Ausstellungsbesprechungen

Max Beckmann – Die Landschaften, Kunstmuseum Basel, bis 22. Januar 2012

Berühmt als Maler der »condition humaine«, hat Beckmann zugleich wie kaum ein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts das Landschaftsbild auf herausragende und eindringliche Weise erneuert. Auffällig ist Beckmanns distanzierte Sichtweise auf die Landschaft: Fensterausblicke, Vorhänge, Brüstungen, Säulen und erhöhte Blickperspektiven vermitteln öfters zwischen bewohnter Welt und der Unbegrenztheit der Natur. Günter Baumann hat sich dem Titanen der Moderne gewidmet.

Gemessen an der Ausstellungspräsenz gehörten der Herbst und Winter Max Beckmann (1884–1950): Das Städel feierte dessen Jahre in den USA, in Leipzig stehen noch die Porträts auf dem Programm, und Basel präsentiert seit September die Landschaften des Künstlers. Dabei hat der Maler weder 2011 noch 2012 ein Jubiläum – eine solche außerplanmäßige Wertschätzung erfährt sonst allenfalls Picasso. Hat man diese Größenordnung vor Augen, wundert man sich weniger, in einer Ausstellung rund 70 Naturstücke (im weitesten Sinne) vereint zu sehen, die man in Beckmanns Werk in dieser Fülle gar nicht vermutet hat.

Beckmann, der mythensichere Menschenversteher, der Großstadtchronist hat ein immenses Werk geschaffen, das offenbar noch Entdeckungen bietet. Noch bevor sich Max Beckmann der Figuration verschrieb, hatte er nach eigenem Bekunden »nichts als Natur« gemalt. In diesen frühen Jahren stand er unter dem Einfluss Cézannes, Liebermanns und dem der Haager Schule. Nach und nach, das macht die Basler Ausstellung anschaulich, kehrt Beckmann immer wieder zum Landschaftsmotiv zurück: In Berlin, ausgerechnet in der Hauptstadt, schafft er zig Landschaftsbilder, dann wieder im niederländischen und amerikanischen Exil, während dem er regelmäßig die Landschaft als Gegenstand sucht.

Je mehr Beckmann sich in seiner symbolischen Welt einrichtete, desto inniger werden diese Landschaften; inniger insofern, als sie gar nicht in erster Linie die Außenwelt darstellen, sondern sein eigenes Ego. Die Landschaft wird so zum Psychogramm und unterscheidet sich nicht sehr von den Interieurs etwa aus der Exilzeit. Zudem macht Beckmann den stürmischen Himmel und die chaotische Natur auf der Leinwand zum Abbild der sozialen und politischen Unordnung der Weimarer Zeit und später der Willkür des Hitlerregimes. Doch nur mit der Seele lässt sich in Beckmanns Werk der Natur, insbesondere dem Meer, das schon den jungen Maler begeistert hat, nicht beikommen. Der spezielle, expressive Realismus Beckmanns, der hier eine Sonderstellung einnimmt zwischen Brücke-Expressionismus und neuer Sachlichkeit, entwickelt da seine größte Ausdruckskraft, wo das Psychogramm des Malers sich eben doch im wirklichen Motiv widerspiegelt: Beckmann malt keine anonymen Landschaften, wie man vermuten könnte, sondern er nimmt konkret benennbare Orte wahr. Es mag sein, dass er die Natur sogar als Korrelativ zu seiner symbolistischen Bühnenwirklichkeit suchte und brauchte.

So entsteht in der themengebundenen Schau ein anderes, weniger allegorisches Bild von dem Künstler Beckmann, das jenes bekannte nicht ignoriert, aber im Kontrast deutlicher konturiert. Das Werk Max Beckmanns wird dabei nicht erhellt, die Tiefen und Distanzen werden sogar noch vergrößert, was die Faszination vor seinem Schaffen noch steigert. Charakteristischerweise baut Beckmann seine Landschaften – wie auch seine anderen Werke – wie eine Detailcollage auf, deren Elemente isoliert nebeneinander stehen. Die Landschaft tritt dabei zuweilen vermittelnd auf: So ist die »Kleine Landschaft, Viareggio« von 1925 zweiteilig komponiert, eine Straße trennt unmissverständlich das Haus (Architektur) auf der einen Seite von den Bäumen (Natur) auf der anderen Seite, die Telegrafenmasten rechts und links der Straße verstärken noch die Trennung. Im Hintergrund öffnet sich allerdings der Blick auf das Tyrrhenische Meer, auf dem drei Schiffe den Zwischenraum – inhaltlich als Bewegungsmotiv, formal als Ersatz für die fehlenden Hochspannungsleitungen – füllen. Ob Beckmann nun seine Bilder fast grob auf die Leinwand wirft (»Meer mit großer Wolke«, 1943), in weiten, düsteren Ciffren (»Der Hafen von Genua«, 1927) oder liebevoll-bunt durchkomponiert (»Das Nizza in Frankfurt am Main«, 1921) – immer geraten ihm Weltentwürfe von dramatischer Schönheit.

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