Kataloge

Roda, Hortensia von (Hrsg.): Leiko Ikemura – Tag, Nacht, Halbmond / Day, Night, Halfmoon, Scheidegger & Spiess, Zürich 2008.

Nachdem eben die große Ausstellung der japanischen Künstlerin Leiko Ikemura (geb. 1951 in Tsu/Mie, Japan) in Schaffhausen in die letzte Runde gegangen ist, leuchtet ihr Name als erste Preisträgerin des August-Macke-Preises mit schärferen Konturen durch die Kunstwelt: Der vom Hochsauerlandkreis ausgelobte Preis, dotiert mit 20000 Euro, hat eine kleine Tradition als Ehrung von Meschede, der Geburtsstadt von August Macke.

In Verbindung mit dem Kulturpreis Hochsauerland steht der im Dreijahresturnus verliehene Preis nun an, sich zu einem Hoffnungsträger der Kunstförderung zu mausern: Die seit 1991 in Berlin an der Kunstakademie Berlin lehrende Malerin und Bildhauerin setzt gleich Maßstäbe mit ihren Kreidezeichnungen, Aquarellen, Ölbildern und Plastiken. Im Rahmen der Preisverleihung am 24. Januar 2009 wird es auch eine an Aschaffenburg anschließende Schau ihrer Kunst im Sauerlandmuseum Arnsberg geben.

In diesem Kontext wird der Katalog zur Ausstellung schon zur Pflichtlektüre. Nun darf man sicher nicht leichtfertig die westlichen, sagen wir europäischen Sehgewohnheiten über asiatisch geprägte Kunst ausbreiten – derart hinreißend entgegenständlichte »Horizonte« wie die von 1999 sind hier kaum denkbar, wenn man nicht sogar Turner in Verbindung mit einem Schuss Melancholie, sozusagen farblich heruntergedimmt als hypothetische Vorlage zuließe. Noch deutlicher wird dies bei Zeichnungen, die in Comic-nahem Stil mit tragischen Inhalten spielt (so in der »Puppentanz«-Reihe, auch 1999).
 
Der Katalog führt uns in sehr großzügiger Bebilderung und in einem opulenten Schwergewicht zwischen zwei leuchtroten Buchdeckeln das vielfältige Werk vor. Die Szenerien geben Rätsel auf, locken die Betrachteraugen ins Bild, wo man etwa eine Arena ausmacht, die sich über Naturgesetze der Perspektive hinwegsetzt: Wir sehen Ikemura mit dem Unschuldsblick von Kindern und werden plötzlich gewahr, dass wir hochkomplexe Farb-Form-Konstellationen vor uns haben: »Hand im Mund in Grün«, »Stehende in Rot«, »… in Schwarz«, auch Liegende usw. Wie in einer Zauberwelt hat die Malerei die Kraft, »das Wort« zum Landschaftsgebilde zu machen. In diesem Sinne darf man auch bei der Lektüre des Katalogs Grenzerfahrungen kennenlernen, heißen die wunderbaren, zum Teil schon poetischen Essays – denen sich ein luftiges Gedicht »Die Welle« von Elisabeth Plessen zugesellt – des Bandes doch: »Tag, Nacht, Halbmond« (so auch der Titel der Schau), »Innere Bewegung«, »Grenzgänger im Zwischenraum« im Hinblick auf die Horizontbilder, »Träume, Fragmente, Frauen«.
 
Der Kontur entzieht sich Leiko Ikemura gern, genauso wie der klaren Farbe: Und doch stehen die Figuren vor uns in der Schärfe eines Traums, in der Bestimmtheit der Fiktion. Sie, die Figuren prägen den kaum weiter definierbaren Raum, der emotional schon erfüllt ist, bevor wir sie auch nur beschreiben könnten. Diese atemberaubenden Nicht-Orte – Utopien – in Buchform zu bannen, ist eine Meisterleistung, auch in diesen Zeiten vollendeter Reproduzierbarkeit. 

Weitere Informationen

www.hochsauerlandkreis.de
www.allerheiligen.ch

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