Ausstellungsbesprechungen

Precarious Nature, Centre of Contemporary Art Christchurch, bis 19. Februar 2017

Mehr und mehr dringen politische und gesellschaftliche Themen in die Kunst ein – und das scheint notwendiger denn je! Das Centre of Contemporary Art (CoCA) in Christchurch versammelt in diesen Tagen solche Positionen, die gerne auch einmal unbequeme Wahrheiten aussprechen. Das Thema: die Gefährdung unserer Umwelt. Berenike Knoblich hat es sich angesehen.

Bienensterben, Abholzung der Wälder, Luft- und Umweltverschmutzung, das Schmelzen der Gletscher: Wie Menschen mit der Natur und ihren Ressourcen umgehen ist ein globales Problem und betrifft uns alle. Auch das grüne Neuseeland hat mit den Folgen menschlicher Eingriffe in die Natur zu kämpfen. Wer an Neuseeland denkt, hat vermutlich unberührte Natur, grüne Hügel, Berge und goldene Sandstrände vor Augen. Doch das grüne Image des Landes kann auch eine Bürde sein, denn es gehört inzwischen zur nationalen Identität. Das CoCA in Christchurch hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Gruppenausstellung zu diesem Thema zeigen. Auf zwei Etagen haben sich nationale und internationale Künstler auf ihre Art zur Thematik geäußert.

Die irische Künstlerin Alex Monteith beschäftigt sich in einer fünfteiligen Videoinstallation mit der Ölkatastrophe vor einem Küstenabschnitt der Nordinsel Neuseelands. 2011 rammte ein mit mehreren tausend Tonnen Öl beladenes Containerschiff ein Riff vor der Hafenstadt Tauranga und binnen weniger Tage wurden über fünf Kilometer der Küste mit Öl bedeckt. Monteith filmte die Aufräumarbeiten über mehrere Wochen und Monate. In den Videos ist der verdreckte Sand zu sehen, Bagger, die ihn abtransportieren, aber auch die Menschen in Sicherheitsanzügen, die akribisch bei der Beseitigung helfen. Die Videos zeigen deutlich, wie unvorbereitet wir auf solche Katastrophen sind, die die Tier- und Pflanzenwelt unwiderruflich zerstören. Es macht keinen Spaß, sich Aufnahmen von Naturkatastrophen anzusehen. Es ist unbehaglich und unbequem. Und natürlich wirft es Fragen auf. Im Rahmen der Ausstellung ist das vor allem die, ob es richtig ist, dass die Regierung Ölgiganten dazu einlädt, vor den Küsten Neuseelands nach Öl zu suchen, wo die Gegend ohnehin regelmäßig durch Erdbeben und Vulkane erschüttert wird.

In einem viel kleineren Kontext geht es weiter: mit Bienen. Das CoCA zeigt drei Fotografien aus der 15-teiligen Serie »No Vertical Song« der neuseeländischen Fotografin Anne Noble. Dabei handelt es sich um Porträts toter Bienen, die Noble mit einem Rasterelektronenmikroskop aufgenommen hat. Mit diesem Verfahren ist es ihr gelungen, eine Ansicht der Tiere zu zeigen, die sie durchsichtig und silbern zugleich wirken lässt. Diese außergewöhnlichen Arbeiten vermitteln dem Besucher einerseits das Gefühl, eine ästhetische Fotografie vor sich zu haben, andererseits hinterlassen sie auch ein bedrückendes Gefühl, schließlich betrachtet man tote Bienen in Nahaufnahme. Den Kuratorinnen der Ausstellung ist es jedoch gelungen, den Besucher nicht mit dem erhobenen Zeigefinger belehren zu wollen – und sie lassen ihn auch nicht hilflos vor den Werken zurück. Neben jeder Informationstafel gibt das CoCA Hinweise, was jeder von uns im kleinen Rahmen an dieser Situation ändern kann: Bienenfreundliche Blumen pflanzen oder ungespritztes Obst- und Gemüse bei Händlern kaufen, die Artenvielfalt unterstützen, denn es sind unter anderem Pestizide und Monokulturen, die für das weltweite Bienensterben verantwortlich sind.

Bevor der Besucher die Ausstellung verlässt, sieht er über dem Treppenaufgang ein kurzes Video des britischen Künstlers Dryden Goodwin aus dem Jahr 2012. Er zeigt mit seinem Werk »Breathe« unmissverständlich, wie eng wir mit unserer Umwelt verbunden sind. Er fertigte über 1300 Bleistiftzeichnungen seines Sohnes beim Ein- und Ausatmen an und animierte diese in einem Video zu einer kurzen Sequenz. Der Brustkorb des 4-Jährigen hebt und senkt sich schwerfällig. Es sind nicht nur unsere Atemwege, sondern vor allem die unserer Kinder, die in Zukunft mit den Schäden, die wir heute verursachen, belastet und vergiftet werden. Goodwin zeigte das Video damals in London, einer Stadt die bekannt für schlechte Luft ist. Das CoCA hat sich für diese Arbeit entschieden, weil Christchurch die höchste Luftverschmutzung Neuseelands aufweist. Nicht nur wegen des Verkehrs, sondern v.a. durch das Heizen mit Holz und Kohle. Durch den Wiederaufbau nach den Erdbeben 2010/2011 gelangten zudem asbestbelastete Schadstoffe in die Luft. Was also tun? Gerade Christchurch hat nun gute Chancen aktiv etwas gegen diese Luftverschmutzung zu machen. Die Stadt befindet sich immer noch im Wiederaufbau und hat das Potenzial neue städtebauliche Strategien zu berücksichtigen und zu entwickeln, um umweltfreundliche Praktiken zu unterstützen. Eine Ausstellung mag im ersten Moment keinen aktiven Nutzen für eine Verbesserung unseres Ökosystems haben. Doch das CoCA bietet mit dieser Schau einen Ort an, an dem Missstände einerseits ohne Schuldzuweisung aufgezeigt werden, an dem provokativ und direkt aufmerksam gemacht wird und an dem andererseits diskutiert werden kann.

In der Eröffnungsperformance »Honeymoon Latte Spa« des amerikanischen Künstlers Gaby Montejo, der in Christchurch lebt, durfte jeder, der wollte, in einen kleinen Pool steigen, der mit 700 Liter Milch gefüllt war, die aus Milchpulver angerührt wurde. Während sich vier Personen in der weißen Flüssigkeit badeten, sollten sie darüber nachdenken, für welchen Preis sie Milch in ihren täglichen Kaffee gießen. Was im ersten Moment ein lustiger Anblick ist, ist im Grunde genommen ein kritischer Hinweis auf die Milch- und Landwirtschaft. Neuseeland ist einer der größten Milchexporteure weltweit – und gleichzeitig kann man in vielen Flüssen aufgrund der Verschmutzung durch diese Landwirtschaft nicht mehr baden gehen. Die Landschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund der immer weiter wachsenden Landwirtschaft stark verändert. Diese Diskrepanz greift Montejo in seiner Performance auf, er macht die Verschwendung sichtbar und möchte gleichzeitig für die Thematik sensibilisieren. Zweifelsohne wird für die Performance Milch verschwendet und der ein oder andere mag sich fragen, ob das wirklich nötig ist. Ja, es ist nötig, denn die Botschaft dahinter ist es wert – schon allein um deutlich zu machen, wie viel Milch produziert und verschwendet wird. Die Performance ist so genial, dass man als Besucher gar nicht aus den Überlegungen heraus kommt: Ist Milch so billig, dass man darin baden kann? Sollte der Konsum tierischer Produkte nicht eigentlich etwas sein, das man bewusst tut? Es sind vor allem Milchprodukte, die täglich weggeworfen werden. Doch nicht nur das: Überproduktion und Überangebot fordern das geradezu heraus. Wer meint in Deutschland eine riesige Auswahl an Milch zu haben, der hat in neuseeländischen Supermärkten die Qual der Wahl.

Wer die Möglichkeit hat, sollte sich »Precarious Nature« unbedingt ansehen. Den Kuratorinnen ist es mit dieser Ausstellung gelungen, ein wichtiges Thema auf den Tisch zu bringen, ohne dabei belehrend auf den Besucher Einzuwirken. Die Schauregt zum Nachdenken an und ist gleichzeitig ein Forum des Austauschs und der Diskussion. Während in dieser Besprechung nur einige wenige Werke behandelt wurden, gibt es im Centre of Contemporary Art bis zum 19. Februar noch viel mehr zu erfahren.

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