Ausstellungsbesprechungen

Streit ums Bauhaus. Kunsthalle Erfurt. 7. Juni bis 2. August 2009

Diese Ausstellung kann sich sehen lassen. An verschiedenen Stationen wird die künstlerische Heterogenität des Bauhauses verdeutlicht und erlebenswert gemacht. Rowena Fuß hat die Ausstellung für PKG in Erfurt besucht.

Programmatisch und sinnvoll sind die einzelnen Ausstellungsflächen bestückt worden: Anfangs sind die Formmeister des frühen Bauhauses auf Plakaten abgebildet. Im Anschluss geht es ein paar Stufen hinunter zum ersten Ausstellungsraum, der die Welt zeigt, die nach dem Ersten Weltkrieg untergegangen ist: Innerhalb von sorgsam abgemessenen Abständen hängen die Bilder an einer weiß getünchten Wand. Darunter das Porträt eines Bauernmädchens von Otto Fröhlich, das dem Besucher den Rücken zukehrt sowie die Darstellung eines Ateliers um 1900 und Landschaftsbilder. Auch die Skulpturen von liegenden Frauen, einer geschnitzten Kuh und einer hölzernen Mutter-Kind-Darstellung wirken in ihrer Machart archaisierend.

Eröffnet wird das Gespräch von den Kuratoren der Ausstellung. Um allen Missverständnissen zuvorzukommen, bezeichnete der Historiker Kai Uwe Schierz diese Ausstellung dabei sofort als kontrapunktorisches Pendant zu Weimar. Es ginge ihm nicht darum, das Bauhaus zu vergöttlichen oder als homogenen Kosmos darzustellen, sondern dessen innere und äußere Heterogenität im zeitgenössischen Kontext zu zeigen.
Seit seiner Gründung war das Bauhaus dem kritischen Druck konservativer und reaktionärer Kreise sowohl in der Stadt Weimar als auch im Land Thüringen ausgesetzt gewesen. Gropius gelang es jedoch immer wieder, die Unterstützung der sozialdemokratisch geführten Landesregierung in den verschiedenen Streitigkeiten zu gewinnen.
Justus H. Ulbricht, Historiker, erklärt, dass das Bauhaus einen Neuanfang bieten wollte. Die Suche nach der Sinnhaftigkeit und Eindeutigkeit der Nachkriegsgeneration sollte befriedigt werden. Die Frage „Wie wollen wir leben?“ führte jedoch auch im Bauhaus selbst zu einer Kontroverse zwischen Historismus und Avantgarde.

„Ohne Kontroverse funktioniert die Gesellschaft nicht.“

Statt einer bloßen Werkschau versucht man in Erfurt, die verschiedenen ästhetischen und weltanschaulichen Positionen der Freunde, Förderer, Kritiker und Feinde des Bauhauses sichtbar zu machen, wodurch eine flexiblere Konzeption der Ausstellung möglich wurde. So bezeichnet Ute Ackermann, Kunstwissenschaftlerin aus Weimar, die Erfurter Ausstellung auch als Torpedoboot im Gegensatz zum Mutterschiff Weimar.

Das pädagogische Konzept des Bauhauses bestand darin, die Künstlerausbildung im Handwerk zu fundieren, da nur die Methodik der Kunst, nicht aber die Kunst selbst lehrbar sei. Daher erfolgte die Lehre in einer Werkstatt und nicht in einer Akademie. In der Nachkriegszeit konnten die gesteckten Ideale jedoch aufgrund mangelnder Gelder und Werkstattausstattungen kaum umgesetzt werden. Ein um 1921/22 von Theo van Doesburg ausgehender De Stijl-Einfluss ließ die ersten Werke daher eher reaktionär-expressionistisch aussehen. Diese Anfänge mit expressionistischen Stücken thematisiert die erste Bühne der Erfurter Ausstellung. Gemälde aus dem Kreis von Molston zeigen abstrahierte Formen in knalligen Farbkontrasten. Motivische Gegensätze bieten sich auch bei den einzelnen Künstlern. Klassische Naturstudien Karl Peter Röhls hängen neben seinen späteren konstruktivistischen Arbeiten. Gleich gegenüber: grafische Szenen aus dem Nibelungenlied von Hans Gross. Auch ihrer Gesinnung nach hängen hier zwei konträre Positionen: Röhl der Kommunist und Gross der Antisemit, der Gropius als „Führer“ der Moderne verehrte.
Auf der zweiten Bühne finden die Werke der Künstler Beachtung, die sich von Anfang an gegen das Bauhaus in Weimar stellten: Paul Wilhelm Tübecke, Richard Starcke und Mathilde von Freytag-Lorighoven. Passend zu ihrer konservativen und rekursiven Ansicht zur Kunst finden sich Stücke Bürgeler Keramik auf dieser Etage wieder. Interessant ist auch eine Litfaßsäule mit originalen Zeitungsausschnitten, die die zeitgenössische Reflexion widerspiegeln.
Auf der dritten und letzten Bühne wird schließlich das präsentiert, wofür das Bauhaus den meisten bekannt ist: seine Architektur. Große Fotos vom Haus Sommerfeld und dem Haus am Horn stehen Goethes Gartenhaus gegenüber und thematisieren den Streit um das Neue Bauen. Aber auch Gouachezeichnungen Hermann Finsterlins, die auf einer Ausstellung 1919 in Weimar zu Kontroversen führten, da sie erste Entwürfe des organischen Bauens enthielten, hängen hier.

Fazit: Die Abfolge der einzelnen Stationen, die die verschiedenen künstlerischen Umsetzungen des Bauhausgedankens beinhalten, macht dem Besucher dessen innere wie auch äußere Heterogenität nur zu deutlich. Auch der neben den einzelnen Objekten befindliche zeitgeschichtliche Kontext in Form von Multimediaplätzen und originalen Zeitungsausschnitten mit dem Zeitgeschehen trägt zu einer sehenswerten Umsetzung bei.

Weitere Informationen


Öffnungszeiten:
Di. – So. 11.00 – 18.00 Uhr
Do. 11.00 – 22.00 Uhr

Kuratorenführungen am:
Do. 18.06. u. 23.07. um 18 Uhr
So. 28.06. u. 26.07. um 11.15 Uhr

Katalog:
Der Katalog zur Ausstellung ist nur im Museum erhältlich.
 

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