Ausstellungsbesprechungen

Picasso, Matisse, Chagall … – Französische Druckgrafik 1900–1950

Die Kunsthalle Karlsruhe verdankt eine ihrer grafischen Sammlungen dem guten Geist der französischen Militärregierung nach dem Zweiten Weltkrieg: 1948 schenkte diese dem Karlsruher Haus rund 90 Grafiken der Moderne, die monatelang durch das Land zogen, um den auch kulturellen Hunger zu stillen.

Die auf die nazistische Gummipuppenästhetik und einen überzüchteten Heroenkult getrimmten Deutschen hatten nun Gelegenheit, Anschluss an die Moderne zu finden. So kann Versöhnung aussehen! Unter den gezeigten Arbeiten waren Blätter von Picasso (mit 18 Druckgrafiken der Kern der Sammlung), Matisse, Chagall, darüber hinaus von Léger, Braque sowie Beaudin, Bonnard, Dufy, Max Ernst (den die Nazis in die Flucht getrieben hatten), Gris, Laurens, Maillol, Masson, Mirò und Tanguy. Alles in allem kamen hier Postimpressionismus, Expressionismus, Kubismus und Surrealismus zum Einsatz. Fast 60 Jahre nach dieser großzügigen Schenkung treten die Werke nun erneut ins Rampenlicht.

Erstaunlich ist, dass etliche der Arbeiten auch nach einem halben Jahrhundert Depot-Exil eine enorme Frische und Fernwirkung haben: Picasso freilich führt die Liste an, aber auch seine Berufskollegen stehen in nichts nach. Interessant ist es, wie hier einmal von der Warte der Druckgrafik der Kubismus quasi neu erfunden wird: Picassos frühesten Radierungen um 1905, die also in die Übergangsphase der Blauen und Rosa Periode fallen, treffen auf eine – man möchte sagen – protokubistische Darstellung eines Frauenaktes von Georges Braques, der gegen 1907 sein Initialerlebnis vor den »Demoiselles d’Avignon« des spanischen Altersgenossen hatte. Kaum hat Braques halb bewusst die Zeichen der Zeit erfasst, zieht Picasso mit kühnem Schritt an ihm vorbei in Richtung Abstraktion. 1908 hatten sie dann Gleichstand: In dieser Zeit sind beider Arbeiten kaum mehr zu unterscheiden - »Es war, als ob wir im Gebirge am selben Seil hingen« (Braques). In ihrem Fahrwasser fuhren dann auch Freunde wie Henri Laurens und André Beaudin mit.

Jenseits des Kubismus konnte Picasso wiederum ganz andere Beziehungen knüpfen bzw. eine Schaffensatmosphäre verbreiten, die auf fruchtbaren Boden fiel: Maillols lyrische Klassizität, Bonnards geheimnisvolle Impressionen, Raoul Dufy mit einem unerwarteten Exotismus sind nur ein paar Positionen, die in der Ausstellung begegnen. In diesen Fällen auch nicht die beeindruckendsten: Dufy für dieses Mal hinter sich lassend, bietet Karlsruhe über ein Dutzend Blätter von Matisse aus der »Nizza-Periode«, und mit den außerordentlichen Illustrationen zu Gogols »Toten Seelen« und zu anderen Werken aus der Weltliteratur ist Chagall gut vertreten. Einen Höhepunkt erreicht die Schau mit einem breiten Blick auf Georges Rouault – manche seiner Arbeiten zeugen von einer seltenen Strenge, die hart und liebevoll zugleich ist (das Bild De profundis, 1927, könnte als Kulisse für eine Gedicht von Stefan George dienen). Ausklingen kann die Präsentation frz. Druckgrafik mit surrealistischen Werken von Max Ernst oder Juan Miro.

 

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Öffnungszeiten
Di–Fr 10–17, Sa/So 10–18 Uhr

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