Ausstellungsbesprechungen

Kiki Kogelnik. Retrospektive, Kunsthalle Krems, Krems an der Donau, bis 6. Oktober 2013

Einfallsreichtum, Ironie und Vorliebe für grelle Farben, gebrochen durch Distanz und Kühle, kennzeichnet das Werk von Kiki Kogelnik (1935-1997). Ihr facettenreiches Schaffen machte sie zu der wohl einzigen österreichischen Künstlerin des 20. Jahrhunderts, die zu einer individuellen und originellen Sicht der Pop Art fand. Die Kunsthalle Krems widmet Kiki Kogelnik eine sehenswerte, umfangreiche Retrospektive und präsentiert ihr Œuvre als einzigartiges Beispiel künstlerischer Autonomie. Petra Augustyn hat sich für Sie umgeschaut.

Die Künstlerin wurde 1935 in Graz geboren und wuchs in Bleiburg (Kärnten) auf. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und hatte ihre erste Einzelausstellung in der Galerie St. Stephan in Wien. Mitte der fünfziger Jahre gehörte sie der Avantgarde um Monsignore Otto Mauer an. Mit ihren heiteren, aber kritischen Straßenbildern sorgte sie ebenso für Aufsehen, wie 1967 mit ihrer Ausstellung »Kunst kommt von künstlich«.

Kogelnik ging während des Theaterstücks »phasen«, wo simultan Lautgedichte über das Thema Zeit rezitiert wurden, immer wieder auf die Bühne, um eine große Uhr zu verstellen. Manche Nummern bestanden aus einem Halbsatz, einer minimalistischen Situation als Kurzauftritt, andere brachten echte Lebenszeit auf die Bühne und nervten das Publikum, weil sie als überlange Pausen verstanden wurden. Das Außerkraftsetzen der klassischen Forderung nach der Einheit der Zeit und die Thematisierung von Zeit als faszinierendes Phänomen begleiteten Kiki Kogelnik ihr gesamtes Leben.

In den sechziger Jahren etablierte sich Kiki Kogelnik in der New Yorker Kunstszene. Man las Herbert Marcuse, Martin Heidegger und Marshall McLuhan, noch lieber als Karl Marx, Jean-Paul Sartre und Siegmund Freud. Kunst hatte, ohne Penetranz, ein inszeniertes, politisch korrektes Abbild der Weltlage zu sein – die Sternstunde des New Frontier Denkens begann. »Ich war ganz begeistert von Robotern und Space-Art. Ich bin nach Amerika gekommen und dachte, dieses Land ist für mich gemacht«, beschrieb Kiki Kogelnik ihre Anfangseuphorie.

Während dieser Zeit gehörten Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg und Claes Oldenburg zum Umfeld von Kiki Kogelnik. Schon im Jahr 1962, lange bevor Millionen von Zuschauern gespannt die Apollo-11-Mission im Fernsehen verfolgten und die Begeisterung für die per Raketenantrieb forcierte Ausdehnung der menschlichen Denk- und Handlungsräume ihren Höhepunkt erreichte, begann Kiki Kogelnik damit, den Zusammenhang von Technikverliebtheit und Eroberungsmentalität kritisch zu kommentieren. Mit »Bombs in Love«, einer Konstruktion aus Bombenzylindern, lässt sie die illusionären Raumstaffelungen ihrer frühen Gemälde hinter sich und betätigt sich in einem traditionell als zutiefst viril stilisierten Gewerbe – dem der Bildhauerei. Die Montage in der Senkrechten, die nicht nur das Phallische der Bombenzylinder, sondern auch deren formale Ähnlichkeit mit einer Rakete unterstreicht, macht unmissverständlich klar, dass die Errungenschaften des Raketenzeitalters nur um den Preis des technologischen Wettrüstens im Kalten Krieg zu haben sind. Allerdings verheißt die paarweise Aufstellung der Sprengkörper, wie Kiki Kogelnik sie vornimmt, nicht nur ein Gleichgewicht des Schreckens, sondern auch heitere erotische Höhenflüge. Kiki Kogelnik hat die Bomben mittels baumelnder Herzen und verführerisch glänzender Klingeln entschärft und durch die Applizierung einer schablonenhaften Darstellung von gespreizten Beinen zur Liebe bereit gemacht. Von Farbe und dem rauen Charme der Bricolage gezeichnet, finden sie nun Aufnahme im Universum einer sich nicht auf das Retinale beschränkenden Kunst, die – ganz im Sinne Marcel Duchamps und seiner Rezeption in der amerikanischen Pop Art – ihre Sprengkraft der Vermählung des Readymade mit der erotischen Dimension der Technik verdankt.

Nach eigener Aussage war Kiki Kogelnik nicht besonders vom egalitären Geist des Pop angetan, der sich über Marken definiert und Andy Warhol zu der Bemerkung verleitete: »Eine Coke ist eine Coke – und kein Geld der Welt kann dir eine bessere Coke kaufen, als die, die der Penner an der Ecke gerade trinkt. Alle Cokes sind gleich und alle Cokes sind gut.« Kiki Kogelnik hingegen gab ohne Umschweife zu, dass sie mit Limonade allein nicht zufrieden zu stellen sei, sondern die Gegenwart für den Beginn einer besseren Zukunft hielt: »I’m not involved with Coca Cola. I am involved in the technical beauty of rockets, people flying in space and people becoming robots.«

Im wilden Raum farbenfroher Beziehungsstrudel, in dem Kategorien wie high and low keine Gültigkeit haben, wirbeln Astronautenhelme, Planeten und Köperteile umher. Anthropomorphe Figuren, denen weder das Zwei- noch das Dreidimensionale fremd ist, schweben und gleiten durch das Universum. Ohne Furcht vor Verlust oder Veränderung berühren, entzweien und verdoppeln sie sich. Sie lassen Atome, Raketen, Sonnen und Planeten in ihre Molekülstruktur eindringen, wechseln scheinbar anstrengungslos Farbe, Form und Aggregatzustand. Das All-over-Painting ist für Kiki Kogelnik weit mehr als ein malerisches Prinzip. Kiki Kogelniks All-over-Paintings stimmen das Hohelied der universellen Liebe an, einer Liebe, die weder exkludiert noch vereinnahmt. Und wo sonst sollte diese sich entfalten, wenn nicht in den Weiten des Universums und im Passagenraum der Kunst? Im Universum gibt es kein oben und kein unten, kein Anfang und kein Ende. Außerhalb des kartesischen Koordinatensystems zu denken, fällt selbst Sternenfahrern schwer.

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