Buchrezensionen, Rezensionen

Norbert Fleischmann: einzelheiten. reflect glitter shine. Hrsg. von Galerie Schütte, Essen, Kettwig. Wien 2008.

Es gibt in manchen Kunstzeitschriften die schöne Rubrik, für die ein Redakteur seiner subjektiven Suchfreude freien Lauf lassen kann: über die großen Unbekannten, über die Künstler, die »uns« aufgefallen sind usw. Noch besser ist es, wenn diese Geheimtipps nicht wirklich welche sind und eine Ausstellung oder ein Katalog greifbar sind. Der gebürtige Wiener Norbert Fleischmann ist ein solcher Kandidat, der eine solide, wenn auch nicht gerade ausufernde Ausstellungstätigkeit sowie einige Publikationen vorweisen kann, die bibliophile Qualitäten, aber leider nicht immer eine ISBN haben. Eine Empfehlung von Günter Baumann.

Dass sich der Maler im niederösterreichischen Waldviertel eingerichtet hat, eröffnet enorme kreative Perspektiven, wenn auch nicht gerade die Öffentlichkeit der Metropolen. Kurzum: Norbert Fleischmann drängt sich nicht in die erste Reihe, doch man sollte sich keine Chance entgehen lassen, ihn da wahrzunehmen, wo er steht, gehört er doch – und damit wäre man in jenem spekulativen Gewässer der Prominentenkür – zu den beeindruckendsten Künstlern um die 50, die es zur Zeit gibt.

Es mag sein, dass diese relative Verweigerung des Kunstbetriebs den Reiz seiner Arbeiten eher noch erhöht. Aber dann könnte man das Kapitel Fleischmann auch überschlagen nach dem Motto: Wer nicht will, der hat schon... Wer jedoch eine Ausstellung des an sich völlig unspektakulären Werks gesehen hat, kann nicht mehr davon lassen. Auf den oder besser: mit dem ersten Blick holt der Maler den Betrachter ab, schon die Hängung ist Programm: Die in unterschiedlicher Größe, Technik und Inhalt gestalteten Arbeiten sind nicht an einer imaginären Schnur an die Wand angebracht, sondern hängen wie die rhythmisierten Über- und Unterlängen einer Schrift vor unsren Augen. Treten wir näher heran, eröffnen sich uns gleich mehrere Welten: abstrakte Kompositionen behaupten sich neben meditativen Landschaften, porträthafte Figurenausschnitte stehen neben hyperrealen Architekturimpressionen. Norbert Fleischmann ist ein Erbe der Romantik, dem die eine Welt nicht genug ist. Der realen gesellt sich die transzendente hinzu, und beide Welten sind nur Fragmente eines größeren Universums. Und doch ist jedes Bild für sich schon fertig, mit äußerster Konzentration und Bestimmtheit erschaffen.

Zunächst sehen die einzelnen Arbeiten Fleischmanns aus wie die Werke unterschiedlicher Meister. Die abstrakten Positionen scheinen weltenweit weg zu sein von den fotogleichen Motiven, die zumal hier und da die Anmutung von Aufnahmen aus dem 19. Jahrhundert haben, als man allenfalls abstrakt dachte. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass es gar nicht um den Inhalt geht. Das Schauen selbst ist Thema: der Blick auf den Blick auf die Kunst. Die Qualität der Arbeiten liegt darüber hinaus auch in der Farbpalette. Überlisten wir unseren Wahrnehmungsapparat, fallen die über das Werk verteilten Pigmente der realistischen und sogar der figurativen Bilder zusammen mit denen der abstrakten Bilder. Als Übertragung auf die Gegenwart formuliert, würde die Komposition, am Bildschirm grob verpixelt, vermutlich ähnliche Farbverteilungen aufweisen. Das ist zwar spekulativ, aber es würde die geheimnisvolle Aura erklären, die die Arbeiten von Norbert Fleischmann ausstrahlen. Womöglich ist alles aber auch nur ein Spiel des Künstlers, um den Betrachter aufs Glatteis zu führen, der sich oft genug in den meist englischsprachigen Titeln verfängt, die fraglos philosophischen Charakter haben, so „expand, (ICH, 1995)“ von 2007 , zum politischen Statement provozieren, wie in „reflect“ (2007–09), oder auch nur Bestandsaufnahmen zu sein scheinen, wie etwa „line“ (2006).

Postromantische Entgrenzung unseres Denkens oder barockes Verwirrspiel, das Werk von Norbert Fleischmann gehört gesehen, es ist ein malerischer Geniestreich.

Publikationen wie das angezeigte Buch sind am besten zu beziehen über die Galerie Schütte in Essen, mit Engagement wird er auch vertreten von der Stuttgarter Galerie Harthan.

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