Rezensionen, Buchrezensionen

Stephan Füssel (Hrsg.): Luther Bibel. Der komplette Nachdruck von Luthers Standardwerk von 1534, Taschen Verlag 2012.

1534 erschien zum ersten Mal die komplette Bibelausgabe in der Übersetzung Martin Luthers auf dem Markt und ihr Erfolg war beträchtlich. Der Taschen Verlag hat ein zweibändiges Faksimile der ersten Gesamtausgabe herausgegeben und mit einer lesenswerten Einleitung von Stephan Füssel versehen. Jan Hillgärtner hat sich die Bände einmal näher angesehen.

Die Bibel Martin Luthers ist, entgegen dem immer noch populären Glauben, nicht die erste Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche. Mit Sicherheit sind aber die beiden Bände, die Hans Lufft in Wittenberg im Auftrag des Reformatoren 1534 gedruckt hat, die sprachhistorisch einflussreichsten Übersetzungen. Auch war diese Ausgabe nicht die erste Fassung von Luthers wahrscheinlich wichtigstem Werk. Für mehr als ein Jahrzehnt gab Luther bereits in Einzellieferungen Teile seiner Bibelübersetzungen heraus und verließ sich, seiner Krankheit geschuldet, bei den letzten Teilen der Übersetzung auch auf die Hilfe seiner Mitstreiter Philipp Melanchthon und Justus Jonas. Die 18 Ausgaben der Bibel, die vor Luther gedruckt wurden, waren schwere Kost, folgten sie doch getreu dem Motto verbum e verbo, was in den deutschsprachigen Ausgaben häufig zu unklaren Ausdrücken und Sinnverdrehungen führte.

Druckhistorisch ist die Bibel eines der wichtigsten Bücher der Frühen Neuzeit gewesen. Zu Beginn des Drucks mit beweglichen Lettern in der Mitte des 15. Jahrhunderts gehörten Bibeln zu den von Druckern gerne gedruckten Büchern. Ein Absatz der Werke war immer gesichert, da es einen beständigen Bedarf an Bibeln gab. Noch lange orientiert sich die Gestaltung dieser heute teilweise fast unbezahlbaren Werke der Inkunabelzeit an dem Layout der Handschriften. Erst langsam setzte ein Prozess ein, den Text deutlicher in einzelne Bücher, Abschnitte und Teile zu gliedern, um auch andere Zugänge jenseits der linearen Lektüre dem Leser zu bieten.

Luthers Bibelübersetzung steht buchhistorisch schon in einer anderen Zeit. Ein einfaches Verweissystem macht es dem Leser möglich, schnell und unkompliziert durch den Text zu navigieren. Das Buch ist dazu geschaffen, in Ausschnitten gelesen zu werden. Und auch für Analphabeten hatte es einen anziehenden Charakter. Die Illustrationen sind in vielen Ausgaben koloriert worden und füllen teilweise eine ganze Seite. Auch das der Edition zugrunde liegende Exemplar der Weimarer Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist durchgängig und von kundiger Hand farblich ausgestaltet.

Der Buchschmuck ist, auch wenn bereits ein Reihe vollkommen ungeschmückter Bibeln gedruckt wurden und Luther sich in seiner theologischen Ausrichtung an den gemeinen Mann richtet, ein besonderes Merkmal der Bibelausgabe. Insgesamt ist der Druck mit 117 eigenständigen Holzschnitten des Meister MS ausgestattet, die in keiner der vorherigen Ausgaben nachweisbar sind. Das Bildprogramm ist für die folgenden Ausgaben stilbildend geworden. Der Meister orientiert sich einerseits an den jahrhundertealten Darstellungstraditionen, vor allem im Bereich der Evangelisten und deren Symbolik. Andererseits hat der Meister auch die 18 Bibeln und deren Bildprogramme gekannt, die vor dem Druck von 1534 erschienen sind. Dies wird beispielsweise deutlich daran, dass er sich in der Ausgestaltung der Motivik an einer handschriftlichen Historienbibel aus der Offizin Diebold Laubers orientiert hat. Weitere Beispiele lassen sich nachweisen, ohne dass allerdings eine direkte Abhängigkeit von einer einzelnen Vorlage nachweisbar wäre.

Die Leistung des Taschen Verlags ist es, die Bibel in einem kleineren Format vollfaksimiliert zu einem Preis von rund 40 Euro zu verlegen. Von unverhältnismäßigen Vergleichen sollte man sich zurückhalten, aber Luthers Programm war es, den vollständigen Text prinzipiell jedem zur Verfügung zu stellen. Jetzt gibt es einen Verlag, der dieses Unternehmen dokumentiert und dessen Niedrigpreispolitik gepaart mit hoher editorischer Qualität für das heutige Publikum einen ähnlichen Effekt hat. Leicht geschmälert wird der Eindruck dadurch, dass das originale Folioformat auf ein kleines, heute eher gängiges Buchformat reduziert wurde.

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