Ausstellungsbesprechungen

Lyonel Feininger – Aquarelle und Federzeichnungen aus der Sammlung Dr. Hermann Klumpp. Lyonel Feininger Galerie, Quedlinburg, bis 27. Juni 2010

Der Bestand der Lyonel-Feininger-Galerie, die Sammlung Dr. Hermann Klumpp, zählt bekanntermaßen zu den weltweit umfangreichsten und bedeutendsten Konvoluten an druckgrafischen Arbeiten Lyonel Feiningers. Im Vordergrund steht hier vor allem das nahezu vollständig vorliegende Holzschnittwerk mit einer Vielzahl von Probe- und Zustandsdrucken. Leicht übersieht man, dass die etwa 60 Aquarelle und Federzeichnungen in gewisser Weise den heimlichen Schatz der Sammlung darstellen, handelt es sich doch bei den Arbeiten um kostbare Unikate aus der Reifezeit des Künstlers. Günter Baumann hat sich der Ausstellung angenommen.

»Ich besitze 10000 Skizzen aus Deutschland – von Weimar und Thüringen, und von der Ostsee vor allem, und ich lebe in ihnen täglich«, schrieb Lyonel Feinigner im August 1954 an Gerhard Marcks. Kaum ein Künstler hat den Ostsee-Raum in seinem Werk so geprägt, der Landschaft seinen ganz eigenen Stil aufgedrückt wie dieser Bauhaus-Einzelgänger. Die Quedlinburger Lyonel-Feininger-Galerie, die über die wohl schönste Sammlung des Künstlers verfügt, lockt mit Federzeichnungen und Aquarellen, die zu Unrecht im Schatten dieser Sammlung Dr. Hermann Klumpp stehen, deren Hauptaugenmerk auch auf den Holzschnitten liegt. Nachdem hier bereits der begnadete Karikaturist Feininger gezeigt worden war, war es zwar nicht selbstverständlich, aber eine kleine Verbeugung, nun auch eine weitere Seite des Malers deutlicher ins Licht zu stellen: rund 70 von feinsten Strichen rhythmisierte aquarellierte Blätter vorwiegend von Pommerns Küsten und zu anderen Meeresthemen. Erstaunlich ist dabei die einzigartige Wahrnehmung, die selbst die Landschaften fast karikaturhaft wirken lassen – man sehe sich beispielsweise die hinreißend überzeichnete »Old Windmill« vor gelbem Hintergrund an, die eine Kulisse für manche Zeichentrickfigur abgeben könnte. Dabei entspricht auch dieses Segment, das noch nie so vollständig zu sehen war, dem charakteristisch zugespitzten malerischen Werk, dessen konstruktiven Bilderfindungen doch in der Gesamtheit immer formal ausgewogen sind.

Obwohl schon in den 1920er und 30er Jahren entstanden, sind Feiningers Bilder so frisch wie eh und je – möglicherweise wird man das noch eher empfinden, wenn man mit der Landschaft weniger vertraut ist und mehr Raum für Vergleichswerke eines Caspar David Friedrich hat. Wie auch immer: Zum einen zeugen die Arbeiten von der inspirierenden Phase des Künstlers nach seinem Umzug von Weimar nach Dessau und der persönlichen Entdeckung der Region um den kleinen Ostseeort Deep. Hier gelang ihm die Verschmelzung von Bauhausideen mit der Romantik - was sonst allenfalls Paul Klee gelang. Und hier traf sich Feininger auch ab 1930 mit Hermann Klumpp, der zum wichtigsten Sammler seiner Kunst werden sollte. Die Freundschaft beider hat manches Bild in der Entstehungsphase beflügelt oder sogar hervorgerufen. Das alles ist auch ein Grund dafür, dass die Ausstellung genügend Raum bereit hält für persönliche Fotos und Briefmaterial, die sowohl die Bedeutung der Sammlung wie auch den Rang Feiningers als Zeichner unterstreichen. Konkret finden sich in der Schau neben den Seelandschaften auch Einblicke in Stadtmotive von Kolberg, Lübeck, Stralsund oder Teptow sowie auch mal ein »Thüringisches Dorf«

Der Katalog, den der Feininger-Kenner Björn Egging verantwortet, legt sein Hauptgewicht auf die Bilder, ergänzt von knappen informativen Texten und wenigen, aber trefflich gewählten Fotos. Davon hätten es sicher mehr sein dürfen, doch ist es auch wohltuend, sich im handlichen Format auf die Zeichnungen und Aquarelle zu konzentrieren. Wer noch die Gelegenheit hat, die Ausstellung zu sehen, kann sich auch den kontrastreichen Übergang zu den Linolschnitten von Lubok antun, die wohl besser zu den reinen Karikaturen Feiningers gepasst hätten, aber für sich betrachtet außerordentlich originell, obendrein technisch exklusiv (trotz des reproduktiven Mediums) und so vielschichtig sind, dass man sich auch hierfür Zeit nehmen sollte.

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