Ausstellungsbesprechungen

Mona Ardeleanu – Es ist in der Haut, wär’s im Kleide, so wär’s vergänglich, Galerie Rainer Wehr in Stuttgart, bis 4. Juni 2011

Egal, wo man hinschaut in der Ausstellung der Stuttgarter Galerie Wehr, wo zur Zeit ein Überblick über das Werk der jungen, 1984 in Lörrach geborenen Künstlerin Mona Ardeleanu zu sehen ist, nimmt das Bild den Betrachter gefangen. In bestechender Präzision führt uns die rastlose Künstlerin ein surreales Panoptikum in Szene gesetzter Stofflichkeit vor, die einem den Atem stocken lässt. Günter Baumann hat sich von Mona Ardeleanus Kunstwerken bezaubern lassen.

Von einem schicken, aber doch etwas exzentrisch geschnürten Hut mit hellblauem Muster hängt ein zart lachsfarbenes Seidentuch in kunstvollem Faltenwurf herab, mit einer zierlich verspielten blauweißen Bordüre versehen – offenbar wird der Hut von einer Frau getragen, geht man von dem darunter sichtbaren, aufwendig geflochtenen dunkelblonden Haarkranz aus. Die pure Ästhetik wird gesteigert durch den im Farbton passenden Hintergrund, der von Grautönen einwärts in hochsensiblen Nuancen eine geheimnisvoll leuchtende Rosafärbung einnimmt. Beim Schwelgen wird man erst auf den zweiten Blick jedoch gewahr, dass diese partielle Rückenansicht keine ist: Dem Haarteil zum Trotz ist die Besitzerin des Hutes nicht abgebildet. Der Befund wiederholt sich bei den anderen Arbeiten, auch wenn die Materialien variieren: Feine Seidenstoffe treffen auf grobe Strohbindung, Spitzenmuster korrespondieren mit Haargeflecht, das jeweils an die Trägerinnen oder Träger der Tücher und Objektelemente erinnert. Mehr noch, diese Hut-, Hauben- oder allgemein Kleidungsstücke verselbständigen sich zu kunstvoll verknoteten, in sich gewundenen Objekten, die sich wie Exponate einer Ausstellung präsentieren, welche exklusiv auf die eigene Hinfälligkeit hinweisen. Von jeher birgt der zur Schau getragene Reichtum die Vorstellung der Vanitas in sich. Verfremdet erscheinen sie dadurch, dass sie illusionistisch ihre Gegenständlichkeit, ihre vermeintliche Dinghaftigkeit behaupten, und doch allesamt nur gemalt sind.

Mona Ardeleanu galt in den vergangenen Jahren, in denen sie schon bei Gruppenausstellungen der Galerie aufgetreten war, als Geheimtipp, was sich zur Zeit zu ändern scheint. 2010 erhielt sie ein Stipendium für Junge Kunst der Stadt Lemgo und noch ganz frisch ist das Stipendium der Stiftung Kunstfonds Bonn – beim erstgenannten Preis wurde sie unter rund 100 Mitbewerbern ausgewählt, beim anderen ist Ardeleanu eine von 43 Geförderten – bei weit über 1000 Antragstellern, die hier für gewöhnlich nur in den seltensten Fällen aus dem Erstlingswerk schöpfen. (Dazu kommt noch ein Jugend-Kunstpreis, den sie bereits 2006 erhielt.) Ardeleanu ist zweifellos ein vielversprechender Stern am Künstlerhimmel, passt ihr Werk doch bestens in die gegenwärtig blühende, detailverliebte Figuration. Studiert hat sie 2003 bis 2010 bei Alexander Roob in Stuttgart, aber mit einem feinen Gespür für die Perfektionierung ihrer Fertigkeiten legte Mona Ardeleanu Zwischenstationen bei Franz Ackermann (Karlsruhe), Daniel Richter (Wien) und Karin Kneffel (München) ein. Mit der Freude an der Darstellung verschiedener Stoffe knüpft die Malerin an eine lange Tradition an – die altniederländische Malerei der Van-Eyck-Brüder kennt diese Lust am Stoff und die symbolträchtige Stilllebenhaftigkeit erinnert an die opulenten barocken Dingbilder. Doch greift Ardeleanu gar nicht bewusst in die Kiste der Kunstgeschichte, dazu ist sie viel zu sehr mit der Durchdringung der inszenierten Materialknäuel befasst. Im Ergebnis sind die Assoziationen an den Surrealismus, wie er sich auch in der jüngsten Kunst (Eckart Hahn u.a.) erkennen lässt. Dazu kommen Erinnerungen an das Elternhaus. Geboren in Deutschland, hat die Künstlerin doch einen Emigrationshintergrund, ihre Eltern stammen aus Rumänien – so darf man in den Stickmustern, Stoffeinfärbungen und Zopfknoten Bezüge zur folkloristischen Kunst Osteuropas vermuten. Die Faszination der Arbeiten liegt zum einen in der Vermischung exklusiver Sinnenfreude und volkstümlichem »Sonntagsstaat« sowie im Reiz materieller Illusion, zum anderen in der schillernden Mehrdeutigkeit: Die gemalten Textilobjekte sind so kleidsam wie un-passend, so behaglich wie bedrohlich, sie locken durch eine formal anmutige Vertraulich-, ja Innigkeit, doch zugleich schafft die strukturelle Verfremdung durch Verknüpfung nicht zusammengehöriger Stoffe auch eine Distanz, die uns lehrt, dem schönen Schein zu misstrauen. Umhüllungen sind der Malerin wichtig. Für die Welt heißt dies einmal ein heimeliges Nest zu sein, ein andermal eine Kapsel – im Extrem auch eine unheimliche Maske (»Softskin I«). Die ironische Tendenz, die mit dabei in den Arbeiten versteckt ist, kann man dem gewitzten Titel der Ausstellung entnehmen.

Zeitgleich mit der Stuttgarter Ausstellung findet bis 17. April noch eine Ausstellung mit Arbeiten von Mona Ardeleanu in Lemgo (Städtische Galerie Eichenmüllerhaus) statt (Do–So 10–18 Uhr). Im Rahmen dieser Ausstellung ist auch eine Publikation erschienen.

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