Ausstellungsbesprechungen

Kreuzzüge, Kein Krieg ist heilig

„Kreuzzüge gibt es noch immer“! Gleich zu Beginn der Ausstellung wird der Besucher mit den beiden Tafeln des Malers Hans Nauheimer konfrontiert, die tote und verstümmelte Soldaten stellvertretend für alle Gefallenen auf den Schlachtfeldern dieser Erde zeigen. Damit wird zugleich auf die Aktualität dieses Begriffs hingewiesen, der besonders in der Auseinandersetzung zwischen dem fundamentalistischen Islam und dem Westen zu einem wenig reflektierten Schlagwort verkommen ist.

Ziel dieser Ausstellung ist es, den historischen Kontext der Kreuzzüge aufzuzeigen, Verständnis für den jeweils Anders-gläubigen zu entwickeln und seiner Kultur mit Respekt zu begegnen. „Das Wissen voneinander und auch das Wissen-Wollen übereinander kann der Schlüssel zu einem friedvollen verständigen Miteinander der Kulturen sein“, so der Direktor Dr. Hans-Jürgen Kotzur. Kardinal Karl Lehmann, neben Kurt Beck, dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Schirmherr der Ausstellung, nennt die Beschäftigung mit dem Thema „Kreuzzug“ ein Lehrstück der Einübung in eine neue Toleranz und glaubt, dass daraus der Anfang zu einer neuen Begegnung zwischen dem Islam und Europa werden könne.

 

Die Idee zu diesem Projekt entstand bereits in den 90-er Jahren und war als gemeinsame Veranstaltung des Dommuseums Mainz und des Reiss-Engelhorn-Museums Mannheim geplant. Als Mannheim davon Abstand nahm, machten die Mainzer alleine weiter.

 

 

Die Darstellung der Kreuzzüge beschränkt sich auf die Eroberung des Heiligen Landes und umfasst die 196 Jahre, die zwischen dem Aufruf zum ersten Kreuzzug durch Papst Urban II. in Clermont 1095 und dem Fall von Akkon 1291 liegen.


Die deutschen Kreuzfahrer Graf Otto von Botenlauben und seine Ehefrau Beatrix von Courtenay begleiten den Besucher als Leitfiguren durch ihre Epoche und die Ausstellung. Entlang der Exponate führt der Weg, verlaufen kann man sich nicht, denn die lange Raumflucht des Museums ist durch Stellwände in kleine übersichtliche Abschnitte unterteilt worden. Originale Handschriften und Urkunden, Waffen, Ausrüstung von Pferden und Kriegern, Schachfiguren aus Bergkristall, Kopien von Kapitellen und Grabplatten, Modelle von Burgen und Kirchen und Nachbildungen von Kreuzrittern und Sarazenen geben einen lebendigen Einblick in die Zeit der Kreuzzüge und werden immer wieder durch prägnant formulierte Tafeltexte ergänzt, deren unterschiedlich gestaltete Farbigkeit sogleich den Absender erkennen lassen.
Rot sind die Beiträge der Christen, grün die der Muslime und schwarz die Kommentare aus heutiger Sicht. Die Judenpogrome, die Entstehung der Ritterorden und Frauen auf dem Kreuzzug werden thematisiert. Besonders wirkungsvoll ist die glänzende Präsentation der Reliquien aus dem Heiligen Land in ihren diversen Behältnissen.

 


Anhand von Modellen findet die Vermittlung der damaligen Wissenschaft und Technik, Medizin und die Rezeption islamischer Architektur in der Kirchenbaukunst des 12. Jahrhunderts statt. Da der Kreuzgang sehr schmal ist, verfügen die Objekte nicht über den Raum, den sie für ihre Wirkung eigentlich benötigen. So wurden beispielsweise ein arabischer Himmelsglobus und das Modell des Châteaus de Saone direkt vor die Wand gestellt, was eine Betrachtung von allen Seiten ausschließt. Ein wenig befremdlich, wenn auch unvermeidbar, ist die Platzierung der Stellwände über den Grabplatten im Boden.


Am Ende fragt sich Wolfgang von Eschenbach, ob es nicht Sünde sei, „dass man die, die nie Kunde von der Taufe empfingen, erschlug wie Vieh“, und der muslimische Dichter Ibn Arabi folgt der Religion der Liebe: „Welchen Weg auch immer die Kamele der Liebe nehmen, der ist mein Bekenntnis, der ist mein Glaube.“

 

 

Die Ausstellung beeindruckt durch die Anzahl und Qualität der Exponate, auch wenn der Laie vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennt, dass es sich bei der Bau- und Grabplastik meist nur um Kopien und Abgüsse handelt. Der Wunsch, möglichst viel zu zeigen, ist verständlich, und doch fühlt man sich vor allem bei großem Publikumsverkehr ein wenig bedrängt. Beinahe fürchtet man um den Pilger, der auf einem zu niedrigen Sockel in der Ecke kniet. Irgendwem steht man immer im Weg, dies liegt zum Teil an der Aufstellung der Werke, wie z. B. der Kopie des Kreuzfahrerpaares aus Lothringen. Da die Wegführung in den dritten Raum direkt auf das Paar zuführt, blockiert man bei näherem Hinsehen automatisch die anderen Besucher. Die schmalste Stelle befindet sich zwischen dem Belagerungsturm und der Steinschleudermaschine. Rollstuhlfahrer müssen leider draußen bleiben.

Gute Augen sind übrigens auch von Vorteil, denn die Beschriftungen sind oft sehr niedrig angebracht und aufgrund der schlechten Beleuchtung und Typographie schwer lesbar. Eine englische Übersetzung der Texte fehlt, allerdings können fremdsprachige Führungen gebucht werden. Die Ausstellungsmacher haben völlig auf audio-visuelle Techniken verzichtet, die Objekte sollen für sich selbst sprechen. Ein bisschen Mittelalter zum Anfassen hätte man sich aber doch gewünscht. Was wiegt wohl schwerer, das Schwert oder die Krone? Das interessiert nicht nur Kinder.

 

 

Zehn Vorträge des Interdisziplinären Arbeitskreises Mediävistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz rekonstruierten im Sommersemester 2004 begleitend zur Ausstellung die Ereignisse, Hintergründe und Zusammenhänge der Kreuzzüge, wobei der Schwerpunkt auf der Eroberung von Konstantinopel durch das Kreuzfahrerheer im Jahr 1204 lag.

 

 

Der Katalog zur Ausstellung kann mit 560 Seiten, 388 Farb- und 46 Schwarzweißabbildungen als gewichtiger Beitrag zur Kreuzzugsthematik gelten. Den üblichen Grußworten und Danksagungen folgen neben einer chronologischen Auflistung der Geschichte der Kreuzzüge 21 Essays internationaler Fachwissenschaftler. Das Debüt geben das Grafenpaar Beatrix und Otto von Botenlauben, da die gute Quellenlage eine genaue Untersuchung der Rolle ihrer Vor- und Nachfahren in der Geschichte der deutschen Kreuzzugsbewegung erlaubt. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts verliert sich die Spur dieses Adelsgeschlechts im Dunkel der Geschichte.

Acht Essays sind unter der Überschrift „Krieg im Namen Gottes“ zusammengefasst:

 

Der Aufruf von Clermont und seine Folgen

Kreuzzüge und Judenpogrome

Eroberung und Verlust des Heiligen Landes aus muslimischer Sicht

Kriegstechnologie und Waffenherstellung

Burgen der Kreuzfahrer im Heiligen Land

Die Ritterorden im Heiligen Land: Die Hospitäler und Ordensgemeinschaften

Christen gegen Christen. Die Eroberung Konstantinopels 1203/04

Der Verteidiger des Heiligen Grabes: Gottfried von Bouillon

 

 

Sechs Essays beleuchten die Macht der Reliquien:

 

Jerusalemsehnsucht und andere Motivationen mittelalterlicher Kreuzfahrer

Kreuzzüge als logistische, transporttechnische und kommunikative Herausforderung

Die italienischen Seestädte und die Kreuzzüge

Frauen auf dem Kreuzzug

Reliquien der Kreuzfahrerzeit: Verehrung, Raub und Handel

Die Kreuzfahrerin Sibylle von Anjou, Gräfin von Flandern

 

Weiterhin werden sechs Aufsätze dem kulturellen Austausch zwischen Abend- und Morgenland untergeordnet:

 

Die Kreuzzüge. Feindbild – Erfahrung – Reflexion

Das Bild des Propheten Mohammed in abendländischen Schriften des Mittelalters

Denkmäler des Triumphs

Östliche Mechanik auf dem Weg nach Europa zur Zeit der Kreuzzüge

Krieger, Kranke und weise Ärzte. Medizin im Zeitalter der Kreuzzüge

Der Diplomat Kaiser Friedrich II.

 

 

Der reich bebilderte Katalogteil beschreibt detailliert alle ausgestellten Exponate.

Eine ausführliche Bibliographie, der Abbildungsnachweis und 16 Karten ergänzen das Werk.

 

Die Beiträge untersuchen die Kreuzzüge aus den verschiedensten Blickwinkeln und bieten die neuesten Forschungsergebnisse. Sie sind auch für Laien gut lesbar und bilden eine wertvolle Grundlage für alle am Thema Interessierten.

Zusätzlich sind neben dem Katalog die Tafeltexte zur Ausstellung erschienen. Dabei orientieren sich die Texte an der farblichen Gestaltung der Tafeln in der Ausstellung.

 

 

Der Internetauftritt des Museums ist eher dürftig. Das Dom- und Diözesanmuseum Mainz verfügt über keine eigene Domain, sondern ist nur über das Bistum Mainz zu finden. Gerade mal eine Seite ist der Ausstellung gewidmet. Hier wäre der Ort für eine kurze Einführung, die Neugierde weckt. Konzept und Zielsetzung, einige ausgewählte Stücke und eine Pressedokumentation sind unverzichtbarer Bestandteil einer gelungenen Präsentation. Das Internet als kommunikatives Medium wird von vielen Dommuseen immer noch unterschätzt.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten:           Ursprünglich vom 2. April bis 30. Juli 2004,

                                    verlängert bis zum 26. September 2004

                                    Dienstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr

                                    Sonderregelungen an kirchlichen Feiertagen

 

Eintritt:                         € 7,-, ermäßigt € 5,-, Familienkarte € 14,-

                                   

                                    Gruppenführung € 60,- pro Gruppe plus Eintritt pro Person

                                    (nur nach Anmeldung)

                                    Sonderführungen nach vorheriger Absprache möglich.

                                    Ermäßigte Führungen für Schulklassen in der Zeit von

                                    7.30 bis 10.00 Uhr

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Doch trotz dieser Kritikpunkte – und die gibt es bekanntlich in jeder Ausstellung – muss man den Veranstaltern gratulieren zu dem Erfolg dieses Projekts, das mit so wenig Mitarbeitern und hohem finanziellen Aufwand realisiert wurde. Ohne die Sponsoren wäre das Vorhaben sicher gescheitert. Die Vergesellschaftung so vieler qualitätvoller Stücke wird man in Deutschland in nächster Zeit wohl nicht mehr erleben. Auf die Fragen, ob die Kreuzzüge religiös oder politisch motiviert waren oder materielle Interessen im Vordergrund standen, wer an ihnen teilnahm und warum, ob die Begegnung der beiden Kulturen nur destruktiv oder auch in manchen Bereichen fruchtbar war – darauf gibt die Ausstellung Antworten. Die bisher mehr als 50.000 Besucher machen ebenfalls den Erfolg der Ausstellung deutlich.

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Eine angenehme Zäsur bildet der Andachtsraum zwischen Museum und Kreuzgang. Hier erhält der Besucher Gelegenheit, bei gedämpftem Licht Kraft für die kulturelle Begegnung zwischen Orient und Okzident zu sammeln. Das Sühnefenster von Johannes Schreiter und der lebensgroße, gen Osten blickende Ritter des Deutschen Ordens auf seinem Pferd geben dem Raum eine ganz eigene Atmosphäre.

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