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Kunstgeschichte und Beruf: Was mache ich mit meinem Studium? Universität

Wie und zu welchem Ende studiert man Kunstgeschichte? Eine Frage, die nicht nur Absolventen des Fachs interessiert, sondern auch Anfänger. Wir haben bei Kunsthistorikern aus verschiedenen Bereichen nachgefragt und stellen ihren Berufsalltag in einer Interviewreihe vor. Dieses Mal ist Elisabeth Fritz an der Reihe. Sie forscht und lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Elisabeth Fritz © Foto: Melanie Stegemann
Elisabeth Fritz © Foto: Melanie Stegemann

Frau Fritz, Sie haben ein Doppelstudium absolviert und sowohl in Kunstgeschichte als auch in Soziologie einen Magisterabschluss. Promoviert haben Sie dann 2012 in Kunstgeschichte zu medialen Experimenten mit »echten Menschen« in der zeitgenössischen Kunst. Die Themenwahl lässt vermuten, dass Sie sich nicht für das eine und gegen das andere Studienfach entschieden haben, sondern dass Sie bewusst an den Schnittstellen forschen.

Ja. Mein Interesse war von Anfang an für beide Studienfächer gleich groß. Und so sind für mich die Schnittstellen von Kunst und Gesellschaft, von soziologischen und kunstwissenschaftlichen Theorien auch ein wichtiger Schwerpunkt meiner Forschung geblieben. Mich reizt die Auseinandersetzung mit sozialen Kategorien im kunsthistorischen Kontext und natürlich auch die Frage, welche Rolle Kunst in der Gesellschaft spielt. Welche Wirkungen und Bedeutungen hat und hatte sie? Und umgekehrt: Wie spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen in der Kunst wider?

Seit 2012 sind Sie wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Jena. Können Sie für uns eine typische Arbeitswoche skizzieren? Gibt es so etwas überhaupt?

Eine typische Arbeitswoche gibt es nicht, aber ich habe schon gewisse Routinen. Hierbei muss man die Vorlesungszeit von der vorlesungsfreien Zeit unterscheiden: Während des Semesters fängt meine Woche meistens damit an, dass ich letzte Vorbereitungen für meine beiden Seminare treffe, Texte noch einmal lese und Bildmaterial zusammenstelle. Um diese zwei Lehrveranstaltungen und eine Sprechstunde herum, habe ich dann die Woche über einige Aufgaben, die mit Verwaltung und Organisation zusammenhängen. Zum Beispiel die wöchentliche Lehrstuhlbesprechung oder Gremienarbeit innerhalb der Fakultät bzw. der Universität. Ich bin Mitglied im Bibliotheksausschuss und stellvertretendes Mitglied im Fakultätsrat. In regelmäßigen Abständen gibt es auch einen Institutsrat, wo u.a. das Lehrprogramm und die Weitergestaltung unserer Studiengänge besprochen werden. Darüber hinaus kümmere ich mich auch um die allgemeine Studienberatung, also um alle Fragen zur Organisation des Studiums, insbesondere für die Erstsemester. Neben diesen ganzen Terminen bleiben dann ein bis zwei Tage für die eigene Forschungsarbeit. Im Moment ist das verstärkt mein Habilitationsprojekt. Aber es gibt auch immer Publikationen, an denen man zusätzlich arbeitet, Vorträge, die man hält, Tagungen, die man organisiert oder besucht usw. In der vorlesungsfreien Zeit dreht die Zeiteinteilung sich dann ein bisschen zugunsten der eigenen Forschung. Da hat man auch mal Zeit, um in Ruhe an eigenen Texten zu schreiben, tiefer in die Fachlektüre einzusteigen, Forschungsanträge zu verfassen oder kleine Forschungsreisen zu machen. Aber auch hier muss man die Lehrveranstaltungen des kommenden Semesters vorbereiten. Und natürlich fällt in diese Zeit auch ein Großteil der Lektüre und Bewertung der Hausarbeiten sowie Abschlussarbeiten.

Diese Vielzahl an organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben neben Forschung und Lehre – ist das immer Bestandteil des Jobs einer wissenschaftlichen Assistentin, oder ist das freiwillige Zusatzarbeit?

In gewissem Sinne ist das zentraler Teil dieses Berufsfeldes und die Übernahme von organisatorischen Aufgaben wird somit erwartet – jedenfalls in Bezug auf die Arbeit für den Lehrstuhl bzw. das Institut. Natürlich wird man nicht zur Mitarbeit in Gremien gezwungen, höchstens gebeten. Und im Normalfall empfindet man diese Arbeit ja nicht nur als reine Pflichtübung, sondern macht das alles auch gerne. Es geht schließlich darum, das Studium und die Strukturen der Universität mitzubestimmen, was unglaublich spannend ist. Wenn man möchte, dass eine Uni autonom ist, sich selbst verwaltet und entscheidet, wie Mittel eingesetzt werden und was den Lehrplan bestimmen soll, dann muss man auch bereit sein, diese Arbeit zu machen. Natürlich ist das oft etwas formell und man muss z.B. Protokolle schreiben und in langen Sitzungen dabei sein. Das ist vielleicht nicht immer die schönste Zeit. Aber man bestimmt dadurch ja auch mit, wie der eigene Arbeitsplatz in Zukunft aussehen wird.

Trotzdem – das hört sich nach einem enormen Arbeitspensum an. Haben Sie ein Wochenende?

Ja, Freiräume schaffe ich mir ganz bewusst. Sicher gibt es auch Wochenenden, an denen ich weiterarbeite, weil wichtige Dinge nicht warten können oder man unter der Woche nicht die nötige Ruhe dafür findet. Aber das schöne an meiner Arbeit ist, dass ich sie größtenteils selbstständig einteilen kann. Man erledigt dann auch mal Dinge am Wochenende, um dafür unter der Woche mehr Spielräume zu haben. Außerdem hat man bei vielen Aufgaben eine Flexibilität den Arbeitsplatz betreffend, muss also nicht für alles vor Ort im Büro anwesend sein.

Von 2008 bis 2009 waren Sie bereits Universitätsassistentin und Lehrbeauftragte am kunsthistorischen Institut der Universität Wien. Wodurch hat sich ihr damaliger Arbeitsalltag vom heutigen unterschieden?

Damals hatte ich nur eine halbe Stelle als Vertretung und es war von Anfang an klar, dass mein Vertrag befristet ist. Ich hatte nur eine Lehrveranstaltung und daneben die Zuarbeit für den Professor, dessen Assistentin ich war. Ich war sehr viel weniger in die eben ausgeführten organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben der Uni eingebunden und konnte die Zeit vor allem dazu nutzen, mein Dissertationskonzept auszuarbeiten, um mich auf Stipendien bewerben zu können.

Gab es bei Ihnen irgendwann eine bewusste Entscheidung für eine Karriere an der Universität?

Seit meiner Kindheit hatte ich das Interesse Lehrerin zu sein. Verändert hat sich im Laufe der Jahre nur, wo und in welchem Bereich ich Lehrerin sein wollte – je nachdem in welchem Umfeld ich mich gerade selbst bewegt habe. Während meines Studiums wurde es dann mein höchstes Ziel an der Universität zu arbeiten. Ich habe parallel eine Zeitlang in Museen gearbeitet und vielleicht hätte sich auch dort die Möglichkeit ergeben, Fuß zu fassen. Aber eigentlich war mir klar, dass ich, wenn ich es schaffe und sich die Möglichkeit ergibt, lieber an der Universität bleiben möchte.

Was sind ihrer Meinung nach die ersten wichtigen Schritte auf der universitären Karriereleiter?

Es ist, glaube ich, ganz wichtig, dass man eine Begeisterung für das Fach hat, die über den Besuch und die Absolvierung der Pflichtseminare hinausgeht. Man sollte außerdem von Anfang an aktiv sein: zum Beispiel auf Tagungen, zu Ausstellungen oder Vorträgen gehen und schauen, welche Forscher und Forschungsansätze es überhaupt gibt und welche Themen gerade behandelt werden. Auch die selbstständige Lektüre und Erarbeitung von Bereichen, die einen interessieren, sind wichtig. Und man sollte von Anfang an in Diskussion und Austausch mit Kommilitonen und Dozenten treten, Interesse zeigen und eigene Fragestellungen formulieren. Spätestens während der Dissertation wird es wichtig, auch nach außen in Erscheinung und in Kontakt mit anderen Forschern zu treten. Man sollte z.B. schauen, wo man bei Tagungen oder Summer Schools sprechen kann, da ergeben sich wichtige Netzwerke und vielleicht erste Publikationsmöglichkeiten. Ich finde es auch gut, möglichst früh einen Lehrauftrag anzustreben. Das hilft bei der Ausarbeitung und Reflexion der eigenen Themenbereiche und kann eine erste wichtige Erfahrung sein, wenn man entscheiden möchte, ob einem dieses Berufsfeld liegt.

Sie haben eine Reihe an Stipendien und Preisen für Ihre Forschungsarbeit erhalten. Welche Rolle spielen solche Auszeichnungen?

Auch hier gilt: für diese Auszeichnungen, Preise und Stipendien muss man sich im Regelfall aktiv bewerben. Grundvoraussetzung ist also erst einmal, dass man davor nicht zurückschreckt und ein gewisses Selbstbewusstsein bezüglich der eigenen Arbeit hat. Es gehört auch dazu, dass man mal abgelehnt wird, das kennen alle Wissenschaftler – das ist nur nach außen weniger transparent. Bei Stipendien geht es ja in erster Linie darum, sich eine Finanzierung der eigenen Arbeit zu sichern. Nur durch mein dreijähriges Promotionsstipendium konnte ich ganz konzentriert an meiner Dissertation arbeiten. Ein anderer wichtiger Aspekt ist natürlich, dass man durch Preise und Auszeichnungen eine Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Arbeit erfährt, die einen beim Weitermachen bestärkt. Man bekommt bestätigt, dass man wertvolle Arbeit leistet. Und nicht zuletzt sind dies Auszeichnungen auch immer für die Reputation und Sichtbarkeit nach Außen von Vorteil.

Sie waren während und nach dem Studium als kuratorische Assistenz und Kunstvermittlerin in unterschiedlichen Museen in Wien tätig. Inwiefern war diese praktische Erfahrung hilfreich für die Arbeit an der Universität?

Ich glaube, man muss sich bewusster machen, dass nicht allein an Universitäten, sondern auch in Museen wissenschaftliche Arbeit auf hohem Niveau geleistet wird. Ich finde es jedenfalls eine sehr gute Entwicklung, dass die Zusammenarbeit von Universität und Museum stärker zu werden scheint. Ich kenne viele Wissenschaftler, die parallel in beiden Bereichen arbeiten. Während meiner Zeit in den Museen hatte ich viel Kontakt und Austausch mit Künstlern. Das waren zentrale Erfahrungen, bei denen ich ein ganz eigenes Verständnis für künstlerische Produktionsprozesse und den Umgang mit Kunst gewinnen konnte. Dinge, die man aus Büchern so nicht herauslesen kann. Gleiches gilt für die Kunstvermittlung, die eine gute Vorbereitung für meine Lehre war. Hier habe ich gelernt über Kunstwerke zu sprechen, sie für Publikum aufzubereiten, spontan auf Fragen zu reagieren, wenn auch mit einer anderen Zielsetzung als in der Lehre. Und natürlich bleiben die gesammelten Kontakte wichtig: Man wird vielleicht zu Vorträgen oder Publikationen eingeladen oder kann mit seinen Studenten Ausstellungen besuchen, in Kooperation ein Seminar machen und so weiter.

Welche negativen oder positiven Entwicklungen konnten Sie bezüglich der kunsthistorischen Ausbildung an den Universitäten seit Beginn ihrer eigenen Ausbildung beobachten?

Für das Bachelor-Master-System muss ich leider diagnostizieren, dass es inhaltlich oberflächlicher geworden ist. Ich habe das Gefühl, dass man zu meiner eigenen Studienzeit noch eine breitere Grundlagenausbildung hatte. Man konnte sich tiefergehend auf Themen eingelassen und hat sich beispielsweise viel mehr Zeit für eine umfassende Lektüre zum eigenen Referatsthema genommen. Positiv ist aber, dass die Ausbildung insgesamt praxisbezogener geworden ist. Man ist mobiler und die Studenten sind meist zielstrebiger. Ich bin oft sehr beeindruckt, wenn ich mir Lebensläufe von sehr jungen Studentinnen und Studenten anschaue, wie viele Praktika, Auslandsaufenthalte und zusätzliche Tätigkeiten zum Studium sie vorweisen können.

Sie haben bereits viele wertvolle Hinweise für die ersten Schritte auf der universitären Karriereleiter genannt. Haben Sie noch einen abschließenden Tipp?

Das wichtigste ist wirklich die Begeisterung für das Fach. Damit verbunden ist dann Eigeninitiative und Selbstorganisation. Man muss bereit sein, viel Engagement über das Pflichtprogramm hinaus aufzubringen und immer aktiv zu bleiben. Ganz enthusiastisch formuliert: man braucht dieses Brennen für das Fach und die Wissenschaft an sich, denn nur das trägt einen auch durch manchmal schwierige Arbeitsphasen oder prekäre Beschäftigungsbedingungen. Diesbezüglich kann es auch gut sein, auf mehrere Standbeine zu bauen bzw. auszuprobieren, wo sich die eigenen Fähigkeiten und Interessen vielleicht noch einbringen lassen. Grundsätzlich sehe ich die vielen unterschiedlichen Wege und Aufgabenbereiche der universitären Laufbahn, die keineswegs immer nach dem gleichen Muster abläuft, jedoch sehr positiv und optimistisch.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

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