzeugen eine haptische Oberfläche mit Glimmereffekt. Eine Wand weiter hängt die Schwarz-Weiß-Serie »Designed by Man & Nature«, in der Lagerfeld die Bauweise des Eiffelturms überzeugend mit dem Wuchs eines Baumes in Parallele setzt. Es folgen diverse Fotoproduktionen zu Werbezwecken, maßgeblich im Auftrag von Chanel, aber auch für die Champagnermarke Dom Pérignon oder für teure Autos.

Ein Glanzstück bildet der zentrale Laufsteg: Er ist bestückt mit Modellen der Herbst/Winter-Kollektion 2013/14 aus dem Hause Chanel, dem Karl Lagerfeld seit 1981 als künstlerischer Direktor angehört. Diese jüngsten Entwürfe atmen erkennbar den Geist der Verrückten Zwanziger, jenem innovativen Jahrzehnt, das den Durchbruch des Modehauses bedeutete. Wie ihre Mode sich im Wandel der Zeit entwickelte, ist zudem der mehrteiligen Grafik »Then Now« abzulesen, einem Rückblick auf die schönsten Chanel-Entwürfe seit 1922.

Von der langjährigen Sammelleidenschaft Karl Lagerfelds erzählt gegen Ende der Ausstellung die Plakatkunst-Sektion mit ihren Werken aus dem frühen 20. Jahrhundert. Diese sind, sofern nicht auf ein identisches Exemplar aus dem Deutschen Plakat Museum zurückgegriffen werden konnte, allerdings nur als Reprint zu sehen. Den frühen deutschen Plakatkünstlern, darunter Walter Schnackenberg, der in Essen mit seiner Reklame für das Münchener »Odeon Casino« (1912) vertreten ist, widmete Karl Lagerfeld sogar eine eigene Edition (Steidl Verlag, 2013).

Am Ende ist die Skepsis, die diese Werkschau eingangs hervorrief, nicht verflogen: Harmoniert der Marken zelebrierende Pomp von »Karl Lagerfeld - Parallele Gegensätze« mit einer geschichtsträchtigen, seriösen Institution wie dem Museum Folkwang? Mitnichten wird hier eine ausführliche Kunstgeschichte der Mode geschrieben. Auch der Designer selbst räumte vor der Presse ein: »Ich hätte nie gedacht, dass ich seriös genug wäre für ein Museum wie dieses«. Doch sollte man auch in Betracht ziehen, wie viele Kunsthäuser heute bereitwillig mit einen prominenten Global Player kollaborieren. Die Frucht derartiger Verbindungen ist zumeist, so auch in Essen, eine inszenierte Welt, die den Besucher vielleicht nicht nachhaltig bereichert, ihn dafür aber kurzzeitig begeistert.

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