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Pavel Schmidt – Franz Kafka. Verschrieben und verzeichnet. Museum für Literatur am Oberrhein, PrinzMaxPalais, Karlsruhe, bis 28. März 2010

Wenn einen die Frage umtreibt, was den Dichter im Innersten bewegt in seinem Tun, ist der Stroemfeld Verlag zur Stelle, auch und vor allem bei den scheinbar hoffnungslosen Fällen: Paradebeispiel Hölderlin. Wer diese schönsten Hymnen und Oden der deutschen Sprache in traditioneller Weise ediert vor sich liegen hat, nimmt einen vollendeten Sonderfall der Klassik wahr, hat aber noch lange nicht begriffen, wie der Dichter ›tickte‹. In den vertrackten Versaufwerfungen der seit 2008 abgeschlossenen Stroemfeld-Ausgabe lässt sich ahnen, wie sich Hölderlin an der Sprache entlang tastete. Günter Baumann hat für uns die Ausstellung »Pavel Schmidt – Franz Kafka« besucht und besprochen.

Lange vor der Nutzung des Internets auch durch die philologische Forschung präsentierte sich hier eine vielschichtige Verlinkung, die allein im Kopf des Lesers stattfand, die – mehr als das digitale Medium – diesen Leser in die Lage versetzte, Poesie (durch die Sprache), Vita (im Schriftbild gespiegelt) und Zeit (in der Darstellung der Materialität) im Zusammenspiel wirklich zu verstehen oder zumindest nachvollziehbar zu machen.

Ein anderer Fall ist Franz Kafka. Bekanntermaßen hat Max Brod dessen Texte für die Nachwelt gerettet und so ediert, dass wir einen glasklar verständlichen, sprachlich zuweilen erschreckend einfach aufgebauten Korpus zur Kenntnis nehmen, wohl wissend, dass es tatsächlich um eines der komplexesten Beispiele der Literatur geht, die zumal in vielen Fällen unvollendet blieb. Im Stroemfeld Verlag entsteht eine auf rund 25 Bände angelegte Ausgabe, die das mühsame Schreiben dieses Ausnahmewerks dokumentiert. Ein eigenständiges Problem stellen die Illustrationen zu Kafka dar, die in der Regel die erwähnte Komplexität noch unterstreichen. Wer versucht, die fast zu greifenden Szenen zu visualisieren, muss sich schnell eingestehen, dass er daran an der Oberfläche scheitert (die eigenen Zeichnungen Kafkas fallen da verständlicherweise aus dem Rahmen).

Pavel Schmidt, der 1956 in Bratislava geborene Wahlschweizer, hat sich Kafka auf andere Weise genähert. Ihm geht es dabei nicht um Visualisierung einer Handlung, sondern um kongeniale Skizzen, Kritzeleien, gleichsam seismografische Erkundungen angesichts der Nachlasseinträge, Randnotizen und Textentwürfe samt ihren Verschreibungen, wie sie im Stroemfeld Verlag publiziert sind. Schmidt war als Baschang-Schüler an der Münchner Akademie dafür prädestiniert; auch als Assistent bei Daniel Spoerri konnte er sich wohl die innere Freiheit und Souveränität aneignen, um weniger die Erzählung als die Sprache Kafkas bildnerisch umzusetzen. Um sicher zu gehen, dass er nicht in die Falle mancher Illustratoren stolpert, hält er sich Text, Bild und Titel sozusagen auf Abstand: Der mikrokosmische Ausschnitt aus dem fragmentarischen Grundtext wird durch die Titel – meist Namen mit Lebensdaten oder Textzuweisungen – verfremdet, auch im Hinblick auf die farbig angelegten Zeichnungen. So findet sich etwa unter dem Eintrag »elli (1889–1941)« ein Fragment, das mit einem energischen »Verflucht« beginnt, das das Sprecher-Ich sogleich relativiert in einem durchgestrichenen »mit allem schuldigen Respekt verflucht« und in eine nicht ausgesprochene Flucht ummünzt, bei der es aus dem Haus eilt, mit einem »Du« bzw. »Herr(n)« hadert, sich selbst auf die gestreckten Beine reduziert, betont durch ein nachträglich eingefügtes »in der Not«. Schmidt folgt diesem nervösen Skript intuitiv, er zieht gerundete, schraffierte, vermeintlich verschriebene Linien, setzt sparsam abstrakte Farblichter, setzt neu an, springt über. In anderen Arbeiten wieder vermittelt sich die Zeichnung regelrecht gestaltend wie in einem Blatt, das mit »bauer – 1960)« überschrieben ist. Dazu ist von Kafkas Hand zu lesen: »In was für Gleichgültigkeit Menschen kommen können, in wie tiefe Überzeugung, für immer die rechte Spur verloren zu haben«, ohne Streichung. Dem wie beiläufig sich (ent)äußernden Aphorismus korrespondiert nun ein figuratives, an anatomische Schriften erinnerndes Motiv mit angedeuteten Organen.

Insgesamt entstanden etwa 50 Blätter, die sich mal gegenstandslos, mal durch eine menschliche Gestalt unterbrochen an Franz Kafka abarbeiten. Man glaubt in ihnen überraschenderweise ein Bild von dem ansonsten kaum greifbaren Schriftsteller zu erahnen, auf jeden Fall einem Menschen, den der Titel des Katalog transportiert: »f.k.«.

Die Ausstellung im Karlsruher PrinzMaxPalais entstand in Zusammenarbeit mit der Galerie Alfred Knecht, die bis zum 1. April 2010 – neben Arbeiten von Gundula Bleckmann – Skulpturen und Zeichnungen von Pavel Schmidt zeigt.

Weitere Informationen


Öffnungszeiten:

Museum für Literatur am Oberrhein, PrinzMaxPalais
Di, Fr, So 10–18
Do 10–19
Sa 14–18 Uhr

Galerie Alfred Knecht
Mi-Fr von 11-13 Uhr und 16-19 Uhr, Sa von 11-16 Uhr

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