Ausstellungsbesprechungen

Silke Hemmer, Linda Krimmel, Tetsuya Kuzuhara - Aus anderem Winkel, Galerie im Landratsamt Böblingen, bis 19. Oktober 2012

Ausstellungen im öffentlichen Raum bieten regionalen Kunstschaffenden hervorragende Möglichkeiten ihre Arbeiten zu präsentieren und sollten deswegen mehr Beachtung finden. Günter Baumann hat die gemeinsame Schau dreier Künstler in der Galerie des Landratsamts von Böblingen beschaut.

In Zeiten wachsender kultureller Vielfalt und schwindender Freizeit für musische Belange suchen sich Künstler vermehrt Orte, die weniger Hürden aufweisen als die klassischen Musentempel, Galerien und Museen: Optimal sind da die Rathäuser und Landratsämter geeignet, die in der Regel als Durchlaufstation für ein gemischtes Publikum fungieren, das nebenbei von der Kunst partizipiert, welche sich zuweilen links und rechts der Bürostuben ausbreitet. So flüchtig der Blick auch sein mag, stößt man doch immer wieder auf beachtenswerte Ausstellungen, die nicht deshalb weniger geschätzt werden sollten, weil sie quasi im öffentlichen Raum stattfinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Schau dreier Künstler im Landratsamt Böblingen, die mit rund 80 Arbeiten eine breit aufgestellte Übersicht über die regionale Kunst bietet.

Silke Hemmer präsentiert farbbetonte Innen- und Außenraumidyllen, deren buntfröhliche Ausstrahlung zuweilen auf eine trügerische Affirmation pochen; Linda Krimmel zeigt skurrile Objekte, die mit viel Witz überzeugen, aber auch in ihren Schattenseiten betrachtet werden müssen; dazu stellt der aus der Mandschurei stammende Tetsuya Kuzuhara ein abstraktes Werk aus, das zum Verweilen einlädt und durch seine Symboltiefe aufmerken lässt. Kurzum: Was als durchaus nette Ausstellung durchgeht, lohnt einen zusätzlichen, vertieften Blick. Zum Glück hat sich auch in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Ausstellungsmöglichkeiten im nichtmusealen Bereich deutlich an Qualität zugenommen haben, was nicht zuletzt dem wachsenden Interesse geschuldet ist – ganz zu schweigen von den potentiellen Kaufinteressenten aus einer Bevölkerungsschicht, die sich oft genug scheut, Galeriekunst zu erwerben, aber doch geneigt ist, sich mit Kunst zu umgeben.

Silke Hemmer (geb. 1954), die von der Dekorationskunst herkommt und an der Freien Kunstschule in Stuttgart studiert hat, konfrontiert gern klar fokussierte Farbfelder mit vagen Formschemen und verknüpft surreale Elemente mit comichaften, aber menschenleeren Interieurs. Am stärksten ist sie in ihren Collagen, die die Farbe nicht als alleinigen Maßstab nimmt, sondern als bunte Kulisse für fotografische Schwarzweißmotive. In dieser Korrespondenz von historisch anmutender Dokumentation und grellbunter Illusionsmalerei entfaltet die Künstlerin eine kritisch hinterfragbare Anmut und malerische Leichtigkeit, die zwar ihre Nähe zum Dekorativen nicht verheimlicht, doch zugleich technisch brillant auf den schönen Schein in unserer Wahrnehmungswelt hinweist. Souverän integriert Hemmer die Fotomotive in ein urbanes Um- bzw. Farbfeld, wodurch eine historische Verbindlichkeit entsteht, die durchaus vertraut erscheint – als seien die sichtbaren Ortsmotive Zeichen unserer Erinnerung.

Linda Krimmels (geb. 1948) figurative Wesen sind Zeitgenossen aus dem unerschöpflichen Materiallager unserer Straßen und Altwarenhandlungen. Voll ironischer Spitzen auf die Ready-made-Kultur geistern die Objektfiguren als »Drei Nönnchen« oder »Glasperlenspieler« durch die Vitrinen und über die Räumlichkeiten hinweg. Krimmel versteht die Phantasie der Betrachter zwanglos mitzunehmen. Ist die humorvolle Präsenz der Arbeiten die publikumswirksame Seite, finden sich auf der Kehrseite allerhand archaische Assoziationen und Vanitassymbole – man denke etwa an die Einbeziehung von Tierschädeln oder Masken. Viele Figuren wecken Assoziationen an totemistische Traditionen etwa indianischer Kulturen.

Beide Künstlerinnen sind der gegenständlichen Welt verpflichtet, während der dritte Aussteller Tetsuya Kuzuhara (geb. 1940) ungegenständlich arbeitet. Seine Mischtechniken zeigen einen spontanen Duktus, der gebremst zu werden scheint durch die – vor allem im Kontrast zu Hemmers Leuchtfarbigkeit – verhaltene Verbundenheit von Erdfarben im Austausch mit flüchtigen Bleistiftspuren. Ausdrücklich beschreibt Kuzuhara seine meditative Kunst denn auch als Spurensuche, die ihre Ausrichtung vorwiegend in den vagen linearen Vorgaben findet. Die Arbeiten Kuzuharas sind sicherlich am stärksten, gleichwohl versperren sie sich einem schnellen Zugang. Immerhin erkennt man in den Werken ein Stück weit den Ausdruck einer mal zornig drängenden, dann wieder zärtlich tastenden Handschrift, die zuweilen die Unmittelbarkeit eines Graffiti erreicht. Die chiffrierten Notate ähneln Gedanken, die sich noch als Empfindung im Unbewussten aufhalten, bevor sie zum Wort gefunden haben.

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