Ausstellungsbesprechungen

Otto Dix, Kunst des Porträts

Ein Ausstellungshöhepunkt im Süden Deutschlands ist die große Dix-Schau, die im Kunstmuseum Stuttgart präsentiert wird. Noch nie war die Porträtmalerei von Otto Dix so präsent, die sich ja durch das ganze Werk des schonungslosen Realisten zieht. Nachdem die Sammlung Gunzenhauser eine neue Dix-Pilgerstätte in Chemnitz eröffnet hat, kommt die große Porträtschau gerade recht, um einmal mehr daran zu erinnern, dass Stuttgart eine bedeutende Dix-Stadt ist.

Viele Wege führen zu Dix. Der Maler selbst – nicht eben ein redseliger Kommentator der eigenen Kunst – gab sich als reger Stichwortgeber für manchen Holzweg innerhalb der Rezeptionsgeschichte. So sah er sich selbstbewusst als Erfinder der Neuen Sachlichkeit, ein Zug, auf den alle aufsprangen, bis man nach und nach den Van-Gogh-Anhänger, Dadaisten, Futuristen und schließlich den Wegbereiter eines sozialistischen Realismus und gar noch des Art Brut an sich vorbeiziehen sah. Dabei war Otto Dix auch ein sarkastisch-selbstkritischer Geist, der selbst wohl neugierig war auf das Ziel der Reise, »denn erst in 50 Jahren sieht man, ob an dem Kerl etwas dran war« – so befand der 75-Jährige im Jahr 1966, als man an seinem Geburtshaus in Gera eine Ehrentafel anbrachte. Sein Werk wurde seitdem – zumal in Stuttgart als Dix-Hochburg – gedreht und gewendet, der Nietzscheaner und Antimodernist gegen den politischen Veristen ausgespielt, der Großstadt-Chronist und der Selbstporträtist gefeiert. Und schon da wurde klar, dass an dem Kerl mehr dran war, als man jeweils ahnte.

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In einer fulminanten Schau zeigt das Kunstmuseum nun den Porträtisten als Selbstdarsteller im Bild der Anderen – und eben nicht als Porträtisten seiner selbst – und als Bilderfinder, der weder die Anekdote um die Porträtierten noch deren Innenleben suchte. Anknüpfen kann der Kurator Daniel Spanke an eine Stuttgarter Ausstellung von 1981/82, die sich dem Bildnis widmete. Dennoch präsentiert er einen »neuen« Dix und unterstreicht zugleich den »alten«: Der als Cranach des 20. Jahrhundert gefeierte Maler wird nicht nur mit Arbeiten seiner Zeitgenossen gezeigt – von denen Dix nur Kokoschka als Porträtisten neben sich anerkannte –, sondern auch mit Werken vor und nach Dix, einer Kunstgeschichte des Porträts von der ägyptischen Enkaustik bis zu Warhols Siebdrucken. Wenn auch einzelne signifikante Bezüge hergestellt werden, wie im Fall des neugeborenen Dix-Sohnes Ursus und des »Nackten Knäblein« von Lucas Cranach, so geht es vordergründig um die Frage, was Porträt als Gattung leisten kann. 66 Exponate von Otto Dix und 88 weitere Beispiele vom ägyptischen Totenbildnis bis ins Gegenwartsbild laden zur Entdeckungsreise ein. Félix Vallotton etwa avanciert in ganz neuem Kontext zum modernen Künstler im Umfeld der Neuen Sachlichkeit. Bedauern mag man die – verständliche – Überpräsenz Gerhard Richters, wenn man sich zugleich über die spärlichen Stelzmann-Porträts und überhaupt den Mangel an Ex-DDR-Künstler wundert. Fairerweise muss man jedoch konstatieren, dass Otto Dix nicht der Maßstab für die gattungsorientierten Begleitwerke (von Cranach über Bacon und Hödicke bis hin zu Dijkstra, Ruff und Schütte) sind, deren motivfernstes Beispiel das hinreißend-abstrakte Nichtporträt »Marleen« von Imi Knoebel ist.

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Bewusst verzichtet die Ausstellung auf eine Überbewertung des Selbstporträts, wie sie auch die Chronologie zugunsten von Themeneinheiten aufgibt. »Die Ausstellung will […] danach fragen, wie sich das Sujet Porträt entwickelt hat und wo in Zeiten digitaler Fotografie seine Grenzen liegen«, sagt Spanke. Sie steht ganz im Zeichen der reinen Oberflächenkunst, weshalb auch keine Fotos oder Hintergrundinfos zu den Viten aufgenommen sind: Hier folgt das Konzept dem Desinteresse von Dix für die individuellen Eigenschaften seiner Mitmenschen. So betrachtet, fällt der Bruch zwischen Haupt- und Spätwerk auch nicht mehr ins Gewicht. Oft wurde Dix, nachdem er an den Bodensee gezogen war, eine Aufgabe seiner sozialkritischen Positionen vorgeworfen. Freilich wirkten viele seiner späten Porträts – in greller, brutaler Art ausgeführt – wie ein Affront gegen die eigenen altmeisterlichen Ansprüche. In seinen veristischen wie in seinen expressiven Arbeiten folgte er seiner Maxime »Trau deinen Augen!« Die eigentliche Überraschung der Stuttgarter Schau wird also die Würdigung des späten Werks sein, das dem vorhergehenden ebenbürtig zur Seite steht: Das letzte Bild, an dem Otto Dix bis kurz vor seinem Tod 1969 arbeitete, war ein Porträt.

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Ein bibliophiler Genuss und ein haptisches Erlebnis ist der großformatige Katalog, der durch die Hände der Stuttgarter L2M3 Kommunikationsdesign GmbH gegangen ist. Der Wechsel von sehr dünnem Papier für die Texte und einem schweren Glanzpapier für die exzellente Bildwidergabe macht wachsam für den Inhalt des Buches, dessen Spannung durch kühn zwischengelegte – bis zu sechs – Vakatseiten sowie großzügige Schriftgröße mit betont irritierend auseinanderdriftenden oder zusammengedrängten Charakterziffern rein gestalterisch gesteigert wird.

 

 

 

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 10–18

Mittwoch 10–21 Uhr

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