Ausstellungsbesprechungen

Kubus oder Kuppel - Moscheen. Perspektiven einer Bauaufgabe, ifa-Galerie Stuttgart, bis 1. April 2012

Für die Architektur von Moscheen gibt es zwar Traditionen und Bezüge, jedoch nur wenige ästhetische Gestaltungsvorschriften. Die Bauaufgabe kann immer wieder neu erdacht, erfunden, erbaut und von Künstlern in ihren Installationen, Objekten und Fotografien hinterfragt werden. Die Ausstellung zeigt Gestaltungsvariationen und Entwürfe von Moscheen. Günter Baumann hat sich bereits damit auseinandergesetzt.

Über Moscheen-Architektur schweigt sich die Presse oftmals aus, wohl aber berichtet sie über den Unmut, den ihr Bau hier und da verursacht. Besonders lautstark wurde der sogenannte Moscheenstreit in Köln geführt. Da war es gut, dass Alt-Bundespräsident Christian Wulff – sozusagen als einzig bleibendes Verdienst seiner Amtszeit – daran erinnerte, dass auch der Islam zu Deutschland gehöre. Dass dies längst ein Faktum ist, sieht man an den hier geborenen Generationen nach den einst als Gastarbeiter ins Land gekommenen Muslime, und zuweilen halb im Verborgenen auch am Bau von Moscheen. Die finden nämlich keineswegs in opulenten Gotteshäusern ihren Raum: Es bedarf allein »einer Wand, die exakt nach Mekka ausgerichtet ist« – dieser Meinung ist zumindest Omar Khattab, ein kuwaitischer Architekturprofessor. Was drum herum passiert, ist der Phantasie des Baumeisters überlassen, und sei es in der einfachsten Hütte. Es soll hierzulande weit über 100 Bauprojekte geben.

Das Institut für Auslandsbeziehungen hat in seiner aktuellen Ausstellung etliche moderne Moscheen ausgesucht, die deren bauliche Vielfalt nicht nur in Deutschland dokumentiert. Alles ist möglich, und der Titel der Schau wird da zur rhetorischen Frage: Kubus oder Kuppel?, die man noch erweitern könnte durch das Wortpaar Minarett oder Gebetsmauer? Der Koran lässt sich darüber nicht aus, und auch anderswo gibt es darüber keine Auflagen – wohl aber über die Ausrichtung gen Mekka. Somit ist der Islam die einzige große Religion, die keine Architektur vorschreibt, im Gegensatz zum Judentum, das eines Gehäuses für den Thoraschrein bedarf, oder zum Christentum, das einen Kirchenraum erfordert (und bestünde er auch nur aus einer Katakombe).

Moscheen in Deutschland zeigen erstaunliche Formen: In Hamburg etwa hat Boran Burchhardt ein Minarett, wie man es sich gemeinhin vorstellt, mit einem fußballgemusterten Design versehen, während das Büro Alen Jasarevic in Penzberg eine kirchenähnliche Architektur mit schlankem Turm aus arabischen Schriftzeichen entworfen hat, der einem graphisch-skriptoralen Baudetail eher gleicht als einem Minarett. Die Ausstellung wirft auch ein Schlaglicht auf verwandte Elemente unterschiedlicher Bauaufgaben: So übernahm Paul Bonatz für seinen Stuttgarter Hauptbahnhof Formen des islamischen Bauens. Doch diese spannenden Entwürfe werden an Innovation und experimentellem Geist weit übertroffen in Ländern wie den Niederlanden, die traditionsgemäß (und unabhängig von antiislamischen bzw. rassistischen Entgleisungen) ungezwungen mit der islamischen Kultur umgehen. So wandelten Tarik Sadouma und Bastian Franken eine Supermarktfiliale in einen Gebetsraum um und spielten mit dem Schriftsignet der Ladenkette (Albert Heijn) so lange, bis Allahs Name in abstrahierter arabischer Schrift daraus wurde. So viel Witz wird es sonst kaum geben.

Die ifa-Ausstellung verweist in Schautafeln und einigen wenigen dekorativen, u.a. modischen Artefakten auf zeitgenössische Moscheen in Europa sowie in der arabischen und asiatischen Welt – wobei zum einen die Modernität der Bauten direkt in der islamischen Welt auffällt, zum anderen durchaus auch Stararchitekten sich für den Moscheenbau interessieren: Wilfried Dechau, Paul Böhm Architekten, Frei/Saarinen, Jean Nouvel, das Büro Marlies Rohmer u.a. sind Garanten für eine zeitgenössische Umsetzung des islamischen Bauwillens.

Die spektakulärsten Bauten, die in der Stuttgarter – und im Anschluss in der Berliner – Dokumentationsausstellung und im lesens- und sehenswerten Katalog gezeigt werden, sind die Moschee mit Islamischem Zentrum in Aarhus (Büro Möller), das Islamische Zentrum Tirana (BIG / Glessner Group) sowie das schon klassisch gewordene, zauberhafte Institut du monde arabe in Paris (Jean Nouvel). Mehr als kühn und kaum noch in seiner Funktion erkennbar sind der Wettbewerbsbeitrag von StudioZ für eine Moschee in Kayseri und der Entwurf von Myaa/Mangera/Yvars für das North London Cultural Centre (Mangera Yvars), das zu den Olympischen Spielen 2012 fertiggestellt werden sollte, was aber nach einer Medienkampagne gestoppt wurde. Die Schau ist untergliedert in die Themenbereiche »Neue Wege«, »Zeitgenossenschaft«, »(Un-)Sichtbarkeit« und »Begegnungen«.

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