KunstGeschichten

KunstGeschichte: Kunstdiebstahl und Spitzenhöschen

Heiß her geht es in der neuen KunstGeschichte von Erich Wurth: Als ihm sein frisch verheirateter Arbeitskollege den Lohn für seine Mühen wegschnappt, weiß sich Markus Jakoby zu revanchieren.

Markus Jacoby hatte einen ziemlichen „Pick“ auf seinen Kollegen Felix, bemühte sich aber, das nicht offen zu zeigen, was ihm nicht allzu schwer fiel, weil sein Bart den missmutigen Ausdruck seines Mundes zu einem guten Teil verdeckte. Manchmal ganz praktisch, so eine Gesichtsmatratze.
Felix Prohaska, glatt rasiert, mit Sakko und Krawatte, saß ihm gegenüber, pfiff trotz des strömenden Regens vor dem offenen Fenster fröhlich und falsch vor sich hin und klopfte seinen Bericht in den Computer. Markus hätte ihn am liebsten gewürgt.

Er hatte im Hintergrund Word laufen, so dass er jederzeit vom Internet auf Arbeit umschalten konnte, sollte der Chef reinkommen, surfte aber grade auf der Homepage des Ebreichsdorfer Racinos herum. Er wollte wissen, welche Vierjährigen am nächsten Samstag für das Traberderby genannt waren.
Obwohl es draußen regnete, war es sehr warm in dem kleinen Büro der Detektei Eder, das in einer Altbau – Zweizimmerwohnung im siebenten Bezirk untergebracht war. Die Hitze der letzten Tage war noch in den Wänden gespeichert und Markus öffnete einen weiteren Knopf seines weißen Hemdes, das er immer mit offenem Kragen trug. Zwischendurch blinzelte er zu dem Pfeifensack Felix hinüber, der drein sah wie die Zufriedenheit in Person. Klar, der Kerl hatte gut lachen!

Felix Prohaska war beim Chef eindeutig besser angeschrieben als Markus. Dabei war Markus überzeugt davon, ein ebenso guter Detektiv zu sein wie Felix.
Schön, Felix hatte die entscheidenden Fotos geliefert, die diesen Industriellen, den Mittermeier, in eindeutiger Umarmung mit seiner Sekretärin zeigten, was seiner Frau immerhin zu Unterhaltszahlungen verhelfen würde, die ihr ein sorgloses Leben im Kreise des „Jet Set“ ermöglichen sollten. Diese Fotos hatten auch der Detektei Eder die von Frau Mittermeier versprochene Erfolgsprämie eingebracht, die die Firma schon dringend brauchte. Privatdetektive finden in Wien ja nicht grade einen üppigen Markt, da führt so ein lukrativer Auftrag schon zu einem gewissen Wohlwollen des Chefs jenem Mitarbeiter gegenüber, der für das Klingeln in der Kasse sorgt.

Aber das war einfach Glück gewesen! Felix, dieser Schweinepriester, hatte halt zufällig grad im richtigen Moment den Auslöser betätigt. Das hätte er selbst, Markus, genau so gut zustande gebracht, wenn er das Glück gehabt hätte, im richtigen Moment anwesend zu sein.

Na gut, zugegeben, er war grad unabkömmlich und er hatte deshalb die Beschattung von Mittermeier an Felix übergeben, obwohl eigentlich er an der Reihe war. Aber wer konnte schließlich wissen, dass Mittermeier mit seiner Sekretärin knutschen würde, grad zu dem Zeitpunkt, zu dem Ariadne, die neunjährige Stute, im vierten Rennen lief? Da musste man in der Krieau[1] dabei sein! War ein fast todsicherer Tipp gewesen!

Ja, beim Arsch, Herr Karl!
Während Ariadne als Fünfte müde durchs Ziel gekrochen war, legte Mittermeier mit seiner Vorzimmerdame die sowohl dramaturgisch als auch rein technisch perfekte Einleitung zu einem Pornofilm hin! Und der Felix hat’s fotografiert!
Am liebsten hätte Markus dem Felix Prohaska coram publico ein paar hinter die Löffel gegeben, als Herr Eder sich bei ihm in aller Form bedankte und ihm seine Anerkennung aussprach. Aber das ging leider nicht.
Na, es würde sich schon noch eine Gelegenheit ergeben, diesem Meisterdetektiv eins auszuwischen!

„Auftrag, meine Herren!“
Blitzschnell rief Markus das Word Dokument auf. Herr Eder war aus seinem kleinen Chefzimmer in das größere Büro, das sich Markus und Felix teilten, gekommen und sah trotz des Regenwetters ungewöhnlich fröhlich drein. Die ganze Detektei Eder bestand nur aus den drei Personen Markus, Felix und dem Chef Gustav Eder, der seine Ausbildung bei der Kriminalpolizei erhalten, sich aber dann selbständig gemacht hatte. Nicht einmal eine Sekretärin gab es, denn die Büroarbeiten inklusive Buchhaltung erledigte der Chef selber und der Verwaltungskram war auf ein absolutes Minimum reduziert. Ein kleines PC Netzwerk mit Faxmodem und ein paar halbleere Büroschränke – mehr war für den Betrieb der Firma nicht nötig. Die Einsatzberichte, die oft bei Gericht gebraucht wurden, klopften die beiden Außendienstleute Felix und Markus selber in den Computer, also wäre die Haupttätigkeit einer eventuell zusätzlichen, weiblichen Bürokraft auf das Lackieren der Fingernägel beschränkt gewesen. Aber auf optischen Aufputz seines Büros legte Herr Eder keinen Wert – und konnte es sich auch gar nicht leisten.

Markus bedauerte zwar die Abwesenheit eines weiblichen Wesens, denn neben seiner Vorliebe für Pferde und Sportwetten war flirten eindeutig die Lieblingsbeschäftigung des überzeugten Junggesellen. Aber er tröstete sich damit, dass er bei seinen Recherchen im Außendienst genug Gelegenheiten dafür vorfand – falls er tatsächlich recherchierte und nicht in einem der vielen Wettcafés die Übertragung eines britischen, französischen oder italienischen Fußballspiels oder Pferderennens am Fernsehschirm verfolgte.

„Kunstdiebstahl“, sagte Herr Eder. „Wir suchen zwei Gemälde von Ernst Fuchs. Ein Ölbild und eins in Mischtechnik Tempera – Gouache. Zwei für Fuchs ganz typische Motive: Eine Stute mit Fohlen in einer Waldlandschaft und ein Cherubkopf. Außerdem haben wir Konkurrenz bei der Suche. Wegen der Prominenz des Malers hat man den Fall dem Sicherheitsbüro übergeben. Wir müssen schnell sein, wenn irgendwie möglich schneller als die Kieberei[2], was aber nicht schwer sein dürfte.“

„Logisch“, sagte Felix. „Des san Beamte dort – genau so motiviert wie unser Jacoby. Aber warum müss’ma so schnell sein?“
„Halt den Schlapfen, Prohaska!“, verlangte Markus.
„Der Bestohlene, ein Herr Falkner, ist offenbar unterversichert“, erklärte Eder. „Fuchs-Gemälde sind im Wert ziemlich gestiegen. Wenn jetzt die Versicherung zahlt, gehören die Gemälde ihr, sobald sie g’funden sind. Unser Klient will, dass die Bilder vorher g’funden werden, bevor die Versicherung was auslasst, sonst zahlt er drauf. Und zwar net wenig. Deshalb is ihm des a Sonderprämie wert.“

„Ka Problem“, kommentierte Markus. „Such ma halt schnell die Stadt ab. Und was mach’ma dann am Nachmittag?“
„San S’ net so sarkastisch, Herr Jacoby. Sie kriegen von mir a Listen mit a paar Herrschaften, die leicht was mit der G’schicht zu tun haben könnten. Den Bruch haben Profis g’macht. Den Wandtresor aufg’schnitten, den Schmuck ausg’räumt, die zwa Fuchs mitg’nommen und das andere, wertlose Graffelwerk hängen lassen. Die müssen an Hehler g’habt hab’n. Und da is die Wahrscheinlichkeit groß, dass des aner is, der Erfahrung hat auf’m Kunstsektor.“
„Des wissen die Amtskappeln vom Sicherheitsbüro aa“, konstatierte Markus.
„Sehr richtig. Drum müss’ma uns tummeln!“
„Scho wieder a Prämie!“, wunderte sich Felix.
„San S’ froh! Sie wollen ja nächsten Monat aa a Gehalt, oder?“
„Ja. Besser wenig als gar nix.“
„Na, dann schaun S’ dazu! Da is die Listen.“ Eder reichte Felix insgesamt fünf Blätter im Format A4.

„Wo war denn der Bruch und wer is dieser Falkner?“, erkundigte sich Felix.
„Eindippelt[3] ham s’ in a Villa in Schwechat und der Falkner is von Beruf Sohn. Sein Vater betreibt zwa Golfplätz’ im Burgenland und der Herr Sohnemann bezeichnet sich als Golfprofi. G’winnt aber nix.“
„Und hat trotzdem zwa Fuchs?“

Eder zuckte die Schultern. „Wenn ma schon nix kann, muss ma wenigstens was haben. Geschenk vom Papa. Adress’ und Telefonnummer vom Falkner steht ganz unten auf der Listen drauf, wenn s’ von dem no a Auskunft brauchen. Viel Erfolg, meine Herren!“ Damit verfügte sich der Chef in seinen separaten Raum zurück.

Felix warf einen flüchtigen Blick auf die Liste und reichte sie Markus weiter. „Fast nur Türken und Tschuschen“, stellte er fest. „Kannst di scho auf die Socken machen.“
„Bist gegen die Tür g’rennt?“ Markus ließ die Blätter auf Felix’ Schreibtisch zurückflattern. „Des teil ma uns auf! Dein depperten Bericht schreib daham im Bett, damit dir net fad wird“, sagte Markus mit einem süffisanten Grinsen, das sogar trotz Bart als solches erkennbar war. Er spielte damit auf die Tatsache an, dass Felix erst seit einem knappen Jahr, übrigens sehr glücklich, verheiratet war. Oft schon hatte dieser seinem Kollegen gegenüber auf die Vorteile hingewiesen, die es hätte, einen „klassen Hasen“ zu Hause jederzeit zur Verfügung zu haben.

„Neidiger Nebbochant[4]!“, meinte Felix, der die Anspielung verstanden hatte, gelassen. „Schau di halt um nach an Dauerhasen! Musst nur vor die Fangeisen[5] aufpassen.“
„Hab i net notwendig! Kann an jeder Hand fünf Hasen haben!“
„Ja“, gab Felix zu. „Aber nur, wenn’s auf Pelzgoschen abfahrn!“
Markus strich sich über seinen modischen Bart und konterte: „Jetzt bist du a neidiger Nebbochant! Probier’s mit Kunstdünger, vielleicht wachst dann was.“
Dann sah er auf die Uhr, steckte sein Mobiltelefon in die Brusttasche seines Hemdes und stand auf. „Es is scho elf vorbei. I reit’ aus.“
„Vergiss die Listen net!“, mahnte Felix.
„Brauch i net! I hör mi bei meine Informanten um.“
„Und i soll mi durch die Listen beißen, du Nasenbohrer[6]?“, begehrte Felix auf.
„Bist ja so a Kapazunder[7], hat der Chef g’sagt“, meinte Markus bitter. „Der Chef hat si ja in aller Form bedankt bei dir! Da machst ja so was mit links.“ Er warf die Autoschlüssel demonstrativ in die Luft, fing sie mit derselben Hand wieder auf und verließ ohne Gruß das Büro.
Felix murmelte ein unfreundliches „aber hupf in Gatsch[8]“ und tippte weiter in die Computertastatur.

Markus Jacoby stieg langsam die beiden Stockwerke hinunter und ging zu seinem Wagen, der im Innenhof des Gebäudes geparkt war. Das war einer der wenigen Vorteile seines Jobs bei Eder, der Parkmöglichkeit im Innenhof. In diesem Teil Wiens war ein Abstellplatz auf öffentlichen Verkehrsflächen nämlich unmöglich zu kriegen.

Zehn Minuten später stellte er den VW auf dem Kurzparkplatz vor dem nahen Westbahnhof ab und füllte einen Parkschein für neunzig Minuten aus. Dann beeilte er sich, über die Felberstraße zum Wettcafé dem Bahnhof gegenüber zu kommen, weil es wieder stärker zu regnen begonnen hatte.

Enikö hatte Dienst und Markus’ Laune stieg gleich um mehrere Stufen. Er bestellte einen großen Braunen, nachdem er sich in dem beinah leeren Lokal einen Platz mit guter Aussicht gesucht hatte.
Die gute Aussicht bezog sich nicht auf die Bildschirme, zumal im Moment ohnehin nur ein für ihn uninteressantes Handballspiel lief, sondern auf Enikö, die kurvenreiche Ungarin mit dem kohlschwarzen Haar, die hinter der Bar hantierte. Ein äußerst feines Stück Mädel, dachte Markus, nur fürchterlich schwer einzubraten[9].

In der Tat hatte sich die schöne Ungarin bisher von Markus’ elegantem Bart überhaupt nicht beeindrucken lassen und alle noch so raffinierten Komplimente perlten von Enikö ab wie der Regen von einem frisch polierten Autolack. Aber grade das reizte Markus ungemein. Was müsste das für ein Gefühl sein, diesen schwarzen Teufel ins Bett zu kriegen!

Als Enikö den Kaffee mit einem – leider völlig unverbindlichen – Lächeln servierte, zog Markus gleich sämtliche Register und verwickelte sie in ein Gespräch, wobei er seinen derzeitigen Auftrag als Aufhänger benutzte. Ob denn Enikö vielleicht etwas gehört hätte von Kunstwerken, die günstig zu kaufen wären?
Nein, hatte sie nicht. Wie er überhaupt auf die Vermutung komme, sie könne so etwas gehört haben?
Nun ja, Leute, die wetten, trinken öfter einmal zu viel. Und Leute, die viel trinken, reden manchmal einiges.
Das möge schon sein, gab Enikö zu und Markus fand ihren magyarischen Akzent einfach zauberhaft, aber sie wisse nichts von Kunstwerken. Damit beendete sie das Gespräch und zog sich hinter die Bar zurück. Markus sah ihr nach und suchte krampfhaft nach einem neuen Thema, um die Plauderei fortsetzen zu können Leider fiel ihm nichts ein, also beschloss er, an das ursprünglichen Thema anzuknüpfen, nahm seine Kaffeetasse und übersiedelte an die Bar, wo er sich auf einem Hocker niederließ.

„Frau Enikö, tun s’ mir an G’fallen?“
Die Serviererin sah ihn fragend an. „Nämlich?“
„Wenn s’ doch noch was hören sollten von Kunstwerken, rufen s’ mich an, bitte?“
Jetzt wurde Enikö misstrauisch. Ob er denn etwa ein Zangler[10] wäre, wollte sie wissen. Er sähe nämlich nicht aus wie ein Amtskappel, sondern sei ihr immer ganz sympathisch gewesen.

Markus fühlte sich geschmeichelt. Bisher hatte er nie über seine berufliche Tätigkeit mit Enikö gesprochen, aber jetzt gab er sich als Privatdetektiv zu erkennen und überreichte der Ungarin seine Visitkarte.

Enikö machte große Augen. „Dann sind sie so was wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot!“, sagte sie mit einer gewissen Ehrfurcht in der Stimme. Markus nickte und hütete sich, einzugestehen, dass er ein kleiner, schlecht bezahlter Schnüffler war, den eifersüchtige Ehefrauen dem Herrn Gemahl an den Hals hetzen, um ein möglichst lukratives Scheidungsurteil zu erreichen.

Trotz aller Freude darüber, bei Enikö weitergekommen zu sein, ärgerte er sich. Warum hatte er dieser Weltkatz[11] nicht schon vorher von seinem Beruf erzählt? Offenbar beeindruckte sie dieser nämlich mehr als sein Bart und sein cooles Benehmen! Und das, obwohl sie auf die Kieberei anscheinend nicht gut zu sprechen war. Immerhin war man hier in Fünfhaus[12], einer Gegend, die nicht grad als vornehm gilt und in der sich allerlei zwielichtige Gestalten herumtreiben!

Noch bevor Markus „ein Schäufelchen nachlegen“ konnte, wurde seine Unterhaltung mit der feschen Ungarin unterbrochen. Der Briefträger kam mit der Post, legte einen Packen Papier – hauptsächlich Werbematerial - auf die Bar und versuchte seinerseits, mit der schönen Enikö ein bisserl zu flirten. Ganz obenauf auf dem Poststapel lag ein Katalog einer Wäschefirma, dessen Cover ein Fotomodell in weinroter, zweiteiliger Unterwäsche zeigte.

„Des tät ihnen gut passen, gnä’ Frau!“, sagte der Briefträger mit breitem Grinsen und zeigte auf den Katalog. Aber Enikö reagierte nicht und sah ihn nicht einmal an, worauf sich der Postler etwas enttäuscht verzog.
Dafür griff Markus das Stichwort auf. „Weinrot passt gar net zu ihnen.“, sagte er. „Nicht zu ihren wunderschönen, glänzenden, schwarzen Haaren! Ich wette, sie tragen schwarze Unterwäsche! Mit Spitzen.“

Zu seiner Überraschung stieg die spröde Ungarin auf seinen Schmäh ein. „Ich hab noch nie schwarze Wäsche gehabt“, sagte sie. „Und Spitzen auch nicht, sind ja sauteuer.“
„Das gibt’s doch net!“, wunderte sich Markus. „Na, dann kriegen s’ so was von mir! Das heißt, wenn s’ mir’s net gleich um die Wachler[13] hauen! Weil’s ja doch a ziemlich persönliches Geschenk is. Aber des tun sie net, oder?“
Enikö schüttelte ganz leicht den Kopf und ihre Wangen wurden ein bisschen rot.

Markus hörte im Geist Trompeten schmettern. Siegesfanfare! Jetzt musste er schleunigst schwarze Damenunterwäsche mit Spitzen besorgen, Wäsche, die er Enikö schenken würde, um ihr an die selbige zu gehen! Auf zum fröhlichen Jagen! Halali!

Markus trank den Kaffee aus, legte drei Euro auf den Tisch und wollte aufbrechen. Da fragte Enikö plötzlich, warum er sich als Privatdetektiv dann für Kunstwerke interessiere und ob er vielleicht der Polizei helfen wollte.

Nein! Natürlich nicht, beeilte sich Markus zu versichern. Es ginge um zwei Gemälde von Ernst Fuchs, die bei einem Einbruch gestohlen worden wären. Da gäbe es ein paar kleine Meinungsverschiedenheiten mit der Versicherung und dem Finanzamt und die Bilder gingen die Behörden nichts an. Deshalb kümmere er, Markus, sich um den Fall und nicht die Polizei.

Enikö dachte nach. Markus konnte beinahe sehen, wie es unter ihrem schwarzen Haar arbeitete.
Na ja, in diesem Fall… Ihr wäre gerade eingefallen, der Tomaschick, der Antiquitätenhändler von der Gumpendorferstraße, der öfter herkommt, habe neulich was von zwei Gemälden gesagt. Bei dem könne man vielleicht einmal nachfragen. Aber nichts von ihr, Enikö, erwähnen! Schließlich wäre der Tomaschick ein guter Stammkunde!

Markus versprach es, bedankte sich für den Hinweis, vergewisserte sich, dass Enikö auch an den nächsten Tagen Dienst hatte und dann machte er sich wirklich auf die Socken zu seinem Auto.
Es regnete nicht mehr. Als er den Zündschlüssel umdrehte, hatte er eine kurze Anwandlung von Pflichtbewusstsein und zog ein paar Sekunden lang tatsächlich in Erwägung, den Antiquitätenhändler Tomaschick aufzusuchen. Aber das hatte Zeit. Sein Geschenk für Enikö war wichtiger! Er kannte da ein Geschäft drüben auf der Wieden[14], wo er sicher das Passende bekam und wo er sogar den Namen „Enikö“ in die Textilien einsticken lassen konnte. Diese Stickerei kostete nicht die Welt und würde sein Geschenk noch aufwerten!

In dem Wäscheladen in der inneren Favoritenstraße hatte er dann ein kleines Problem hinsichtlich der Größe der gewünschten Wäschestücke. Aber die hübsche, rothaarige Verkäuferin war ihm insofern behilflich, als sie sich selbst als Vergleichsobjekt anbot und anhand ihrer eigenen Größennummer eine ziemlich genaue Schätzung ermöglichte. Dabei fiel Markus auf, dass auch das Vergleichsobjekt durchaus nicht zu verachten war und sein Interesse hätte sofort wecken können, wenn nicht die Sache mit Enikö so erfreulich verlaufen wäre und zu den kühnsten Erwartungen Anlass gab.

Bis zum Abend wäre der Name „Enikö“ sowohl in BH als auch Slip eingestickt, versprach die Verkäuferin, die Markus auf Grund ihrer häufigen Blicke in sein Gesicht als Liebhaberin gepflegter Bärte einschätzte und in einer speziellen Abteilung seines Gedächtnisses bereits als eventuell lohnendes Ziel einer späteren Charmeoffensive registriert hatte.

Sehr zufrieden verließ Markus den Wäscheladen und stieg wieder in seinen Wagen. Es regnete wieder leicht und er fragte sich, was er als nächstes tun sollte. Na, vielleicht brachte ihm Enikös Hinweis Glück. Markus beschloss etwas Außergewöhnliches, nämlich zu arbeiten.
Er fuhr auf die andere Seite des Wientals hinüber und die Gumpendorferstraße entlang, nach einem Antiquitätengeschäft Ausschau haltend.

In der Nähe des Flakturmes im Esterhazypark entdeckte er schließlich einen heruntergekommenen Second Hand Laden, den man nur mit äußerstem Wohlwollen als „Antiquitätenhandlung“ bezeichnen konnte. Aber da im Parkverbot vor dem Geschäft grad eine Lücke frei war, quetschte Markus seinen VW dort hinein und betrat das Verkaufslokal.

Erlesener Kitsch umgab ihn, als er in dem dunklen Raum stand und sich umsah. Die interessantesten Verkaufsobjekte waren noch ein Trichtergrammophon mit Federwerk und ein sehr altes Telefon mit Wählscheibe.

Aus den geheimnisvollen Tiefen des Verkaufsraumes tauchte ein etwa sechzigjähriger, hagerer Mann mit weißem Haar und Geheimratsecken auf. „Kann ich ihnen helfen?“
„Herr Tomaschick?“
„Ja. Sie wünschen?“
„Sie sind mir von einer Bekannten empfohlen worden. Ich suche ein Geschenk für einen guten Freund, etwas Exquisiteres.“
„In welcher Preislage?“
Nun, es wäre ein sehr guter Freund, der ihm schon mehrmals geholfen hätte. Also könne es ruhig etwas teurer sein. Ein Kunstwerk vielleicht?

Tomaschick nickte. „Moment“, sagte er und verschwand im Hintergrund des voll geräumten Lokals.
Nach nicht einmal einer Minute tauchte er mit einem unwahrscheinlich kitschigen Ölbild auf, einem Frauenporträt vor einem Blumenhintergrund.
„Spätes neunzehntes Jahrhundert“, erklärte er. „Zwar nicht signiert, wird aber Hans Canon zugeschrieben. Sechstausendfünfhundert.“

Markus hatte den Namen Hans Canon noch nie gehört und blieb daher unbeeindruckt. „Canon? Ich kenn’ nur Kameras, die so heißen, und Kopierer“, sagte er.
„Im Museum Leopold hängt was von ihm und in der Österreichischen Galerie im Belvedere auch“, erklärte Tomaschick. „War ein Schüler von Rahl. Das da hab ich aus einem Nachlass. Zu teuer für Sie?“
„Der Preis wär’ schon okay, aber das ist nicht der Geschmack meines Freundes.“, erklärte Markus. „Was haben sie denn sonst noch da?“

Leider wäre er nicht auf Kunstwerke spezialisiert, erklärte Tomaschick. Aber er hätte da einen Partner, der sich ausschließlich mit Kunst befasse, sozusagen einen Großhändler. Da könne er sich einmal erkundigen, was momentan auf dem Markt wäre.
„Ja, tun sie das!“, ermunterte ihn Markus. „Vielleicht ist was Moderneres zu haben. Das mag er nämlich, mein Freund. Dann schau ich demnächst wieder einmal bei ihnen rein“. Er wandte sich zur Tür.

„Was halten sie von Ernst Fuchs? Ich glaub, da hat er grad was verfügbar“, sagte der Händler, als Markus sich bedankte und die Türklinke schon in der Hand hatte. Markus ließ die Klinke los und drehte sich um.
„Kling interessant. Können sie das Bild besorgen, damit ich’s mir ansehen kann?“
Nein. Das ginge leider nicht, die beiden Gemälde – es handle sich nämlich um zwei – wären im Lager des Partners aufbewahrt. Aber, wenn er ein ernsthaftes Interesse dran hätte, könne man sich im Lager treffen. Nach Geschäftsschluss halt, denn er, Tomaschick, hätte kein Personal für seinen Laden.
Okay. Wann?
Na ja, das Lager wäre draußen in Deutsch–Wagram, erklärte Tomaschick. Heute Abend? Er müsse nur seinen Partner anrufen und den Termin vereinbaren.
Das wäre ihm sehr angenehm, versicherte Markus und der Händler verschwand wieder mit einem gemurmelten „Moment, bitte“ in den Tiefen seines Ladens.

Diesmal dauerte es länger, bis er wieder kam. Er überreichte Markus einen Zettel mit einer Wegbeschreibung: Südosttangente, B8, unmittelbar nach der Ortstafel „Deutsch-Wagram“ links abbiegen, weitere fünfhundert Meter – das niedrige Gebäude mit dem orangefarbenen Garagentor neben der Firma BGA. Um 19 Uhr würde er, Tomaschick dort auf ihn warten. Bitte Bargeld nicht vergessen!
Markus war zufrieden. Das würde ihm Zeit geben, die Unterwäsche für Enikö noch vorher abzuholen. Er verabschiedete sich und kehrte zu seinem Wagen zurück.

Nachdem er keine Lust hatte, ins Büro zurück zu fahren, überlegte er, wieder im Wettcafé am Westbahnhof seine Zelte aufzuschlagen, verwarf aber den Gedanken. Es wäre nicht empfehlenswert gewesen, sich Enikö als das, was er tatsächlich war, zu erkennen zu geben, nämlich als alles andere als pflichtbewusst.

Jetzt schon Felix anzurufen, war auch riskant. Natürlich hatte er vor, Felix zu seiner Unterstützung hinaus nach Deutsch–Wagram zu bestellen, aber noch nicht jetzt. Sonst könnte es dem arbeitswütigen Idioten noch einfallen, ihm irgendeine Tätigkeit aufzuhalsen. Wo er doch für heute schon mehr als genug geleistet hatte! Der Kunstdiebstahl stand vor der Aufklärung und die fesche Enikö hatte er erfolgreich eingebraten. Was will man mehr?

Markus suchte sich deshalb zunächst einmal einen legalen Parkplatz und gönnte sich in einem nahen Café einen Imbiss. Dann nahm er sich die Zeitungen vor. Ein Detektiv muss schließlich informiert sein!
Nach einem vertrödelten Nachmittag nahm er dann sein Handy heraus und rief Felix an dessen Mobiltelefon an.

„Wo bist denn g’rad, Prohaska? I brauch di heut am Abend!“
Felix war noch immer dabei, Eders Liste von Antiquitätenhändlern abzuarbeiten. Immerhin war ihm dabei ein Gerücht zu Ohren gekommen, dass ein gewisser Beranek draußen in Deutsch–Wagram einen gelegentlichen Handel mit Kunstwerken bedenklicher Herkunft betreiben sollte. Er wisse aber noch nichts näheres.
„Um neunzehn Uhr schau i mir bei dem die zwa Fuchs an. Kommst aa?“, sagte Markus ganz beiläufig, als ob es sich um eine alltägliche Sache handeln würde.

Felix war sprachlos. Erst nach einigen Sekunden fragte er: „Hast du fauler Hund vielleicht einmal wirklich was g’hackelt[15] heut? Bist krank?“
„Spinnst? Du waaßt doch, dass i mi für die Firma z’reiß! Also, kann i mit dir rechnen?“
Selbstverständlich könne er das, versprach Felix. Markus erklärte ihm den Weg und am Ende war Felix beinahe freundlich.

Markus beendete seinen gemütlichen Nachmittag im Kaffeehaus und brach auf. Erst holte er die Reizwäsche für Enikö ab, flirtete noch ein bisschen mit der hübschen Verkäuferin und legte somit die Basis für später eventuell folgende Einbratversuche. War immer gut, etwas in Reserve zu haben. Dann, eingedenk des täglichen Verkehrsinfarkts auf der Stadtautobahn machte er sich gleich auf den Weg hinüber in den zweiundzwanzigsten Bezirk und wich über die Reichsbrücke dem ärgsten Stau aus. Schon eine Viertelstunde vor sieben war er an der Abzweigung von der B8 zum angegebenen Treffpunkt.

Dort stand bereits Felix’ alter Ford am Straßenrand. Markus hielt direkt hinter ihm und stieg aus.
Mit wenigen Worten instruierte er seinen Kollegen. Er würde Felix als jenen Freund ausgeben, für den das Geschenk bestimmt war. Wenn es tatsächlich die beiden gestohlenen Bilder sein sollten, würden sie mit dem Preis nicht einverstanden sein und sich zurückziehen. Den Rest konnte dann die Polizei machen, es kam ja nur darauf an, die Bilder zu finden, bevor die Versicherung den Schaden ersetzte!

So warteten sie also noch ein paar Minuten und fuhren dann hintereinander zum Treffpunkt vor dem niedrigen Gebäude mit dem orangefarbenen Tor. Markus fuhr voran.
Es handelte sich bei dem Gebäude um eine kleine, ziemlich alte Lagerhalle und Tomaschick stand schon davor. Drei Fahrzeuge waren auf dem Grundstück geparkt, ein Lieferwagen, ein Kleinlaster und ein kleiner, roter Sportwagen.
Neben Tomaschick stand eine knapp fünfzigjährige, blonde Frau in einem schicken, grauen Hosenanzug und unterhielt sich angeregt mit dem Händler.
Markus und Felix stellten ihre Autos neben den bereits geparkten Fahrzeugen ab und gingen auf Tomaschick zu.

„N Abend, Herr Tomaschick“, sagte Markus. „Des is der Freund, der des Bild kriegen soll. Ich hab ihn gleich mit’bracht, weil es geht doch um a ziemliche Marie. Drum soll er sich’s selber anschaun, dann kann er mir nix vorwerfen.“

Tomaschick sah zwar etwas misstrauisch drein, sagte aber: „Gut. I hol’s gleich, die zwei Bildln.“
Er wandte sich zur Lagerhalle. Da sagte die blonde Frau: „Und i mach mi wieder auf’n Weg. Servus, Peter, wir sehn uns dann nächste Woche.“
„Ja. Servus, Renate“, sagte Tomaschick und betrat die Lagerhalle. Die blonde Frau ging zu dem roten Sportwagen und stieg ein.

„Fahr der sofort nach!“, sagte Felix zu Markus.
„Warum denn?“
„Frag net lang! Fahr ihr nach und find raus, wo s’ hinfahrt! Des is wichtig! Zah’ an[16]! Damit s’ dir net auskommt!“
Markus war verwirrt. Was hatte denn der Felix plötzlich? Warum war das denn wichtig, wo die Frau hinfuhr?
„Na schlag da kane Wurzeln! Mach schon, fahr ihr nach und ruf mi dann am Handy an!“
Felix sagte das offenbar nervös und mit ziemlichem Nachdruck.
„Versteh i net“, sagte Markus, wurde aber von Felix scharf angefahren: „Fahr, du Trottel! Sonst is’ weg, die Tante!“

Soeben fuhr der rote Sportwagen auf die Zufahrtsstraße hinaus. Markus lief zu seinem VW und beeilte sich, die Verfolgung aufzunehmen.
Obwohl vom roten Sportwagen nichts mehr zu sehen war, als Markus die Grundstückseinfahrt passierte, holte er ihn noch vor der Einmündung in die Bundesstraße ein. Dort musste die Fahrerin des Cabrios warten, um sich in den Verkehr einordnen zu können und Markus kam ganz an den verfolgten Wagen heran. Unmittelbar hinter dem Sportwagen bog er in die Bundesstraße ein und hielt dann einen etwas größeren Abstand, um nicht aufzufallen.

Die Frau fuhr rasch, aber sie raste nicht und überschritt kaum die erlaubten 100 km/h, was Markus ermöglichte, ihr problemlos auf den Fersen zu bleiben. Ein Polizeifahrzeug kam ihnen mit Blaulicht und Folgetonhorn entgegen und die Frau vor Markus reduzierte das Tempo. Markus bemühte sich, nicht zu dicht aufzufahren.

An der Stadtgrenze verringerte die Frau die Geschwindigkeit noch weiter auf etwa 70 km/h und obwohl der Verkehr noch recht lebhaft war, konnte Markus leicht an dem Sportwagen dranbleiben.
Die Fahrt dauerte etwa vierzig Minuten und führte durch die halbe Stadt. Dann stellte die verfolgte Frau den Sportwagen vor einem Grundstück im neunzehnten Bezirk ab. Markus notierte sich die Adresse des Hauses, in dem sie verschwand. Dann rief er Felix’ Handy an.

Mobilbox. Der Schweinehund Prohaska hatte sein Mobiltelefon abgeschaltet! Was sollte denn das schon wieder heißen? Felix wollte doch, dass er ihn anrief!
Markus fluchte ein bisschen und wollte nach Hause fahren. Da fiel ihm ein, dass Felix vielleicht Probleme gekriegt haben könnte. Es ging immerhin um Diebesgut.
Möglicherweise hatte sich Felix verraten. Der Tomaschick war zwar ein hagerer Kerl, der nicht kräftig aussah, aber er war sicher nicht allein in dem Lagerhaus gewesen.

Markus fluchte nochmals, diesmal wesentlich intensiver, saftiger und bildhafter. Es half nichts – er musste noch einmal zurück. Der Prohaska war zwar ein Rindviech, ein streberhaftes noch dazu und nicht grad sein bester Freund, aber immerhin ein Kollege, den man nicht hängen lassen konnte.
Wütend fuhr Markus den ganzen Weg nochmals zurück. Der Verkehr war jetzt etwas schwächer und er schaffte es in einer halben Stunde, aber dann wurde er noch wütender. Felix’ Wagen war verschwunden, die Grundstückseinfahrt geschlossen und versperrt und nicht wies darauf hin, dass hier etwas nicht in Ordnung wäre.
Markus fuhr nach Hause. Prohaska, du Saftsack, du Wecken, freu dich auf morgen früh!

Der nächste Morgen verlief allerdings etwas anders, als es Markus sich vorgestellt hatte.
Als er ins Büro kam, saß Felix, nach Rasierwasser duftend, auf seinem Platz und sah drein als ob er soeben den Jackpot im Lotto geknackt hätte. Herr Eder hatte offenbar Markus kommen gehört, denn grad als er sich vor seinen Bildschirm setzen wollte, kam er aus dem Chefzimmer heraus.

„Herr Jacoby, ich möchte, dass auch sie es wissen: Ich habe das Gehalt von Herrn Prohaska erhöht, obwohl wir uns das eigentlich gar nicht leisten können. Aber gute Arbeit muss honoriert werden und vielleicht ist ihnen das ein Ansporn, auch so gute Ergebnisse zu liefern. Herr Prohaska hat gestern Abend die beiden Fuchs-Gemälde sichergestellt. Nach nur einem einzigen Tag Recherche! Nehmen sie sich dran ein Beispiel!“

Markus war sprachlos. Er sah abwechseln Felix und den Chef an und sagte kein Wort. Erst als Eder nach Abschluss seiner in reinem Hochdeutsch vorgetragenen Rede wieder in sein Zimmer zurückkehrte, fand Markus die Sprache wieder.
„Felix, du Sauhund, was war gestern los?“
„Nix b’sonderes. I hab die Schmier[17] g’rufen und den Tomaschick und den Beranek Meier geh’n[18] lassen. Die Bilder san sicherg’stellt.“

„Und mi hast wegg’schickt, der Tante mit’m Sportwagen nachfahren?“
„Na ja, wärst halt da’blieben…“
„Du Arsch mit Ohren! Du wolltest mi weghaben! Stimmts?“
„Na ja, notwendig warst ja net unbedingt…“

Markus wurde auf einmal ganz ruhig. „Du bist a ganz auserlesen dreckiges Arschloch, Prohaska! Das zahl i dir heim!“, sagte er beinahe freundlich. Dann stand er auf und verließ die Detektei Eder, ohne sich beim Chef abzumelden.
Felix sah ihm nach und murmelte: „Na ja, er kann ja nix dafür, dass er ein Trottel is.“

Markus Jacobi blieb den ganzen Tag verschwunden. Felix war’s egal. Er machte Innendienst, eine Aussage vor dem Scheidungsrichter war vorzubereiten und Felix ging dabei mit Akribie vor. Die Klientin würde zufrieden sein.

Abends freute sich Felix auf dem Weg vom Büro heim bereits sehr auf die Reaktion seiner Frau Helga auf die Nachricht, dass sein Gehalt erhöht worden war. Helga wollte im Herbst ein paar Tage nach Venedig, da voriges Jahr ihre Hochzeitsreise nur an den Wolfgangsee geführt hatte. Jetzt, mit den hundert monatlich mehr, lag das durchaus im Bereich des Möglichen. Unterwegs hielt Felix kurz vor einem Supermarkt und kaufte eine Flasche Chianti, um auf Venedig anstoßen zu können.

Helga war tatsächlich ganz von den Socken, als Felix ihr die frohe Nachricht verkündete. Zum Abendessen deckte sie den Tisch besonders liebevoll, sogar mit Kerze, obwohl es nur Eiernockerl mit Salat gab. Sie stießen an, turtelten eine Weile herum und beschlossen dann, heute einmal besonders früh zu Bett zu gehen.

Und dann brach es über Felix herein!
Helga wollte noch sein Sakko, das er achtlos im Vorzimmer an die Garderobewand gehängt hatte, in den Schrank räumen, aber vorher etwas ausbürsten. Da fiel aus der Seitentasche ein schwarzes Etwas heraus. Helga hob es auf und identifizierte das Etwas als einen Damenslip mit Spitzen. Überrascht sah sie das Ding genauer an und bemerkte den Namen „Enikö“ mit rotem Faden in den Bund des Höschens eingestickt. Also kein Geschenk für sie!

Über die folgende Szene breitet man am besten den Mantel des Schweigens. Es wurde der erste handfeste Krach ihrer jungen Ehe und erstmals fühlten sich die Nachbarn der Prohaskas in ihrer Ruhe empfindlich gestört. Vergeblich bemühte sich Felix, seiner Angetrauten klar zu machen, dass das nur ein Streich seines Kollegen Markus Jacoby, diesem Pfeifensack, gewesen sein könne.

Am nächsten Morgen, es war ein Freitag, sah Felix im Büro alles andere als ausgeruht aus. Auf einer Wohnzimmercouch schläft es sich nicht besonders erholsam. Aber er verlor kein Wort über seine privaten Probleme, was Markus etwas enttäuschte. Zu gern hätte er den Kollegen jammern und wehklagen gehört! Hatte er doch sogar die Hälfte des für Enikö bestimmten Geschenkes dafür geopfert! Das Ersatzhöschen kriegte er erst heute und der Generalangriff auf die kurvenreiche Ungarin war deshalb vorläufig verschoben. Und jetzt vermasselte ihm dieses Arschloch Prohaska auch noch diesen bescheidenen Triumph!

Das Wochenende kam. Ein Fall, der eine Observierung am Samstag oder Sonntag nötig gemacht hätte, war nicht in Arbeit, also war die Tätigkeit der Detektei Eder eingestellt.
Felix hatte alle Hände voll zu tun, um seinen Haussegen wieder gerade zu rücken und Markus verlor siebzig Euro in Ebreichsdorf, weil Stefanie, diese Schindmähre, eine der seinen ähnliche Mentalität an den Tag legte und mit dem vorletzten Platz zufrieden war. Zu Leberkäse sollte man es verarbeiten, das Mistviech! Markus wollte zumindest eine Scheibe davon mit Estragonsenf genussvoll verdrücken, hätte er nur Gewissheit gehabt, dass sie von dieser Schnecke auf Hufen stammte.
Der Montagmorgen im Büro verlief deshalb noch „montäglicher“ als sonst.
Herr Eder hatte am Wochenende die Kontoauszüge seiner Firma durchgesehen und war miserabler Laune. Felix hatte immer noch Probleme mit seiner Angetrauten und Markus hatte großes Verlangen nach Pferdeleberkäse von einer Stute mit Namen Stefanie.
Nur nachdem die Post gekommen war, kam etwas Leben in die Bude. Herr Eder rauschte ins Büro von Markus und Felix wie ein Schlachtschiff bei der Flottenparade.

„Herr Jacoby, das ist offenbar für Sie!“, sagte er und hielt einen größeren Briefumschlag hoch. Und der Einfachheit halber auch gleich das darin enthalten gewesene, mit Maschine geschriebene Blatt sowie ein schwarzes Damenspitzenhöschen. Dann las er laut den Brief vor:
„Lieber Markus! Vielen Dank für den unvergesslichen Tag! Dass Dir die Fuchs-Gemälde, von denen Du mir erzählt hast, Dein Auftrag und Dein Chef egal waren und Du Deine Zeit lieber mit mir verbracht hast, finde ich ganz besonders süß von Dir! Das kleine Souvenir soll Dir zeigen, wie sehr ich Dich liebe! Deine Enikö“.

Anmerkungen:
[1] Trabrennplatz im Prater
[2] Polizei
[3] einbrechen
[4] etwa: Habenichts
[5] Eheringe
[6] Nichtstuer
[7] erfolgreicher Experte - Kombination von Kapazität und Wunder
[8] Schlamm
[9] jmd. einbraten = sich gewogen machen
[10] Polizist; einer der jmd. "Zangen" (Handschellen) anlegt
[11] besonders hübsches Mädchen
[12] 15. Gemeindebezirk
[13] Ohren
[14] 4. Gemeindebezirk
[15] arbeiten
[16] Zieh an! - ermunternder Zuruf
[17] Polizei
[18] verhaften

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