Ausstellungsbesprechungen

Kunstherzen im Schloss Ludwigsburg (Keramiksammlung / Attica-Räume), bis 25. April 2011

Ein Kinderherz ist unschätzbar. Messbarer sind dagegen die über 50, zehn Kilogramm schweren Keramikherzen, die von der Stiftung KinderHerz an ebenso viele Künstler verteilt wurden. Die hatten sichtlich Spaß an der herzhaften Aufgabe, aus der Töpferware ganz irdische Kunst zu machen, die ein weites, aber eigenwilliges Panorama der gegenwärtigen Kunstlandschaft widerspiegelt: bemalt, geritzt, getuscht, collagiert, ausgehöhlt, angebohrt, gewachst, eingekistet, beklebt, gefedert, gezuckert, gepflastert – nicht immer kitschfrei, in jeder Hinsicht kunstsinnig. Günter Baumann hat sich diese reizvolle Projekt-Ausstellung angesehen.

Das Spendenprojekt reflektiert sinnfällig eine Tragödie innerhalb unserer Gesellschaft: Die Teilnehmerzahl der Ausstellung verweist auf die über 50 heute bekannten Herzfehler, die auch Kinder treffen können – rund 7000 davon zählt die Statistik alljährlich in Deutschland. Die Kunst-Herz-Aktion hilft, den Fällen eine Geschichte zu hinterlegen, die Problematik des Kunstherzens ins Gespräch zu bringen und unterm Strich Geld zu sammeln. Unter landespolitischer Schirmherrschaft steht die Schau der »KunstHerzen Baden-Württemberg«, die Pendants in Berlin-Brandenburg und Schleswig Holstein kennt. Die südwestdeutsche Ausrichtung lässt sich in ihrer Qualität und Vielfalt sehen: Matthias Beckmann ritzte sich recht freisinnig »Ein Herz für Tiere«; Harald Björnsgard gepflastertes Herz ähnelt dem energiegeladenen Eisenobjekt von Thomas Putze, das etwa 40 auf 40 Zentimeter große Herz in Stahl; auch das duo-erprobte Künstlerpaar Isa Dahl und Wagenblast sind mit von der Partie, sie mit einem sensibel in Kreide gezeichnetem Kunstorgan, er mit einem hölzern-sympathischen Weltenfahrer im aufgesägten Keramikherz; Peter Degendorfer als Meister der reinen Peinture setzt Farbmarken; die Satiriker von den Filderbahnfreundenmöhringen nehmen sich der Verpackung des Herzens an; Jörg Mandernach legt ein Schriftband darum mit der Inschrift »… the art is where the heart is where the art is …«; Susanne Messerschmidt rückt dem wertvollen Keramikmuskel mit Latex bei; der Bildhauer Karl Ulrich Nuss schafft eine sich räkelnde weibliche Figur über dem irdenen Gut; Hannes Steinert setzt auf gemalte Luftballons; Gunther Stilling und Jan Peter Tripp auf bedrohlichen Herz-Schmerz und Xianwei Zhu erinnert mit seinen Herztiteln »Kindheit I« und »Kindheit II« an kindliche Ängste und Verdrängungen.

Wenn sich die Grundform auch gleicht, so haben alle Künstler Unikate geschaffen, die jedes für sich den Puls spüren lassen, der in jeder Hinsicht von Herzen kommt. Wer die Ausstellung als gewitzte Herz-Parade ansehen will, kommt zu seinem Vergnügen, wie der Sammler auf seine Kosten kommt: Großzügige Spender erhalten eines der Herzen als Dauerleihgabe, doch legen die Veranstalter auch Wert auf kleine Gaben, die mit einer Postkartenedition belohnt werden. »Man kann also«, so die Organisatorin der Aktion Regine Koch-Scheinpflug, »sein Herz im Großen und im Kleinen verlieren« – und das heißt natürlich: es zu erwerben. Das ist mehr als ein guter Zweck. »Ein leistungsfähiges Herz ist etwas vom wichtigsten, was ein Mensch braucht«, meint Koch-Scheinpflug, und die Künstler haben hier symbolisch Hand angelegt.

Weitere Künstler der Schau: Alfred Bast, Heide Bihlmaier, Johannes Braig, Sabine Braun, Monika Braunert, Paul Breinig, I.K.H. Diane, Herzogin von Württemberg (DxDiane), Wolfgang Ehehalt, Heike Endemann, Marlis Glaser, Gyjho, Erwin Holl, Ibrahim Kocaoglu, Michaela Kern, Stefan Knaus, Justyna Koeke, Salla Kuhmo, Erich Mansen, Denise Moriz, Raphael Pohland, Hans Werner Stahl, Daniel Rau, Sebastian Rogler, Uwe Schäfer, Roland Schauls, Hedi Schwöbel, Monika Sigloch, Vilja Staudt, Menja Stevenson, Horst Strümann, Thomas Weber, Mirja Wellmann, Daniel Wenk, Gert Wiedmaier, Christa Winter, Bettina Yagmur, Mehmet Yagmur, Uli Zeh

Weitere Informationen:

Geplant sind weitere Ausstellungen der KunstHerzen in Baden-Württemberg, u.a. in Konstanz (Oktober 2011: Bodenseehalle), Tübingen (2012) und auf der Insel Mainau sowie jeweils ein Rahmenprogramm und Aktionstage. Anekdotisch lesenswert ist die Begleitbroschüre, die auch einen Eindruck von den Exponaten gewährt.

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