Ausstellungsbesprechungen

Salvador Dali, Das Goldene Zeitalter (Illustrationen 1930–1980)

Für denjenigen, der sich mit Salvador Dalí befasst, darf die Geste schon ins Barocke gehen. Dafür, dass gerade die Wahl auf Bruchsal fiel, um dort seinen 100. Geburtstag zu begehen, war denn auch »das großräumige barocke Areal mit dem prächtigen Residenzschloss«, so die Ausstellungsmacher, eine der »bedeutendsten Schlossanlagen Deutschlands« ausschlaggebend.

Rund 800 Exponate machen nun im Zentrum Mitteleuropas Station, nachdem sie im vergangenen Jahr bereits in Moskau zu sehen waren und noch in Budapest und Chicago erwartet werden. Die Stücke stammen aus den Beständen der Sammlung Richard H. Mayer, eine der umfangreichsten ihrer Art in Deutschland.

 

 

 

Wer freilich einen Einblick in das malerische Oeuvre Dalís sucht, wird enttäuscht sein, konzentriert sich die Ausstellung doch auf die Illustrationen aus dem halben Jahrhundert zwischen 1930 und 1980. Und das ist, gleichermaßen, die Crux und das Glück der Schau. So überwältigend die surrealen Bildwelten auf den Betrachter wirken müssen, so schnell ermüdet die Reizüberflutung doch recht schnell die Sinne, das heißt: Wer nicht voll hinter der manischen Selbstinszenierung Dalís steht, wer Schwierigkeiten mit den bis in den Kitsch getriebenen Klischeevorstellungen freudianischer Psychoanalyse hat, und darüber hinaus rote Ohren bekommt wegen Dalís rückständiger politischen Ideen, der wird womöglich entzückt sein über das Illustrationswerk, das sich im Format notwendig zurücknehmen muss und sich von den grellen Tageslaunen des Künstlers abhebt. Es basiert auf einer Technik, die dem spleenigen Ansinnen des Künstlers zumindest phasenweise Einhalt gebietet und zudem eindeutiger Bezug nehmen kann bzw. muss auf die Klassiker der Weltliteratur (Don Quixote, Faust u.a.). Etliche der Serien – etwa die zu Dante und Cervantes – gehören zum besten, was Dali geschaffen hat.

 

Die Crux – oder auch eine gewisse Spannungssteigerung – ist das Medium der Grafik, das Salvador Dalí zunächst verabscheute, dann jedoch als Einnahmequelle zu schätzen lernte und zu nutzen wusste. Bereits in Studienzeiten verfügte Dalí über eine Kupferstichpresse, ein Geschenk seines Vaters, und er war mit der Technik des Lithographierens vertraut gemacht worden – sein vernichtendes Urteil: »ohne Strenge, ohne Monarchie und Inquisition«, weshalb der Maler die Lithographie eigentlich »aus ästhetischen, moralischen und philosophischen Gründen« ablehnte. Die schnöde Geldgier brachte ihn dann doch auf den Geschmack: Wie die alten Meister – drunter machte er es eh nicht – beschäftige er Graveure und andere Mitarbeiter, die seine Ideen umsetzen mussten. Um den Preis (künstlich) hochzuhalten, war alsbald jedes Mittel recht. Ob die Grafikreihen in verschiedenen Ländern erschienen oder ob die Druckauflage teils auf Japanpapier, Pergament oder anderem Grund gedruckt wurde – dies alles diente der Preissteigerung. In dieselbe Kategorie gehören auch die Blanko-Unterschriften Dalís, die es aus heutiger Sicht schwer machen, über Original und Fälschung zu befinden. Neben den offen eingestandenen finanziellen Vorteilen strebte Dalí eine nie da gewesene Popularität an, für die ihm die grenzenlose Reproduzierbarkeit gerade recht kam.

 

 

 

Kein Wunder: Unter diesen Vorzeichen entstanden nahezu zwangsläufig etliche schwache Arbeiten. Aber zum großen Teil besticht die technische Perfektion (die so weit geht, dass Dalí hin und wieder mit der Flinte auf die Platten schoss) und die sprühende Phantasie. Die Bilder zu Dantes »Göttlicher Komödie«, den Dalí nie gelesen haben wollte, sind brillant; von lichtdurchfluteter Farbpoesie scheint die Illustration zu Mallarmés »Carmen« erfüllt zu sein; erzählerisch wirken die als Gravüre und Kaltnadelradierung ausgeführten Arbeiten unter dem Titel »Les Caprices de Goya de Salvador Dalí«. Außerdem macht die Ausstellung deutlich, dass dem Spanier manche Technik gelang, wie eben seine den Tachismus vorwegnehmenden, »bouletistischen« Schießbilder sowie eine von ihm zuweilen gepflegte Spritztechnik (»Écrasement«) in zahlreichen Variationen.

 

Die Ausstellung vermittelt auch ein gutes Bild vom »Literaten« und Bibliophilen Dalí. Rund 200 Schriftwerke größeren und kleineren Umfangs – darunter der Roman »Hidden Faces« und die Autobiographie »Das geheime Leben des Salvador Dalí« – sind bekannt. Eine besondere Liebe verband ihn mit dem Film: berühmt wurden die surrealistischen Vorzeigewerke »Ein andalusischer Hund« und »Das goldene Zeitalter«, gemeinsam mit Bunuel geschaffen; später arbeitete er mit Alfred Hitchcock (»Spellbound«, 1945) und sehr kurzfristig mit Walt Disney zusammen. Daneben entstanden Bühnenbilder und Kostüme. Ein Gewinn für die Dalí-Schau in Bruchsal ist sicherlich, dass die Sammlung über mehrere Jahrzehnte aufgebaut und gepflegt werden konnte und zudem auf Vorzugsausgaben und in Einzelfällen auf mehrere Fassungen und Entwicklungsstufen der grafischen Serien zurückgreifen kann. Der Titel der Ausstellung, »Das goldene Zeitalter«, der neben dem genannten Film auch eine seiner bedeutendsten Grafiken benennt, verweist auf eine der Lieblingsmetaphern Dalís hin und umschreibt den privatmythischen Kosmos des spanischen Künstlers.

 

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen, dessen gestalterische Konfusion – die vielleicht vom Chaos-Element in Dalís Leben und Werk inspiriert ist – durch eine exzellente Bildqualität wett gemacht wird. Leider fehlen nähere Angaben zu den einzelnen Serien.

Weitere Informationen

Eintritt

 

8,- EURO, ermäßigt 7,20 EURO

Familienkarte 20,- EURO

Gruppen ab 20 Pers. 7,20 EURO / Pers.

Schulklassen 4,- EURO / Pers.

 

Öffnungszeiten

 

Dienstag bis Donnerstag 9.30–18 Uhr

Freitag bis Sonntag 9.30–19 Uhr

 

Führungen

 

Donnerstags 16.00 Uhr

Samstag/Sonntag 10.30 und 15 Uhr

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