Ausstellungsbesprechungen

Margret Eicher. Once Upon a Time in Mass Media, Angermuseum Erfurt, bis 15. Juni 2014

Die deutsche Medienkünstlerin Margret Eicher verknüpft in ihren Bildteppichen Aufnahmen aus modernen Massenmedien mit einer alten Handwerkskunst, der Bildwirkerei. Heraus kommen Tapisserien, die so gar nichts mit den höfischen Pendants des 16./17. Jahrhunderts gemein haben. Rowena Fuß ist zwiegespalten.

Es war einmal eine Gruppe Prominenter, die räkelten sich im schönsten italenieschen Sonnenschein auf einer Terrasse: Der Rapper Nelly mit zwei Bikininixen, die Computerspielheldin Lara Croft barbusig in barockem Ornat und Ex-Baywatch-Nixe Pamela Anderson eng an eine antikische Säule geschmiegt. Soweit, so friedvoll. Die Idylle stört einzig der Fakt, dass sie konstruiert ist. Margret Eicher hat sich für ihren Bildteppich diverser werbewirksamer Fotos der hier Abgebildeten bedient. Tatsächlich schlüpft Anderson auf dem ursprünglichen Zeitungscover eigentlich aus einem Ei, von einer Säule weit und breit keine Spur. Lara Croft gibt es in besagter Pose auch nicht. Ihr Gesicht ersetzt das des ursprünglichen Models. Und Nelly? Tja, sein Abbild stimmt weitestgehend mit dem Original, ein Werbefoto, überein.

Margret Eicher führt die Massenmedien und die Konsumgesellschaft vor. Dafür nutzt sie das alte Medium der Bildweberei. Insgesamt 10 Teppiche säumen die Wände des Ausstellungsraumes. Ihnen beigestellt sind in zwei Nebenkabinetten Tapisserien aus dem 16. bzw. 17. Jahrhundert und ein Teppich Ludwig von Hofmanns (Entwurf und fertiges Produkt) vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Die Arbeit an Tapisserien begann Eicher nach einer Reise an die Loire vor zehn Jahren. Bereits in den 1980er Jahren vervielfältigte die Künstlerin einzelne Motive aus Printmedien per Laserkopie, um sie dann in klassischer Collage-Technik als Serien zu kombinieren und in Wand- oder Rauminstallationen zu verarbeiten. Sie nannte die Arbeiten damals »Copy-Collagen«. Damals wie heute erfährt das in der Regel aus trivialen Kontexten gelöste Bildmaterial durch den Kopiervorgang eine weitere Banalisierung. Das Ziel ihres Werkes ist es, die traditionellen Tapisserien mit ihren mythologischen Darstellungen zu überdenken und auf diesem scheinbar überholten Bildträger moderne Ikonen der Massenmedien in Szene zu setzen.

Man muss sich eins vor Augen führen: Vor der Erfindung des industriellen Webstuhls war die Herstellung von Tapisserien sehr zeit- und personalaufwendig. Da nur Adelige und der Klerus sie sich leisten konnten, wurden Tapisserien schnell zu Investitions- und Statusobjekten. Der Aufwand resultiert aus der Herstellung: Bildteppiche werden nicht von Kante zu Kante gewebt, sondern von Farbfläche zu Farbfläche! Als Vorlage (Bildmotiv) dienten v.a. Legenden und Szenen aus biblischen oder höfischen Kontexten. So auch bei den Beispielen aus Quedlinburg und Arnstadt, die Eichers Arbeiten beigestellt sind. Hier stehen sich der Dichter auf einem Pegasus, der sich von seinen Musen verabschiedet und zwei Szenen aus dem Leben des Apostel Paulus gegenüber. Obwohl etwas verblichen, beeindrucken dennoch nicht nur Motive und deren Umsetzung, sondern auch die handwerkliche Fähigkeit der damaligen Bildwirker. Denn wenn man genau hinschaut, kann man den Webvorgang Fläche für Fläche auch heute noch nachvollziehen.

Eicher wiederum achtet in ihren Arbeiten darauf, eine Farbwirkung zu erzielen, die der der ausgeblichenen Stücke nahekommt – obwohl die heutigen Webstühle deutlich strahlendere Ergebnisse erzielen könnten. Es ist ein Hinweis darauf, wie die Künstlerin gesehen werden möchte. Direkt an historische Vorbilder knüpft auch die Bildinschrift »Et in Arcadia!« an. Wie ein Werbeslogan steht der Schriftzug oberhalb der Bühne mit einem berittenen, somalischen Herrscher und seinem Knappen. Der Titel ist eigentlich »Orientalische Idylle«. Das ist natürlich ironisch. Denn das hier abgebildete Arkadien hat nichts mit der Landschaft in Griechenland zu tun, die Künstler wie Nicolas Poussin zu idyllische Bildern mit Jünglingen inspirierte. Eichers Arkadien ist ein Sinnbild für Macht und Manipulation. Dabei geht es ihr laut einem Interview anlässlich ihrer Ausstellung 2011 im ZKM nicht um eine Medienkritik oder gar Provokation. Sie will lediglich »feststellen, was unser Denken, Meinen und Fühlen steuert«.

Ob der Besucher etwas aus der Schau mitnimmt, bleibt ihm also selbst überlassen. Glücklicherweise stimmt das jedoch nicht ganz. Das Angermuseum füllt die Lücke durch ein nicht zu verachtendes Rahmenprogramm. In diversen Vorträgen, Führungen und Künstlergesprächen kann der Interessierte mehr über Eichers Arbeiten und alte Webtechniken erfahren.

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