Ausstellungsbesprechungen

Laib, Wolfgang: Das Vergängliche ist das Ewige

Berge aus leuchtenden Blütenpollen, Steine aus Milch, Pyramiden aus Bienenwachs, das ist keine Landschaft aus einem Märchen, sondern die Ausstellung „Das Vergängliche ist das Ewige“ von Wolfgang Laib. Die Fondation Beyeler präsentiert als erstes Schweizer Museum eine Retrospektive mit rund 20 raumbezogenen Arbeiten sowie um die 30 Zeichnungen und Fotografien.

Wolfgang Laib, der vehement verneint, ein Zen-Mönch, oder ein Buddhist zu sein, und der „Franz von Assisi unheimlich gut findet“ ist genauso geprägt von östlichen Riten, Formen und Weisheitslehren wie von den Künstlern der Moderne und er ist der bisher jüngste Künstler, dem die Fondation Beyeler eine Einzelausstellung widmet.

Der Duft von Bienenwachs umhüllt alle Räume der Ausstellung, es liegt etwas Beruhigendes, etwas Natürliches, etwas Schönes in der Luft. Die Schönheit und Faszination der Natur spiegelt sich gleich in den ersten beiden Werken wider und setzt gleichzeitig einen Kontrastpunkt. Ein „Welten-Ei“ wie Laib den massiven Steinbrocken nennt, der Ähnlichkeit mit einem überdimensional großen Ei besitzt und Millionen von Jahren alt ist, markiert 1977 den Beginn seiner Karriere. Gleich daneben liegt der „Milchstein“, quadratisch glänzend, er könnte auch ein Designstück aus einem Möbelladen sein und es ist nicht auf den ersten Blick klar, wo sich die Milch befindet. Dieser flache Quader aus weißem Marmor weist oben eine leichte Vertiefung auf, die täglich mit Milch aufgefüllt wird. Der Unterschied der Materialien ist von einem spannenden Gegensatz und doch so harmonisch, eine perfekte Ergänzung von organisch und anorganisch, dauerhaft und vergänglich.

Laibs wohl berühmteste Werke, die „Blütenstaubfelder“ leuchten und strahlen schon von weitem. Der erste Eindruck ist überwältigend. Eine gelb leuchtende Essenz aus Blütenstaub liegt in Rechtecken auf dem Boden ausgestreut. Sanft und puderig verschwinden die Grenzen und so entsteht das Bild einer losgelösten und schwebenden Materie. Der Künstler sammelt die Pollen selbst auf den Wiesen seiner oberschwäbischen Heimat und bewahrt sie in Gläsern auf; bei jeder Ausstellung wird er sorgfältig ausgestreut, dann wieder eingepackt und gereinigt. „Ich bin immer sehr enttäuscht, wenn die Leute ihn lediglich als visuelle, ästhetische Erfahrung sehen“ so der Künstler. Die nordamerikanischen Navajos glauben daran, dass die Macht der Pollen den Frieden wahren kann und „der Pollenweg“, so der Medizinmann „ führt zur Wiederherstellung von Harmonie und Schönheit“. Dies ist besonders für die „fünf unbesteigbaren Berge“ zutreffend: fünf 7 cm hohe Kegel im Abstand von 20 cm reihen sich auf einer Achse auf. Anmutig strahlen die sonnengelben Gipfel und es scheint, als ob sie mehr bewirken wollen als nur schön zu sein. Die Zahl Fünf erinnert an die Geomythologie des alten China, wo die Vertreter des Ewigen Jadekaisers auf Erden über die fünf heiligen Berge des Landes herrschten. Diese Miniatur-Berge sind zwar nicht besteigbar, aber wenn man bedenkt, dass sie aus vielen winzigen kleinen Pollen zusammengesetzt sind, bekommen sie eine ganz neue Dimension.

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Ähnliche Hügellandschaften bieten die „Reismahlzeiten“: länglich angeordnete, mit Reis gefüllte Messingteller, wobei sich hier ein Pollenberg eingeschlichen hat. Im Gegensatz zu den ersten Werken, die zur stillen Betrachtung anregen, kann man die Reishäufchen entlanggehen, sie führen uns wie ein Wegweiser zu Wolfgang Laibs größeren Werken. Der Duft von Bienenwachs, der die Ausstellungsräume erfüllt, verdichtet sich und plötzlich stehen sie da, größer als erwartet: die Wachspyramiden. Gleich nebenan steht einer der realisierten Wachsräume, ein länglicher, ganz mit Wachs ausgekleideter, leerer Raum, der Sanftheit und Wärme ausstrahlt, aber auch Stille und Besinnung auf das Wesentliche. Wolfgang Laib hat ein Jahrzehnt geträumt, bis sein Traum, von einem Wachsraum in der Landschaft wahr wurde. In den östlichen Pyrenäen fand er eine Stelle, an der er 1999 seinen Traum verwirklichen konnte, und eine Höhle ganz mit Wachs auskleidete. Es gibt jedoch seit neuestem noch ein Wachsraum auf dem idyllischen  Grundstück des Künstlers und ist nach einem Gang durch Wald und Wiesen zu erreichen. Für Laib hat dieser Raum etwas von einem Schiff, mit dem man eine Reise unternehmen kann oder einem weiblichen Schoss, denn betritt man den komplett mit Bienenwachs ausgekleideten Raum wird man automatisch zu dessen Inhalt.

Rätselhaft und verschlossen präsentiert sich eine andere Werkgruppe im White Cube: „Treppen“ und „Zikkurats“ ragen in die Höhe, manchmal sind sie mit Wachs oder mit farbigen Lack überzogen. Diese Konstruktionen sind von unterschiedlicher Größe und nicht begehbar. Sie könnten eine Verbindung zwischen Himmel und Erde sein. Aufschlussreicher sind die „Wachsschiffe“, die auf hohen Holzgestellen im Foyer des Museums präsentiert sind. Sie zeigen dem Besucher nicht nur den Weg zur Ausstellung, sondern nehmen ihn gleichzeitig mit auf die Reise. So wie im alten Ägypten die Pharaonen mit Schiffen in die andere Welt segelten, so thematisiert dieses Werk von Laib den „White Cube“ als einen Ort, dessen Grenzen überwindbar sind.

 

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