Ausstellungsbesprechungen

Max Ackermann – Von der ornamentalen Linie zur heiligen Fläche. Die nie gezeigten Bilder, Kunsthaus Apolda Avantgarde, bis 1. April 2013

Max Ackermann war der berühmteste Schüler Henry van de Veldes. Das Kunsthaus Apolda Avantgarde nutzt das Jubiläumsjahr des belgischen Lehrers und widmet Ackermann eine umfangreichen Ausstellung, die zum Teil neu entdeckten Werke präsentiert. Ein Bericht von Rowena Fuß.

Geflüster erfüllt den Raum. Zwei Personen stehen im Untergeschoss vor dem Stillleben von um 1933, treten abwechselnd mal näher, mal weiter weg. Was es wohl zeigt? Zwiebeln, Eier und einen Kuchen auf einem Tisch? Man ist sich nicht einig, diskutiert.

Zugegeben, das Begreifen abstrakter Bilder ist nicht leicht. Da man wenig bis gar nicht erkennen kann, welche Gegenstände abgebildet sind, gerät die Betrachtung leicht zur Überforderung. Das Gewirr aus Farben, Formen und Linien auf einer Fläche rutscht ins Dekorative ab. Doch wie unrecht täte man dem bekanntesten Schüler Henry van de Veldes damit. Früchte trug dessen einstiger Unterricht zur ornamentalen, eigendynamischen Linie aber erst später. 1912 wechselte Ackermann nach Stationen in Dresden und München zu Adolf Hölzel in Stuttgart, wo er sich mit dessen Lehre vom Primat der künstlerischen Mittel auseinander setzte. Hiernach gelten Farbe, Linie und Fläche als gleichberechtigte Bestandteile einer Bildkomposition.

Wie kein anderer hat Adolf Hölzel über seine Schüler Baumeister, Itten und Klee die Entwicklung der klassischen Moderne in Deutschland geprägt. Seine überragende Bedeutung als Akademielehrer warf allerdings einen Schatten auf sein Künstlerdasein. Dabei skizzierte Hölzel bereits 1901 in seinem Aufsatz »Über Formen der Massenverteilung im Bild«, der in der Wiener Jugendstil-Zeitschrift Ver Sacrum erschien, eine Analyse der Grundelemente der Form – lange vor Kandinskys »Punkt und Linie zu Fläche« (1914 begonnen, aber erst 1924 publiziert).

Neben der Suche nach Gesetzmäßigkeiten ist der Begriff der Empfindung zentral in Hölzels Gedanken über Kunst: Maler wie Betrachter sollen das Empfinden für die harmonischen Zusammenstellungen der künstlerischen Mittel im Bild schulen. Seine Kunsttheorie ist radikal auf die bildimmanenten formalen Gestaltungsprinzipien des Bildes ausgerichtet. Letztendlich wird jedes Bild für ihn ein abstraktes Gebilde aus Linien, Formen und Farben.

Ähnliches gilt für seinen Schüler Ackermann: »Meine Malerei will nur Malerei sein, sie will keine Abbilder und Schaubilder« wird er im Raum, der die Arbeiten von 1945 bis 1960 enthält, zitiert. Ein Charakteristikum, das die abstrakten, flächigen Werke mit Titeln wie »Komposition« oder »überbrückte Kontinente« bestens umschreibt. Gemälde in einem abgetrennten Bereich im Obergeschoss spiegeln ihre Titel sogar wider: »Komposition (Rotation)« vom März 1967 zeigt eine ebensolche: Eine nach innen gedrehte Bewegung von grünen Bändern mit schwarzen Kreisen und pfeilähnlichen Formen. In »Komposition (Kontrapunkt)« ist eine grüne Ellipse einem violetten Sechseck kontrastreich gegenübergestellt.

Schon in seinen frühen Jahren richtet Ackermann sein künstlerisches Werk am Gedanken des Gesamtkunstwerkes aus. Das einzelne Bild gilt ihm immer als Teil eines übergeordneten Ganzen, dessen Ziel für ihn in einer ästhetischen Erziehung des Menschen mündet. In der Retrospektive wird Ackermanns eindrucksvolle Entwicklung vom Henry van de Velde-Schüler über den zeitweiligen Veristen in Bildern wie »Paar beim Sport« (um 1930) bis zum »absoluten Gestalter der heiligen Fläche«, so Kurator Hans-Dieter Mück, in 150 Gemälden, Pastellen und Zeichnungen nachgezeichnet.

Für eine kleine Sensation sorgte Ende 2012 während der Ausstellungskonzeption die Wiederentdeckung von Werken, die Ackermann aus seinem 1943 ausgebombten Stuttgarter Atelier zu Verwandten nach Saalfeld rettete. Ausgewählte Grafiken fanden schließlich noch Platz in der Schau. Alle Entdeckungen sind im umfangreichen zweibändigen Katalog dokumentiert.

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