Ausstellungsbesprechungen

Rudi Hurzlmeier – Meisterwerke, Literaturmuseum Romantikerhaus in Jena, bis 5. Juni 2011

Rudi Hurzlmeier, der Mitbegründer der »Komischen Kunst« in Deutschland, ist nun zum zweiten Mal zu Gast in Jena. Was der Preisträger des Karikaturenpreises 2010 an »Meisterwerken« mitgebracht hat, warum das Romantikerhaus einen Karikaturisten ausstellt und ob die Bezeichnung »Karikaturist« überhaupt auf Hurzlmeier zutrifft, mit diesen Fragen hat sich Maria Fritzsche beschäftigt.

Ein farbenfrohes Schlafzimmer, unter dem weißen Federbett schauen zwei Frauenfüße (an einem hängt noch ein roter Pumps) und zwei Vogelfüße heraus. Allein diese groteske Kombination wird den einen oder anderen Betrachter zum Schmunzeln bringen. Aber ein Blick auf den Titel verrät, dass der Witz dieses Bildes vielschichtiger ist. »Leda«, so hieß in der griechischen Mythologie die schöne Tochter eines ätolischen Königs, die von Zeus geschwängert wurde. Zeus näherte sich ihr in Form eines – na? – eines Schwans! Hurzlmeier spielt demnach auf dieses mythologische Motiv an, das auf eine lange Rezeptionsgeschichte in den schönen Künsten zurückblicken kann. Aber er dreht es um: auf seinem Bild wird der Schwan von einer Frau zum sexuellen Verkehr genötigt (siehe die Anordnung der Füße) und das anscheinend nicht ohne Anwendung von Gewalt, wie die noch herumfliegenden Federn bezeugen.
Dieses Bild gibt einen repräsentativen Eindruck von der Arbeit des bayrischen Karikaturisten. Rudi Hurzlmeiers Bilder erscheinen auf den ersten Blick farbenfroh und lustig, sie erinnern etwas an die Illustrationen in Kinderbüchern. Erst bei näherer Betrachtung erschließen sich die tieferen Anspielungen – und verleiten den Betrachter zum Schmunzeln, vielleicht sogar zum herzhaften Lachen.

Hurzlmeier ist Autodidakt. Nach einer abgebrochenen Schullaufbahn arbeitete er in den unterschiedlichsten Berufen und beschäftigt sich nebenbei intensiv mit der Kunstgeschichte.
Dass er ein Kunstkenner ist, kommt in vielen seiner Bilder zum Tragen. So entdeckt der aufmerksame Betrachter unter den rotlackierten Hufen eines kleinen Lamms eine blühende Wiese, die auch aus dem Pinsel von Monet stammen könnte. Und vor einer gewaltigen Gebirgswand, die stark an die romantischen Naturmotive Caspar David Friedrichs erinnert, steht eine winzig wirkende Kapelle, die die Gesteinsformation in ihren Kirchtürmen aufzunehmen scheint. Das Bild ist augenzwinkernd mit »Wallfahrtsort« betitelt. Auf einem anderem Bild stellt Hurzlmeier in ein gutbürgerliches Wohnzimmer (nach dem Vorbild von einem Gemälde des realistischen Malers Adolf von Menzel) einen Exhibitionisten, der, den Morgenmantel weit geöffnet, die Sonne auf seinen Bauch scheinen lässt (der Titel des Bildes »Sonnenuhr« dürfte keiner weiteren Erklärung bedürfen). Diese an sich schon sehr konträre Szene überspitzt der Karikaturist noch weiter: am gegenüberliegenden Fenster erkennt der Betrachter einen weiblichen Voyeur, die durch ein Fernglas den entblößten Mann direkt anblickt…

Rudi Hurzlmeiers Bilder sind also, anders als man es vielleicht bei einem Karikaturisten erwarten würde, von einem vielschichtigen, beinah poetischen Witz, der sowohl eine offensichtliche und oftmals etwas plumpe als auch eine allgemeingültige Aussage zu haben scheint. Schön und gut, aber was hat das mit den Romantikern zu tun, dem sich das Literaturmuseum Jena eigentlich widmet? »Der Witz ist eine Explosion von gebundenen Geist« sagte der Frühromantiker Friedrich Schlegel und rühmte ihn, als die Verbindung zweier Dinge, die eigentlich unvereinbar seien. Durch diese Vereinigung entstehe ein »Ausblick in das Unendliche«. Der Witz hatte demnach einen hohen Stellenwert in der romantischen Philosophie, denn er »nimmt die schärfste Richtung auf einen Punkt« - oder, wie es Hurzlmeier selbst ausdrückt: »Gibt es ein Haha-Erlebnis ohne ein Aha-Erlebnis?«

Eine Antwort auf diese Frage kann unter anderen das Bild »Anglerlatein« geben. Ein Angler hat einen riesigen Wal an den Strand gezogen und duscht sich nun fröhlich in seiner Wasserfontäne. Natürlich ist dieses Motiv an sich lustig, aber noch im Lachen bemerkt man die gesellschaftskritische Anspielung, die dahinter steht. Denn wenn man sich umsieht, wird deutlich, dass die Natur an vielen Stellen zurücktreten muss, damit wir unser luxuriöses Leben führen können. Das Bild bietet also gleich mehrere »Aha-Erlebnisse« gefolgt von »Haha-Erlebnissen«.

Bleibt noch offen, ob Hurzlmeier angesichts des künstlerischen Werts seiner Technik und Motive als Karikaturist bezeichnet werden kann oder ob er nicht vielmehr in die Reihe der »echten« Künstler aufgenommen werden müsste. Der einzig schwerwiegende Grund, ihn zu den Karikaturisten zu zählen, liegt wohl darin, dass sich Hurzlmeier selbst mit Wonne von den spießigen Künstlern abgrenzt. Ob die Karikatur zur Kunst zählt, ist »eine reichlich akademische Quizfrage und Nichtakademiker(innen) selten mehr als Wurst« stellt der Bayer lapidar fest und erklärt den Unterschied zwischen sich und den anderen: während sich die »richtigen Künstler« freuen, wenn ihr Werk nicht verstanden wird (»das hebt den Wert gewissermaßen«), ist das für ihn »peinlich«. Und so malt Hurzlmeier weiterhin als Karikaturist für die Satirezeitschrift Titanic und andere Tagesblätter, wie die Süddeutsche oder die FAZ.

Im Romantikerhaus sind 50 Werke zu sehen, darunter die Bilder der »komischen Periode«, wie Hurzlmeier selbst seine Schaffenszeit in den 90ern nennt, sowie seine neueren Tierreihen »Happy Birdsday« und »Brummel der Bär«. »Nichts ist unerquicklicher als ein Witz, den man schon kennt«, sorgt sich der Karikaturist. Um sein Publikum vor diesem »unerquicklichen« Erlebnis zu schützen, hat er in seine Werke so viele Details und Anspielungen eingebaut, dass sie mit intensiverer Betrachtung immer mehr auszusagen scheinen.

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