KunstGeschichten

KunstGeschichte: Max, das Genie

Max Hasenöhrl ist ein Bengel, der seiner Mutter das Leben schwer macht: Er quengelt hier, er mäkelt da und hält sich nichtsdestotrotz für einen großartigen Burschen. Doch endlich kann er einmal beweisen, dass Frechheit in bestimmten Situationen sehr hilfreich sein kann und weist zwei dreiste Diebe in ihre Schranken. Wie er das anstellt, erzählt uns Erich Wurth.

Trotz seines zarten Alters von noch nicht einmal acht Jahren war der Max Hasenöhrl ein Rüpel ersten Ranges! Von sich selbst sprach er nur mit dem Zusatz „das Genie“. Dass Max ein mangelhaftes Selbstwertgefühl gehabt hätte, konnte man also nicht behaupten. Respekt kannte er überhaupt nicht. Ob das an seiner mangelnden Erziehung lag, ist nicht eindeutig festzustellen. Seine Mutter Birgit hatte sich zwar redlich bemüht, dem Burschen so etwas wie eine Erziehung angedeihen zu lassen, aber dabei nicht viel Erfolg gehabt. Sein Vater hatte diesbezüglich gar nichts unternommen. Er war Niederlassungsleiter einer Raiffeisenbankfiliale und bemühte sich außerdem, in der Politik Fuß zu fassen. Nun ist allerdings Wien ein vollkommen „rot“ dominiertes Bundesland (mit einem bescheidenen grünen Einschlag) – und Raiffeisen ist durch und durch „schwarz“, also war das kein leichtes Unterfangen für den Albert Hasenöhrl.

Max' Mutter nannte sich mit ihrem Künstlernamen Birgit Haas, denn der Name Hasenöhrl schien ihr nicht ganz geeignet für eine anerkannte Malerin. Das war sie immerhin. Und zwar produzierte sie Bilder von halbnackten jungen Damen, die eine Menge Sex ausstrahlten. Da es offenbar einen gewissen Markt dafür gibt, war sie sogar recht erfolgreich damit. Eine ihrer Zeichnungen war auch der Grund für die Zwischenfälle mit Max, die im letzten Juli zu einer gewissen Aufregung geführt haben. Und zwar sollte Birgit das Bild einer Tänzerin an die Redaktion einer Zeitung im 19. Bezirk liefern. Die Zeichnung würde eine Rubrik illustrieren, die eine Sexualpsychologin regelmäßig für das Blatt verfasste. In dieser Ausgabe der Kolumne ging es um aufreizende Kleidung. Es ging um die Frage, ob eine Frau in der Öffentlichkeit solche Kleidungsstücke tragen sollte oder eher nicht. Birgit Haas hatte dafür eine Tänzerin entworfen, die in einem Outfit daher kam, dass schon beinahe als pornografisch zu bezeichnen war. Es war eine großartige Arbeit, wenn man solche Motive mochte.
Nun hatte die Birgit an diesem Morgen leichte Probleme mit ihrem Scanner am Computer. Die eingescannte Zeichnung wollte partout nicht in den 19. Bezirk hinüber! Und die Zeitung verlangte dringend nach dem Bild. Am übernächsten Tag sollte schließlich der Artikel erscheinen! Also blieb Birgit nichts anderes übrig, als sich in ihren knallroten Citroen zu setzen und ihr Werk persönlich abzugeben. Von ihrem Haus auf dem Rosenhügel bis nach Döbling war es zwar ein schönes Stück Weges, aber es musste sein. So nahm sie ihren Sohnemann mit und machte sich auf den Weg.

Max verlangte lautstark nach einem Eis.
„Ich muss erst nach Döbling, Max. Dann bleiben wir auf dem Rückweg bei einem Eissalon stehen“, erklärte Birgit.
„Nein. Gleich“, beharrte Max.
„Du wirst doch eine halbe Stunde warten können!“
„Nein! Will mein Eis sofort!“
Mittlerweile fuhren sie die Speisinger Straße entlang in Richtung Innenstadt.
„Du musst leider noch warten! Die Zeitung geht vor! Die brauchen die Zeichnung ganz dringend!“
„Rabähhh! Zeitung soll warten!“

Innerhalb weniger Sekunden steigerte Max sein Rabähhh-Geheul auf eine ganz besondere Intensität und Birgit befürchtete wegen der offenen Autofenster, vom nächsten Polizisten angehalten zu werden, da dieser eine Entführung oder sonst etwas Schreckliches vermuten könnte. In der Lainzer Straße hielt sie folglich an und führte ihren schreienden Sohn zu einem Eissalon. Er beruhigte sich augenblicklich. Sie bestellte für sich einen großen Mokka und ließ den Max seine Bestellung selbst durchführen. Der orderte einen großen Becher gemischtes Eis mit Schlagobers und der Zusatzangabe: „Da müssen aber alle Sorten drin sein! Nur Kaffee nicht!“
Es war aber Kaffee drin.
Max erlitt einen Wutanfall. „Die blöde Tussi hat sich den Kaffee nicht gemerkt!“, brüllte er. „Das ist ein Scheiß-Eissalon!“
„Max, das Wort 'Scheiß' sagt man aber nicht!“, mahnte Birgit. „Komm, ich nehm dir den Kaffee raus“, und sie löffelte die gefrorene Kaffeecreme aus dem Riesenbecher heraus und aß sie selbst.
„Da hast du aber jetzt Heidelbeer auch erwischt!“, beschwerte sich Max. „Und außerdem ist das wirklich ein Scheiß-Eissalon! Und die Tussi da hat schon Alzheimer!“
„Sei ruhig, Max, und iss dein Eis! Wir müssen weiter in den 19. Bezirk!“
Max sah seine Mutter missbilligend an, legte aber einen Zahn zu. Das Eis verschwand mit affenartiger Geschwindigkeit in seinem eisverschmiertem Mund.
Birgit trank den Mokka aus. „Na, komm. Wir müssen weiter!“
„Will noch ein Cola!“, verlangte Max.
„Das trinkst du aber unterwegs“, sagte seine Mutter, stand auf und bezahlte draußen an der Eistheke, wo sie noch ein kleines Fläschchen Cola mitnahm.

Endlich saß Max wieder auf seinem Kindersitz auf der Rückbank und Birgit fuhr ihren Citroen über Wientalstraße und Schönbrunner Straße zum Gürtel und dann diesen entlang bis zu dessen Ende bei der Heiligenstädter Straße. Max quengelte weiter. Die Fahrweise seiner Mutter passte ihm gar nicht: „Fahr doch weiter links! Da rechts sind doch viele LKW! Und die Straße hat doch vier Spuren!“
„Max, wer ist der Kapitän auf dem Dampfer?“
„Ich“, sagte Max. „Du bist Steuermann!“
„Der hat aber auch was zu sagen!“
„Wenig“, meinte Max. „Du hast nur dahin zu steuern, wo's das Navi dir sagt!“
„Ja, glaubst du, ich brauch vom 23. in den 19. Bezirk ein Navi? Die Strecke fahr ich im Schlaf!“
„Immer den Gürtel entlang. Na klar! Trotzdem hast das Navi eingeschaltet!“ So leicht war er nicht zu täuschen!
„Na, schaden kann's ja nicht!“, meinte Birgit.
„Bist aber kein guter Navigator“, kommentierte Max.
Seine Mutter antwortete nicht mehr, denn soeben bog sie in die Gasse ein, wo die Zeitung ihren Sitz hatte.

Parkplatz: Keiner vorhanden.
Birgit hielt in zweiter Spur und rief den zuständigen Redakteur von ihrem Handy aus an. Der bedauerte. Parkplätze wären Mangelware in dieser Gegend. Außerdem war die Redaktion voller Mitarbeiter. Es herrsche Hochbetrieb! Sie möge doch kurz in zweiter Spur halten und die Zeichnung rasch im ersten Stock bei Frau Kunold abgeben – da wäre sie in einer Minute wieder bei ihrem Wagen. Birgit war gar nicht wohl bei der Sache. Lieber wäre sie hier herumgekurvt und hätte auch einen längeren Fußmarsch in Kauf genommen. Aber der Redakteur hatte gestresst geklungen und die Zeichnung war eh schon spät dran. Sie stieg also aus, nahm das gute Stück an sich und ermahnte ihren Sohn: „Ich bin in ein paar Sekunden wieder da! Bitte bleib da sitzen und steig keinesfalls aus!“
Und dann lief sie in höchster Eile zum Eingang der Redaktion. Den Autoschlüssel ließ sie im Zündschloss stecken.
Max blieb in seinem Kindersitz. Er griff sich die Colaflasche, die seit Hietzing neben ihm auf dem Rücksitz lag und schraubte sie auf.
„Affenlulu“, befand er, nachdem er den ersten Schluck genommen hatte. Es war ein relativ heißer Tag und die Limonade war bereits reichlich warm geworden – der Vergleich mit Affenpisse war gar nicht so weit her geholt.

Plötzlich tauchte neben dem Citroen ein junger Bursche auf, der völlig dreckige und zerrissene Jeans trug, eine verkehrt aufgesetzte Sportkappe, ein T-Shirt mit der Aufschrift „Allah akbar“ und eine sehr modische Sonnenbrille. Der Name des jungen Mannes war Marko Giebler und er war in Begleitung eines beinahe ebenso cool gekleideten zweiten Burschen, der sich Marvin Holzer nannte. Marko bemerkte sofort, dass der Autoschlüssel am Armaturenbrett steckte – und da er wie immer etwas knapp bei Kasse war, fiel ihm sofort der Zlatko ein, der ein einträgliches Schmuggelgeschäft mit gestohlenen Autos nach Serbien betrieb. Birgits Citroen war immerhin ein relativ neues Auto. Keine zwei Jahre alt. Also überlegte er nicht lang. Die Fahrertür war offen. Er glitt auf den Fahrersitz. Sein Kumpan setzte sich rasch neben ihn, nachdem er die Beifahrertür entriegelt hatte, dann startete Marko und gab Gas.
„Schnell zum Arsenal. Der Zlatko soll den Wagen gleich heut noch nach Serbien bringen!“, sagte er.

Max starrte den vor ihm sitzenden neuen Fahrer verständnislos an, sagte aber kein Wort. Da hatte der miese Knochen also seiner Mami den Citroen gestohlen! Er drehte sich um und sah durch die Heckscheibe seine Mutter soeben aus dem Zeitungsgebäude kommen. Als der Wagen um die Ecke bog, öffnete sie gerade ihre Handtasche und nahm ihr Handy heraus. Da schraubte Max seine Colaflasche wieder auf und goss deren Inhalt dem Fahrer ganz ruhig ins Genick. Dazu sagte er: „Heiß is es heute! Tut doch gut, so was!“
Der Fahrer fuhr herum und starrte den Bengel an. „Wer bist denn du?“
„Maximilian Hasenöhrl, das Genie“, antwortete Max. „Sie haben mich nicht gesehen, wie Sie eingestiegen sind. Was wollen Sie denn mit dem Wagen? Der gehört meiner Mami!“
Markos Rücken hatte sich mittlerweile braun gefärbt. „Ihr T-Shirt is' im Popo“, sagte Max und deutete auf Markos Rücken. „Aber dem Sitz macht das nix. Die Sitze haben einen Lederbezug! Ist ein ganz guter Wagen, der Citroen!“
Da meldete sich Marvin, der Beifahrer,: „Haun ma'n ausse, den Sargnagel?“
Sein Kumpan schüttelte den Kopf. „Für den krieg'n ma no a Marie! Wirst sehn!“
„Na klar zahlt mei' Mami a Lösegeld“, schaltete sich Max ein. „I bin ja viel Geld wert. A richtiges Genie! Wo fahr'n ma denn jetzt hin?“
„Wirst scho' merken, du Genie! Und jetzt halt die Goschen!“ Da war ein Unterton in Markos Stimme, die den Max Jungen tatsächlich dazu bewog, sein loses Mundwerk zu halten. Aber er begann, in seiner Hosentasche zu kramen und fischte dann tatsächlich sein Handy heraus. Als moderner Schüler hatte er natürlich eines, und zwar ein ganz modernes Smartphone, mit einer eingespeicherten Nummer des Handys seiner Mutter. Diese Taste drückte er jetzt.

Seine Mutter war sofort dran. Sie klang sehr erleichtert, als sie sagte: „Max! Wo bist du denn?“
„Im Auto“, sagte Max. „Da haben zwei so coole Typen deinen Wagen gestohlen! Man lässt aber auch nicht den Zündschlüssel stecken!“
Der Beifahrer Marvin drehte sich um. „Mit wem telefonierst denn du?“
„Mit der Mami“, sagte Max. „Die muss immerhin wissen, dass Sie mich mit gestohlen haben!“
Marvin griff nach hinten und nahm ihm das Handy weg. „Sie sind die Mutter von dem kleinen Rabauken?“, sagte er ins Handy hinein. „Wenn Sie den wiederhaben wollen, kostet das was!“
Zwei Sekunden schwieg Marvin, dann sagte er: „Das werd' i grad Ihnen net sagen. Soll die Polizei halt suchen! Die finden uns eh net.“
Da griff der kleine Rabauke nach vorne zum Beifahrer und angelte sich das Handy zurück. „Wir fahren auf der Lände stadteinwärts“, sagte er ins Mikrophon. „Und ich werd' ein' Polizisten beleidigen, damit er uns aufhält.“
Marvin hatte sich nun völlig umgedreht und griff mit beiden Händen nach Max. Mit der einen Hand nahm er sich wieder das Handy und die andere Hand gab ihm eine herzhafte Tetschen.
Max brüllte auf: „Kindesmisshandlung! Au weh! Ich zeig Sie an, Sie Rotzkübel!“
Zack! Hatte er eine zweite Ohrfeige gefangen.
Max kurbelte das Fenster neben sich herunter und brüllte hinaus: „Alarm! Da haut mi einer! Ganz fest haut er mi! Haltets den Wagen auf! Der is eh g'stohlen!“
Marko hielt Marvins Hand fest. „Hör auf, du Rindviech! Der Bub macht die ganze Gegend verrückt!“
„Ah, auf den hört eh kaner! A paar hinter die Löffel kriegt er noch!“

Max machte mit affenartiger Geschwindigkeit seinen Gurt los und kletterte aus dem Kindersitz. Dann verkroch er sich hinter der Rückenlehne des Beifahrersitzes und war somit für Marvin unerreichbar. Dabei brüllte er weiter: „Hilfe! Da wird ein Genie verprügelt! Haltets den Wagen auf!“
„Der macht mi wahnsinnig, der klane Arschaufd'rerd “, sagte Marko und bog rechts ab in die Alserbachstraße. Den Max ließ er einfach weiter brüllen.
Marvin kramte inzwischen auf der Ablage unter dem Handschuhfach herum und fand eine ganze Menge von Birgits Zeichnungen. Alles Mädchen im Bikini.
„Da schau her“, sagte Marvin. „Das is ja nicht ganz ohne Reiz! Lauter fesche Hasen!“
„Das hat meine Mami gezeichnet“, verkündete der inzwischen wieder still gewordene Max. „Meine Mami ist ja Künstlerin!“
„Eigenartig! Lauter Weiber im Bikini? Ist deine Mami vom andern Ufer?“
Das verstand der Max nicht. „Wir sind vom Rosenhügel“, sagte er. „Und die Mami hat heute ein paar Zeichnungen an die Zeitung geliefert. Und jetzt muss ich aufs Klo!“
Marko drehte sich um: „Du pinkelst da ins Auto, du Saboteur!“ Und zu Marvin sagte er: „Das sollen sich die Serben selber weg putzen!“
„Da tät' die Mami schön schimpfen!“, meinte Max. „Der Wagen ist vor einer Woche ganz gründlich gereinigt worden!“
„Deine Mami wird den Wagen nie wieder sehen“, sagte Marko. „Der geht heute noch nach Serbien!“
Jetzt tauchte der Bengel wieder aus der Versenkung hinter Marvins Sitz auf. „Der Wagen geht noch heute an die Mami zurück!“, sagte er. „Kann ich mein Handy wieder haben?“
„Nein!“, brüllte Marvin. Und dann sagte er zu Marko: „Willst du den Zlatko mit dem stinkenden, verbrunzten Kübel nach Belgrad schicken? Sollten wir nicht am Franz-Josefs-Bahnhof stehen bleiben und ich geh mit diesem Max aufs Klo?“
Marko zuckte die Schultern. „Na, wenn du ihn nicht auslässt, von mir aus.“
„Der rennt mir schon nicht davon! Bleib da vorn auf dem Gehsteig stehen! Strafmandat is uns ja wurscht!“

Marko überfuhr noch die Kreuzung mit der Porzellangasse und fuhr dann den Citroen langsam auf den Gehsteig bei der Straßenbahnhaltestelle der Linien D und 33. Sein Kumpan stieg aus und er öffnete die Verriegelung der hinteren Türen. Dann fischte Marvin den Max heraus und hielt ihn ganz fest an der Hand. Gemeinsam betraten die zwei das moderne Bankgebäude, in dem der Bahnhof untergebracht ist. Marko wartete nervös.
Max zog inzwischen den Marvin in die Eingangshalle. Rechts waren die Fahrkartenschalter und links eine Blumenhandlung. Geradeaus ging es zu den Bahnsteigen. Dahin zog der Bengel den langsameren Marvin, der versuchte, sich zu orientieren. Im Durchgang zur Bahnhofshalle befanden sich die Waschräume. Dort stellte sich Max an eines der an der Wand montierten Becken. Marvin stand neben ihm und ließ ihn nicht los. Max packte sein „Spatzi“ aus und ließ der Angelegenheit freien Lauf.
Aber plötzlich drehte er sich um und ließ den Strahl gegen Marvins Hose laufen! Der erschrak, ließ ihn los und versuchte, sich in Richtung auf den Ausgang zurückzuziehen. Aber Max war augenblicklich hinter ihm her und der Strahl wollte nicht enden!
„Schweinerei!“, schrie Marvin. „Du Drecksau, verdammte!“ Seine Hose war vollständig naß.
Und Max lief an Marvin vorbei und aus dem Waschraum hinaus!
Der Verbrecher überlegte eine Zehntelsekunde, ob er mit seiner bepinkelten Hose hinterherlaufen sollte, aber dann siegte sein Pflichtgefühl über seine Scham und er legte einen Sprint hin, dem Max nach. Der hatte sich zu den Bahnsteigen gewendet und er erreichte die Gleise ein paar Sekunden vor dem Marvin. Auf einem der Bahnsteige war soeben ein Regionalexpress nach Krems abgefertigt worden und der Zug setzte sich in dem Moment in Bewegung. Den wollte er noch erreichen. Aber es war ein Triebwagenzug und die Türen waren alle verriegelt.

Ein Bahnbeamter, der die Abfahrt überwachte, sah, dass Max versuchen wollte aufzuspringen und rief sofort: „Aufspringen geht nicht mehr! Türen sind verriegelt!“
Der Junge blieb stehen, drehte um und lief auf den Schaffner zu. „Helfen Sie mir“, sagte er außer Atem. „Da ist einer mit angepinkelter Hose hinter mir her! Und vor dem Bahnhof steht das Auto meiner Mutter, das haben die Gangster gestohlen!“
Da war sein Verfolger schon da und ergriff wieder seine Hand. Max brüllte auf: „Sie Schweinigel! Lassen Sie mich lo!“
„Selber Schweinehund!“, rief Marvin. „Schifft mich da an, der Verbrecher!“
„Na, war doch wirksam! Sie haben mich wenigstens los gelassen!“, sagte Max grinsend. „Und Sie holen jetzt besser die Polizei“, wandte sich Max an den Bahnbeamten. „Und mein Handy hätt' ich auch gern wieder! Ich muss die Mami verständigen.“
„Was hast du da von einem gestohlenen Auto gesagt?“, fragte der Eisenbahner.
„Steht vorm Bahnhof auf dem Gehsteig“, sagte Max. „Der Citroen meiner Mutter! Knallrot und mit dem Kennzeichen W-HAAS82. Weil meine Mutter ist Jahrgang 82.“
„Sollten wir uns ansehen“, meinte der Schaffner.
„Blödsinn!“, widersprach Marvin. „Da sitzt mein Freund Marko drin. Dem gehört der Wagen auch!“
„Na, kommen S' einmal mit“, sagte der Eisenbahner.

Da begann Marvin zu laufen. Wie der Blitz war er zwischen den Fahrgästen durchgekurvt und verließ das Gebäude durch den Haupteingang. Der Eisenbahner holte sein Handy heraus und rief den Notruf 144. Er erzählte dem Polizisten am Telefon, dass da angeblich ein gestohlener Wagen vor dem Franz Josef Bahnhof stünde, ein knallroter Citroen mit dem Kennzeichen W-HAAS82. Der Polizist versprach, umgehend einen Funkwagen zu schicken. Mit dem Kind lief er hinaus auf den Platz vor dem Bahnhof. Da fuhr der knallrote Citroen gerade weg und reihte sich in die Alserbachstraße in Richtung auf das Allgemeine Krankenhaus zu ein. Max sekkierte den Bahnbeamten, er möge ihm sein Handy borgen. Damit rief er seine Mutter an. Diese saß bereits im Taxi und war unterwegs zum nächsten Wachzimmer.
„Die Schmier ist schon verständigt“, verkündete er. „Und ich bin den Gangstern abgepascht. Jetzt bin ich am Franz-Josefs-Bahnhof, aber dein Wagen is' weg. Hoffentlich is' die Schmier bald da, die können deinen Wagen vielleicht noch einholen. Ja, Max das Genie hat schon alles erledigt und das ausgebessert, was du verbockt hast!“
Die Mami versprach, sofort zum Bahnhof zu kommen. Aber da kam gerade das Polizeiauto und der Beamte stellte es auf dem Gehsteig ab, gerade dort, wo Marko geparkt hatte. „Die Kieberei is schon da! Na, werd ich denen halt ein' Tipp geben, damit du dein Auto bald wieder hast.“
Ja, wie er denn das machen wolle, verlangte die Mami zu wissen.
„I hab was g'hört von den Gangstern“, sagte Max und legte auf.
Dann führte er ein Gespräch mit den beiden Polizisten vom Streifenwagen und erzählte ihnen, dass er gehört habe, was der Fahrerseinem Kumpan beim Einsteigen gesagt hätte: „Den Wagen soll der Zlatko gleich noch heute vom Arsenal nach Serbien bringen.“
Der Kommandant des Funkwagens organisierte daraufhin einige Streifenwagen, die um das Arsenal Aufstellung nehmen und den knallroten Citroen W-HAAS82 verfolgen sollten.

Und dann war plötzlich das Taxi mit der Mami da.
„Ich hab alles im Griff!“, verkündete Max stolz. „Deinen Wagen haben wir gleich wieder!“
Die Mami wirkte etwas derangiert, denn die Aufregung um den Autodiebstahl war doch etwas viel für sie gewesen. Offensichtlich hatte sie ein paar Tränen verdrückt, denn sie musste sich mehrmals schnäuzen.
„Mach dir nix draus, Mami, dein Auto hast du bald wieder!“, sagte Max zuversichtlich.
„Hauptsache, du bist da!“, sagte sie und schmuste ihren Max ein wenig ab. Und der Inspektor vom Streifenwagen strich dem Max über's Haar.
Und Max sagte: „War doch genial, dass ich den Gangster angepinkelt hab!“ Und der Inspektor lachte.
Dann bekam die Besatzung des Streifenwagens eine Meldung von ihren Kollegen: Der auffällige knallrote Citroen fuhr auf dem Gürtel nach Süden – und der Streifenwagen war hinter ihm her.

Der Rest der Geschichte ist relativ rasch erzählt: Die Polizeiwagen sprachen sich miteinander ab, ein Fahrzeug wartete am neuen Hauptbahnhof, ein zweites verfolgte den Citroen. In der Arsenalstraße ging die Fahrt weiter und der rote Citroen bog schließlich in die Lilienthalgasse ein und fuhr in die Faradaystraße weiter. Dort bog er auf ein Grundstück ab – und hier erfolgte der Zugriff. Die Polizisten konnten auch den Zlatko Ibrahimovic festnehmen, der bereits vielfach gestohlene Pkw nach Subotica gebracht hatte.
Und damit war eigentlich alles in Ordnung. Max und seine Mutter fuhren mit dem Taxi in die Faradaystraße, wo Birgit ihren Wagen wieder übernehmen konnte. Der Eisenbahner vom Franz-Josefs-Bahnhof erhielt zum Dank eine ihrer Zeichnungen, über die der Mann denn auch sehr erfreut war.
Und Max bekam eine große Tafel Schokolade.

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