Ausstellungsbesprechungen

Rosa Loy und Neo Rauch – Hinter den Gärten, Essl Museum, Klosterneuburg bei Wien, bis 16. November 2011

Hochkarätige Malerei im Endspurt. Nur noch wenige Tage ist die Ausstellung »Hinter den Gärten« des Künstlerpaares Rosa Loy und Neo Rauch im Essl Museum Klosterneuburg bei Wien zu sehen. Verpassen Sie nicht diese seltene Chance. Günter Baumann hat sich die Ausstellung für Sie angesehen.

Träume sind dazu da, wahr zu werden. Dass dies in die Welt des Märchens führt, was man sogleich auch als weltfremde Gedankenspielerei abtun kann, spielt eine vielschichtige Rolle im Werk von Neo Rauch und erfreulicherweise auch in der von Rauch und seiner Frau Rosa Loy gemeinsam inszenierten Ausstellung im Essl-Museum nahe Wien in Klosterneuburg. »Hinter den Gärten« evoziert die Zwergenwelt hinter den sieben Bergen und nimmt mit den Gärten, die einer anderen – nicht minder psychologisierbaren Wahrnehmungswelt entsprechen, den phantastischen Hintergrund: einmal als symbolisch-religiöser Hortus conclusus, einmal als nutzbare Gemüse- und Blumengarten.

Im Bereich des Märchenhaften spielt sich auch die Vita Neo Rauchs ab, der – als eher verschlossener Mensch – zum bekanntesten lebenden Künstler emporwuchs, gemessen an seinem Alter: Er war noch keine fünfzig, als er zur Symbolfigur der jüngsten Leipziger Schule wurde, in deren Fahrwasser und selbst entgegen ihrer Fließrichtung die figurative Malerei in Deutschland, wenn sogar nicht in Europa und darüber hinaus, eine neue Blütezeit erlebte. Und auch das gehört zum Stoff, aus dem Träume und Märchen sind: Unlängst war in Ettlingen eine Ausstellung zur Rauch-Schule zu sehen, in der man feststellen durfte, dass bei der vom Kunstmarkt und den Medien aufgenötigten Aura, die um den Star herum floriert, ganz eigenständige Persönlichkeiten reifen können.

Das trifft auch wohl auf das persönliche Umfeld zu, denn mit im Boot der Ausstellung sitzt erstmals die Ehefrau Rauchs. Auf den ersten Blick erkennt man, dass hier die Künstlerin nicht deshalb ausstellt, weil sie die Frau an der Seite von Neo Rauch ist, sondern weil sie einen ganz anderen Bildkosmos entwirft, der gleichwertig neben dem ihres bekannten Ehemanns steht. Rosa Loy ist, um beim Titel der Doppelausstellung zu bleiben, näher am Garten als ihr Mann. Ihre Arbeiten stellen mit den Mitteln des Surrealismus lapidar fest, was in der Realität nicht existiert, während Rauchs phantastische Szenerien Geschichten erzählen, die man sich – wie im Märchen eben – als scheinbar wirklich weiterdenken kann. Hinter den Gärten muss es mal gespenstisch, mal abenteuerlich zugehen, auf jeden Fall kann sich der Betrachter dort aufs beste verlieren – als gelte es da, einen Wald zu erobern, dessen Undurchdringbarkeit angesichts der Lust an der prallen Fabulierkunst Neo Rauchs und an den monologischen Gedankenketten Rosa Loys.

Das Gartenmotiv ist im Werk beider Künstler tatsächlich latent vorhanden: bei Rauch als Übergang in die Tiefe des (Märchen-)Waldes, bei Loy als beiläufige Kulisse für ihr eigentliches Thema, die Frau und ihr Rollenverständnis. Hier und da gibt es respektvolle Anklänge an das Werk des Anderen, doch liegt der Reiz der Ausstellung in der qualitativen Ebenbürtigkeit des Schaffens, aber auch in der grundsätzlich verschiedenen Auffassung von der Außenwelt. Die vergleichbare Figuration täuscht nicht darüber hinweg, dass Rauch geprägt ist von einem konservativen und in seinen Grundfesten akut bedrohten Weltbild, wohingegen Loy sich provokant über eine Bedrohung der Welt hinwegsetzt, indem sie das weibliche Geschlecht zum Retter in der Not stilisiert. Es ist die komplementäre Divergenz, die in der Ausstellung besticht: Die Frau ist bei Loy meist gestaltend tätig dargestellt, während das Tun der bevorzugt gezeigten Männer in den Rauch-Werken durchgängig ratlos und vergeblich aktionistisch wirkt.

Ein Künstlerpaar auszustellen, birgt Gefahren in sich, zumal wenn eine(r) davon längst zu den bestdotierten und bekanntesten Malern gehört und der bzw. die andere in der Öffentlichkeit erst noch entdeckt werden muss. Nie hat man allerdings den Eindruck, Rosa Loy würde im Schatten ihres Mannes stehen (»Ach, die Frau malt auch?«). Im Gegenteil: Viele Arbeiten von Neo Rauch erscheinen neben dem Loyschen Werk in einem anderen Licht – der prognostizierte Abgrund lässt sich möglicherweise leichter ertragen und mit einem souveräneren Abstand darstellen, wenn man sich in der kaum weniger surrealen, aber innerlich gefestigten Welt in unmittelbarer Nachbarschaft Halt finden kann. Immerhin malen die beiden seit über einem Vierteljahrhundert Tür an Tür zueinander. Die Kunstgeschichte ist reich an Paaren, die im günstigsten Fall – interessanterweise oft ohne Trauschein – zu Gemeinschaftsproduktionen führen, man denke an Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, meist jedoch eher im ungünstigsten Licht erscheinen: ein modernes Beispiel wäre das Schaffen von Jackson Pollock und Lee Krasner, aber auch die Beziehungen innerhalb des Blauen Reiters, die meist das Aus für die künstlerische Betätigung der Frauen endete (besser standen dank Paula Modersohn-Becker und ihrem toleranten Mann die Frauen von Worpswede da,). Neo Rauch kann es sich leisten, das unterschiedliche Interesse am eigenen Werk und an dem seiner Frau als gesellschaftliche Rückständigkeit zu brandmarken.

Man nimmt es ihm allerdings auch ab. So mag man gerne glauben, dass es ihm ein Anliegen war, dem Wunsch des Museums Essl zu folgen und viel Energie in die Gemeinschaftsschau zu stecken, die rund 80 Arbeiten vereint. Hatte man lange Zeit fast Sorge, Rauch würde sich im Markt-Hype zerschleißen lassen, rückt die Ausstellung gerade, was im öffentlichen Bild verrückt war: Mit der prominenten Vorstellung des grandiosen Werks von Rosa Loy straft Rauch den Kunstmarkt ab. Dabei erscheinen Rauchs altmeisterlich gemalten Arbeiten in neuer Frische und das Schaffen von Rosa Loy, das bewusst jede altmeisterliche Attitude vermeidet oder gar torpediert, positioniert sich wie von selbst auf Augenhöhe. Und bei aller Divergenz finden die rätselhaften Werke in einer postromantischen Ironie, die der Tragik nicht entbehrt, eine feine Harmonie.

Zur Ausstellung erscheint im Prestel Verlag ein Katalog mit 260 Seiten, der mit einem Interview von Günther Oberhollenzer mit beiden Künstlern sowie Katalogbeiträgen von Tilo Baumgärtel (Leipziger Künstler), Karlheinz Essl und Bernhart Schwenk (Kurator der Pinakothek der Moderne, München) bedeutende Akzente setzt. Der Katalog entstand in enger Zusammenarbeit mit Rosa Loy und Neo Rauch.

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