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Studientag: Barock-Perspektiven. Kunstwissenschaft und Barockforschung ca. 1880-1945, am 12. Februar 2011 in Frankfurt am Main

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewinnt die Barockforschung an Bedeutung für die Interpretation moderner Malerei und Theoriebildung im frühen 20. Jahrhundert. Denn an der bislang als "schwülstig" und "übertrieben" zurückgewiesenen Epoche konnte die formalistische Kunstgeschichte ihre Gegenbegriffe zur klassischen Norm bilden. Der Studientag soll die Gelegenheit geben, gemeinsam über die Ambivalenzen und die kulturellen und politischen Implikationen dieser im Zeichen der Moderne stehenden kunstwissenschaftlichen Barockforschung von ca. 1880 bis 1945 nachzudenken.

Mit den Arbeiten von Cornelius Gurlitt, Heinrich Wölfflin oder Albert Ilg beginnt in den 1880er Jahren eine bis zum Zweiten Weltkrieg dauernde Periode, in der die Barockforschung ein Hauptthema der deutschsprachigen Kunstwissenschaft war. In dem bislang als schwülstig und übertrieben perhorreszierten Barock erkannte man jetzt nicht nur die historische Voraussetzung einer für die moderne Malerei konstitutiven optisch-subjektivistischen Einstellung, sondern auch das Modell einer durch die Kategorien Bewegung und Raum sowie die urbane Dimension bestimmten neuen Architektur. Gerade am Beispiel des Barock entwickelte die formalistische Kunstgeschichte ihre Gegenbegriffe zur klassischen Norm; die Barockforschung wurde damit zu einem wichtigen Motor kunstwissenschaftlicher Theoriebildung im frühen 20. Jahrhundert. Diese offen oder implizit modernistische Rehabilitierung des Barock erstaunt angesichts der vormodern konnotierten Vorstellung einer landläufig mit Katholizismus (‚Jesuitenstil‘) und Ancien régime assoziierten Epoche. Dies führte andererseits dazu, dass der Barock zur Projektionsfläche für konservative Sehnsüchte nach einer verlorenen Einheit werden konnte, in der die Kunst noch eine organische gesellschaftliche Aufgabe erfüllt habe.

Der Studientag soll die Gelegenheit geben, gemeinsam über die Ambivalenzen und die kulturellen und politischen Implikationen dieser im Zeichen der Moderne stehenden kunstwissenschaftlichen Barockforschung von ca. 1880 bis 1945 nachzudenken. Die Beiträge beleuchten die Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven. Zentrale Vertreter der Kunsthistoriographie des Barock werden analysiert, in ihrer aktualisierenden Bezugnahme auf die moderne Kunst (Riegl), ihrer begrifflichen Systematik (Schmarsow) bzw. ihrer politischen Biographie (Brinckmann). Thematisiert wird aber auch die Barock-Ideologie in Österreich-Ungarn, die Popularisierung des kunstwissenschaftlichen Barock-Bilds und die der Vertreibung vieler Wissenschaftler folgende ‚Translation‘ der deutschen Barockforschung in die angloamerikanische Kultur.

Programm

9.30 Hans Aurenhammer (Goethe-Universität, Frankfurt am Main): Einleitung

10.00 Georg Vasold (Universität Wien): „Unzeitgemäß und veraltet?“ (Alois Riegl). Vom Barock zur Moderne und der Beitrag Rembrandts

10.50 Werner Telesko (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien): Zur politischen Instrumentalisierung des Barock in der Habsburgermonarchie im späten 19. Jahrhundert

11.40 Kaffepause

12.10 Ute Engel (Johannes Gutenberg-Universität Mainz): August Schmarsows System der Künste: Barock, Rokoko und der kunstgeschichtliche Raumbegriff

13.00 Pause

14.30 Evonne Levy (University of Toronto): Albert Erich Brinckmann's Baroque at the intersection of art history and politics

15.20 Joseph Imorde (Universität Siegen) Barocke Kunst und populäre Kunstgeschichte

16.10 Kaffeepause

16.40 Andrew Leach (Griffith School of Environment, Southport, Australia)
The Future of the Baroque, ca. 1945: Panofsky, Stechow (and Middeldorf)

17.30 Schlussdiskussion

Weitere Informationen

Veranstaltungsort: Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Campus Westend (Grüneburgplatz 1), Casino, Raum 1.801

Die Teilnahme ist kostenlos. Aus organisatorischen Gründen wird um eine formlose und unverbindliche Anmeldung an: k.mueller@kunst.uni-frankfurt.de gebeten.

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