Ausstellungsbesprechungen

Luxus und Lustbarkeiten des Rokoko – Herzog Carl Eugens Venezianische Messe

Der Herzog Carl Eugen hatte recht merkwürdige Anwandlungen – ein künstliches »Dörfli« mit menschlicher Staffage für die Lieblingsmätresse – und zudem Allüren nahezu imperialen Ausmaßes, die einen Dichter wie Schubart ohne Verurteilung in den Knast – und danach in die Direktion einer Hofbühne – brachte und ein Junggenie wie Schiller in die Flucht (ins benachbarte Mannheim) trieb, während er die Künste in großem Stil förderte.

Venezien am Neckar, Maskengruppe, Fotografie: P. Frankensteiner / H. Zwietasch
Venezien am Neckar, Maskengruppe, Fotografie: P. Frankensteiner / H. Zwietasch

Nun hat es schon fast etwas von einer Schrulle, wenn dieser Jackentaschendespot nicht nur 1768 die venezianische Messe an den Neckar, genauer in die Residenzstadt Ludwigsburg und dann von 1776 bis 1793 nach Stuttgart verlegte, um für die Dauer von jeweils 14 Tagen gepflegt »seidne Attlas und neumodisches Zeuge« sowie »Porcelaine« und allerhand andere Waren einkaufen zu können. Er ließ dieses bunte Treiben auch in der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur in atemberaubender Feinarbeit kleinformatig nachbilden – in Hunderten von Figuren und zig Szenerien. Gegen diese rokokoverspielten Kleinstplastiken wirkt eine Modelleisenbahn wie ein plumper Nachgeschmack besserer Zeiten.

Anlass dieser wunderbaren Ausstellung ist das 250. Gründungsjubiläum der Manufaktur, die unglücklicherweise just in diesen Tagen Insolvenz anmelden musste. Welch Jammer, betrachtet man jene herrlichen Erzeugnisse aus diesem Hause, die im Stuttgarter Landesmuseum zu sehen sind – ein Genuss, den man wahrscheinlich nie mehr in einer solchen Vollständigkeit betrachten kann. Geben die »ausgewachsenen« Geschirrteile, Kleidung und Pläne bzw. Textdokumente bis hin zu Kuriositäten einen unaufdringlichen Eindruck davon, was man tatsächlich auf dieser alle zwei Jahre stattfindenden Messe kaufen oder auch nur angucken konnte, wird in den Vitrinen das damalige Alltagsleben selbst in zugegeben idyllischer Verniedlichung wiedergegeben: Hingerissen entdeckt der Besucher in den Buden Stoffballen, Hüte, Socken bis hin zu Büchern, Obst und Gemüse wartet in großen Körben, an den Tischen turteln die Menschen untereinander, oder sie zechen und spielen, wo sie nicht grade flanieren. Ein Genuss dürfte die Schau auch beim Familienbesuch sein, da die Präsentation so locker und leicht geraten ist, dass das Erleben von Geschichte – und das sei hier nicht so dahin gesagt – für alle Altersklassen möglich ist. Bedauerlich mag allein sein, dass die Augenhöhe beim erwachsenen Besucher Maß nahm; für kleinere Kinder sind die Vitrinen schlicht zu hoch. Ihnen bleibt dann immerhin noch das Nachblättern im außerordentlich liebevoll gemachten Katalog, der noch einmal in diesem Ausstellungskontext in Staunen versetzt: Diese Kleinodien der Porzellankunst aussagekräftig zu fotografieren, ist ein Meisterleistung für sich.

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