Ausstellungsbesprechungen

Peter Behrens – Vom Jugendstil zum Industriedesign, Kunsthalle Erfurt, bis 16. Juni 2013

Thüringen und Peter Behrens verbindet nichts miteinander. Und trotzdem ehrt die Erfurter Kunsthalle den deutschen Architekten und Designer mit einer Ausstellung im Henry van de Velde-Jahr. Warum? Weil er einen interessanten Blick über den Tellerrand bietet. Einen Boxenstopp zwischen van de Velde und dem Bauhaus, das 2019 sein 100. Jubiläum feiert. Rowena Fuß hat sich einmal umgeschaut.

Wie Kronblätter, die den Abschluss einer Blüte nach außen darstellen, schmiegen sich die drei Buchstaben aneinander: AEG. Doch bilden sie in dem Logoentwurf von 1907 bei weitem nicht nur das Kürzel eines deutschen Unternehmens. Hinter ihnen verbirgt sich auch eine Gestalterkarriere, die die moderne Designgeschichte prägte.

Eine »möglichst innige Verbindung von Kunst und Industrie«, das war es, was Peter Behrens in allen seinen Produkten anstrebte. Die Mittel zu diesem Zweck beschrieb er in einem Artikel, den das Berliner Tagblatt im August 1907 unter dem Titel »Kunst in der Technik« veröffentlichte: geometrische Reduktion und Ausbildung von Typen. Ihre Exaktheit und Präzision sollte die moderne Maschinentechnik widerspiegeln und den bis dato existierenden historistisch-eklektizistischen Formensalat der Vorväter überwinden.

So sind es die elementaren Grundformen Zylinder und Kreis, die einen in der Ausstellung präsentierten Tischventilator um 1910 kennzeichnen. Oktogon, Ellipse und Tropfen sind es hingegen bei den ihm beigestellten Tee- und Wasserkesseln.

»Geboren am 14. April 1868 in Hamburg. Im übrigen Autodidakt« schrieb Behrens einmal norddeutsch-schnodderig für einen Berliner Autografensammler. Eine Eigenschaft, die er mit dem belgischen Kollegen gemein hatte. Auch van de Velde war kein ausgebildeter Architekt und Designer. Beide hatten auch Malerei studiert, bevor sie sich allen möglichen kunsthandwerklichen Disziplinen widmeten.

Doch haben sie zwei unterschiedliche gestalterische Wege eingeschlagen: van de Velde kennzeichnen organische Ornamente, Dynamik, eine vergeistigte Form. Peter Behrens orientierte sich in der Architektur zuerst noch an Formen der florentinischen Renaissance, etwa beim Hagener Eduard-Müller-Krematorium (1907 erbaut). Auch in der Druckgrafik, verwiesen sei hier nur auf seinen berühmten Holzschnitt »der Kuss« von 1898, charakterisieren florale, fließende Elemente seine Entwürfe.

Der Durchbruch gelang ihm als künstlerischer Berater der AEG. Die Buchstaben des vom ihm weiterentwickelten Firmenlogos sind jetzt in einen Dreipass gesetzt. Für die Schrift ließ er sich auch etwas einfallen: Behrens kombinierte die „deutsch-traditionell“ konnotierte Fraktur mit Elementen einer „humanistisch-modern“ konnotierten Antiqua.

Im Geiste verwandt präsentiert sich die von Behrens 1909 für die AEG in Berlin entworfene Turbinenhalle. Der bahnbrechende Entwurf der Anlage mit sichtbaren Tragewerkkonstruktionen, großen Glasflächen und polygonalen Giebeln stellte eine Abkehr vom historischen Verkleidungsstil dar und legte die innere Bestimmung und Funktion des Gebäudes offen. Behrens verzichtete auf allen aufgesetzten Zierrat und setzte auf straffe, klare Linien. Durch die an der Alten Wache in Berlin – ein klassizistischer Schinkel-Bau – angelehnten Eckpylone und das tympanonartige Giebelfeld gab er der Front der Turbinenhalle trotzdem auch etwas monumental-tempelartiges. Der Bau gilt heute als Beginn der modernen Industriearchitektur in Deutschland.

Und noch etwas hat Peter Behrens aus der Taufe gehoben: Mit der eigens entwickelten Werbeschrift „Behrens-Antiqua“, den Logos, einem einheitlichem Produktdesign und – als Höhepunkt – der Firmenarchitektur, gestaltete er das gesamte äußere Erscheinungsbild der AEG und schuf damit die erste Corporate Identity für ein Unternehmen, bevor dieser Begriff überhaupt existierte.

Im Vergleich mit Henry van de Velde gilt Behrens dementsprechend als der modernere und einflussreichere von beiden. Anforderungen der Serienproduktion oder Typisierung spornten ihn an, statt ihn, wie es bei van de Velde der Fall war, abzuschrecken. (Noch dazu bildete Behrens in seinem Berliner Architektenbüro solch wegweisende Kräfte wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier aus).

Es ist ein Verdienst des Zürcher Architektenbüros Holzer Kobler, die ganze Behrenssche Ästhetik in der Ausstellungsarchitektur gespiegelt zu sehen. Durch den kontrastreichen Wechsel von schwarzen und weißen Flächen, Sockeln und Raumschriften (Behrens-Antiqua!) entsteht ein abstrakter Raum, der das additive Raumgefüge der Kunsthalle und die präsentierten Exponate zu einer Gesamtinstallation fasst.

Rund 500 Objekte lassen sich in den Vitrinen bestaunen. Das Spektrum reicht dabei von Architekturfotografien bis zu Heizstrahlern, von Wanduhren bis zu Gläsern, von Firmenzeichen bis hin zu Möbeln. Kurze begleitende Wandtexte informieren zu einzelnen Bereichen wie Architektur oder Produktgestaltung. Die Objektbezeichnungen finden sich indes in einem Kurzführer, den jeder Besucher an der Kasse in die Hand gedrückt bekommt.

Man kann also ganz in Ruhe die präsentierten Gegenstände auf sich wirken lassen. Denn die individuelle Farbigkeit von Messingkesseln, Silberkannen und Zinnbestecken sowie roten oder goldenen Gläserstielen bekrönt nicht nur den schlichten, aber edlen Charakter ihrer Gestaltung, sondern korrespondiert ausgesprochen harmonisch mit dem sie umgebenden Schwarz-Weiß. Kurz: Die Ausstellung ist ein wahrer Augenschmaus und für Schöngeister genau das Richtige!

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