Ausstellungsbesprechungen

Kirchners Katzen

Kaum ein Tier hat heute ein so gutes Image wie die Hauskatze, die sich dem menschlichen Bild des kuscheligen Küchentigers so angeähnelt hat, dass man den echten Tiger oder den Löwen kaum mehr als Katzentier annehmen mag. Allen düsteren und gespenstischen Klisches zum Trotz – Katze von rechts, dreimal schwarzer Kater usw. – hat sich der schnurrende Vierbeiner leise, aber stetig in unsere Herzgegend gemaunzt, wo er ein geruhsames Plätzchen gefunden hat.

Die Kunst ist spätestens seit dem 19. Jahrhundert übersät mit Katzen – was im vergangenen Jahr eine große und das Thema immer noch nicht voll ausschöpfende Ausstellung in Karlsruhe gezeigt hat. Das Museum Biberach hat sich unlängst einer Katzenschau angenommen, die in Davos ihren Anfang nahm und noch bis Anfang Februar eine Auswahl von 65 Katzendarstellungen des Expressionistenmalers Ernst Ludwig Kirchner zeigt, der allein seinen Boby zwischen 1919 und 1923 an die 100 Mal auf Papier und Leinwand gebracht hat (mit dessen Nachfolgern Schacky und Flecky wird man sicher auf noch mal so viele Arbeiten kommen), darunter auch überlebensgroße Formate. Und das in allen denkbaren Techniken: Aquarell, Holzschnitt, Litho, Ölbild, Plastik, Radierung, Stoffarbeit, Zeichnung.

 

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Überschaut man das Werk Kirchners, fallen die Katzen bezeichnenderweise gar nicht so auf. Man denke an die Tierdarstellungen von Franz Marc – worunter auch Katzen sind. Bei ihm haben sie allesamt eine Präsenz, die dem Betrachter sofort signalisiert, es steckte ein Symbol dahinter, und in der Tat: Der Kennerblick sondiert bei Marc sogleich die männliche und die weibliche Linie, malt sich die heile Tierwelt in schönsten Farben aus gegenüber der zivilisatorisch verfratzten Menschenwelt. Ganz anders scheint das bei Ernst Ludwig Kirchner zu sein: Seine Katzen sind einfach nur da. Freilich, bei all seinen Bobys und Konsorten ist kein Fehl und Tadel festzustellen – sie zeigen keine Krallen, jagen noch nicht einmal Mäusen hinterher. Aber andrerseits wollen sie auch nicht nur Kreatur sein, sondern eben Kirchners Katzen – besser hätte der lakonische Titel der Ausstellung nicht heißen können.

 

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Die Katzen waren Kirchners privates Vergnügen und doch auch nie sein Privatvergnügen in dem Sinne, wie manche Kitschartisten bis in unsre Gegenwart ihre Ach-ist-die-süß-Katze im Billigrahmen anbieten. Kirchner war – entgegen dem Eindruck, den seine Großstadtbilder vermitteln – der Schönheit zugänglich: Atemberaubende Landschaften sind in Davos entstanden, und man hat den Eindruck, als habe er dieser allmächtigen Natur noch ein Detail entlocken mögen, das das Große und Großartige angemessen widerspiegelt. Dazu würde auch passen, dass er sein Katzenmotiv kompositionell meist in das Gesamtbild einbindet (bei Marc scheint sich die Umgebung den Tieren anzupassen). Entsprechend findet sich eine sphinxartige Katze inmitten majestätischer Flora oder auch eine sich buckelnde Artgenossin in bergiger Landschaft oder eine fast kubistisch zergliederte Verwandte auf einem ornamentierten Stilllebenteppich.



Öffnungszeiten

Di–Fr 10–13, 14–17

Do 10–13, 14–20

Sa/So 11–18 Uhr


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