Ausstellungsbesprechungen

Sebastian Gögel - Pharao’s Horse, Kunsthalle Erfurt, bis 25. April 2011

Seit dem 24. März 2011 stellt die Kunsthalle Erfurt den 1978 geborenen Sebastian Gögel aus. Der junge Künstler ist nicht nur Maler, sondern auch Bildhauer und Tätowierer und so wird der Besuch im Renaissancesaal der Kunsthalle zu einem vielfältigen Erlebnis. Maria Fritzsche hat sich mit der Ausstellung auseinandergesetzt und erhielt bei ihrer Besichtigung Informationen aus erster Hand – nämlich vom Künstler selbst.

Von dem großen Saal der Kunsthalle Erfurt, wo zur Zeit die Doppelausstellung von Uta Zaumseil und Peter Mell »Mangelnde Gewinnerzielungsabsicht« zu sehen ist, gelangt man über eine kleine Treppe zum Renaissancesaal – und bleibt erst einmal stehen. Der Weg ist durch aneinander gelehnte Sockel verstellt und am Boden schaut einem ein weißer Kopf entgegen, das Gesicht zur Fratze verzerrt, die Nase ein entstellter Schlitz. Kein besonders ermunternder Empfang. Wendet man seinen Blick dann schließlich von dem Kopf ab und hebt ihn, so blickt man überrascht in sich selbst. Denn an der Wand hängt ein aus unzähligen Splittern zusammengesetzter, kreisrunder Spiegel. Der Betrachter sieht sich gebrochen, einige Stücke des Gesichts fehlen, andere scheinen einem gleich doppelt oder dreifach aus dem Spiegel entgegen.

Auf dem Weg zum Renaissancesaal wird die Spannweite des Werks von Sebastian Gögel deutlich. Weitere Skulpturen, Zeichnungen, Gemälde und Fotografien von Tattoos ziehen die Blicke auf sich. Im Renaissancesaal selbst thront in der Mitte die riesige Holzskulptur »Der Kassierer«. Ganz unscheinbar wirkt neben dieser Skulptur eine kleine Figur, die mich persönlich sehr berührt hat. Mit »come rain or come shine« scheint die Traurigkeit Form angenommen zu haben: es kommt mir vor, als sei dieses Wesen aus Tränen geformt und schleppe sich zerfließend vorwärts.

Die ausgestellten Werke wirken insgesamt schaurig und dunkel. Von der Wand schauen dem Besucher kleine Fratzen entgegen; großformatige Gemälde, in denen giftige Farben das schwarze Nichts zerreißen, verwirren die Sinne und die Skulpturen scheinen einer bösen Fantasiewelt zu entstammen, wie ein Medusenhaupt, aus dem Schlangen aus allen Öffnungen herausbrechen. Und was sagt der Künstler selbst dazu?

Sebastian Gögel gibt sich überrascht, als ich ihm meinen Eindruck schildere. Seine Werke sind nicht schaurig, sie sind »charaktervoll« und »sprudelnd«, sie sollen dem Betrachter Spaß machen! In Anlehnung an die barocke Kunst, die für Sebastian Gögel für einen ausschweifenden, alles verprassenden Lebensstil steht, der unweigerlich in Selbstzerstörung mündet, sind in beinah all seinen Werken Kringel (Voluten) eingebaut. Gekringelt sind die Nasenlöcher der Monster, die Zunge, die ein Poseidon dem Betrachter entgegenstreckt, der Kopf des Kassierers. Und so thematisieren alle Kunstwerke die fortlaufende Zerstörung und Erneuerung aller Dinge und scheinen in ihrer starken Körperlichkeit vor Energie überzulaufen. So auch das Gemälde »Euphoria«: Schwarze Gitterstäbe trennen den Betrachter von einer aufgewühlten Welt, in der wilde Farben mit Schwarztönen um die Vorherrschaft kämpfen. Aus solchen Motiven spricht die Zerrissenheit, die den Künstler ständig begleitet und auch der Betrachter kann hierin seine konträren Gefühle und Gedanken wiederfinden.

Sebastian Gögels Werke beeindrucken in ihrer Kraft, sie erzählen Geschichten vom Leben. Mehr noch: sie sind das Leben mit all seinen Widersprüchlichkeiten und stehen ebenso für Vernichtung wie für Neuanfang. Trotz dieser neuen Einblicke kann ich den Schauer nicht leugnen, der mir bei der Betrachtung einiger Werke über den Rücken läuft. Und auch Sebastian Gögel, der immer wieder betont, dass er dem Betrachter Freude bereiten möchte, fügt schmunzelnd hinzu: »Angst macht manchmal auch Spaß«.

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