Ausstellungsbesprechungen

Tanz in der Antike, Akademisches Kunstmuseum Bonn, bis 27. August 2017

Das Akademische Kunstmuseum am Bonner Hofgarten gehört zum Archäologischen Institut der Universität Bonn und beherbergt neben seinen zahlreichen griechischen, etruskischen und römischen Originalen eine der größten Sammlungen mit Abgüssen antiker Skulpturen europaweit. In erster Linie dienen sie Lehrzwecken in der Ausbildung zukünftiger Archäologen, doch steht das Museum auch der interessierten Öffentlichkeit offen. Kleinere Spezialausstellungen beleben regelmäßig das Programm dieses »verborgenen Museums«, das in der Bonner Museumslandschaft zweifellos mehr Beachtung verdient hätte, als ihm gemeinhin zukommt. Über eine hoch interessante Sonderausstellung zum Thema »Tanz in der Antike« berichtet Rainer K. Wick.

Dass dem Tanz bei den alten Griechen eine herausragende Rolle zukam, ist durch literarische Quellen wie auch durch antike Darstellungen in Form von Malereien und Skulpturen gut belegt. Der Kulturhistoriker Max von Boehn schrieb 1925 in seinem immer noch lesenswerten Standardwerk »Der Tanz«: »Der Tanz gehörte so wesentlich zur Verehrung der Götter, dass der Mythos sie selbst zu Tänzern macht [...]. Alle Götter tanzen, selbst Zeus mischt sich in den Reigen. [...] So gibt es denn auch keinen griechischen Tanz, der nicht ursprünglich auf den Kult zurückzuführen wäre.« Davon zeugt schon der Auftakt zur Sonderausstellung im Akademischen Kunstmuseum. So wird der Eingang links von einem tanzenden Satyrn mit Fußklapper und rechts einer sitzenden Nymphe flankiert. Beide Figuren gehörten ursprünglich zusammen und bildeten eine Einheit, so dass die moderne Forschung dieser hellenistischen Gruppe den modischen Titel »Aufforderung zum Tanz« gegeben hat. Derart eingestimmt, erwarten den Besucher der Ausstellung etwas mehr als sechzig Exponate griechischer, etruskischer und römischer Provenienz aus dem Zeitraum zwischen dem 7. Jh. vor und dem 3. Jh. nach Christus – Statuen, Reliefs, Kleinplastiken, bildliche Darstellungen auf antiken Gefäßen.

Die Ausstellung dokumentiert die unterschiedlichsten Formen und Praktiken des antiken Tanzes. Breiten Raum nehmen Darstellungen des bei den Griechen populären Reigentanzes ein – von einem archaischen Weihrelief aus dem 6. Jh. v. Chr., das in strenger Abfolge die drei Chariten, die Göttinnen der Schönheit und des Liebreizes, zeigt, bis hin zu den sogenannten Borghesischen Tänzerinnen aus dem 2. Jh. n. Chr., die sich vor einem architektonischen Hintergrund in elegant fließenden Schritt- und Drehbewegungen präsentieren. Im Unterschied zu ihren langen Gewändern besitzen die bei Kultfesten auftretenden, liebreizenden Kalathiskos-Tänzerinnen, die korbartige Kopfbedeckungen tragen und auf den Zehenspitzen tanzen, kurze, um die Hüften flatternde Gewänder aus dünnem Stoff, die die jugendlichen Körper voll zur Geltung kommen lassen.

Bei bestimmten Anlässen konnten die Tänze ekstatische Ausmaße annehmen. Dies gilt vor allem für die dem Weingott Dionysos geweihten Umzüge, zu deren Erscheinungsbild die Mänaden gehörten, jene sich dem Rausch und der Raserei hingebenden mythischen Begleiterinnen der Gottheit. So anmutig diese tanzenden Mänaden auf den ersten Blick erscheinen mögen, so sehr konnten sie doch außer Kontrolle geraten, wie ein Relief aus der Zeit um 400 v. Chr. belegt, das eine Tänzerin zeigt, die gerade mit einem Messer ein Zicklein zerteilt hat. Darstellungen von berauschten Mänaden kommen häufig auch in der griechischen Vasenmalerei vor. So findet sich auf einem exzellent erhaltenen attisch-rotfigurigen Kelchkrater (Mischgefäß für Wein) aus spätklassischer Zeit (um 350 v. Chr.) das Bild einer Tanzenden mit einer Handtrommel, die in Ekstase ihren Kopf nach hinten zurückwirft.

Nicht fehlen darf in der Ausstellung ein Nachguss der berühmten hellenistischen Statuette des sogenannten Tanzenden Fauns aus dem 1. Jh. v. Chr., die im Atrium der Casa del Fauno, einer Luxusvilla in Pompeji, aufgefunden wurde. Ob es sich tatsächlich um einen Faun, eine altitalische Gottheit des Waldes, handelt, oder um einen der griechischen Welt des Dionysos zuzurechnenden Satyr, mag dahingestellt bleiben. Unstrittig ist aber, dass dieser hinsichtlich Mimik, Gestik und tänzerischer Motorik eindrucksvollen nackten Figur ein geradezu ikonischer Status zukommt. – Dass nicht alle antiken Tanzdarstellungen einen kultischen Hintergrund hatten, zeigen etwa das Relief eines Kriegers beim Waffentanz oder ein etruskischer Kelchkrater (um 350 v. Chr.), auf dem ein fettleibiger nackter Zecher zu sehen ist, der im Anschluss an ein ausgiebiges Gelage tanzend durch die nächtlichen Straßen zieht und dabei in seiner rechten Hand eine Weinkanne hält.

Zahlreiche Beispiele in der Bonner Ausstellung belegen, dass im Altertum Tanz und Musik eine unauflösliche Einheit bildeten. Gespielt wurde auf den gerade erwähnten Handtrommeln, sogenannten Tympana, oder auf Kymbala, kleinen Schallbecken (der Name hat sich in unserer »Zimbel« erhalten). Zum Einsatz kamen auch das Krotalon (eine den Kastagnetten ähnliche Klapper), die allseits bekannte Panflöte und der Aulos, ein schon im alten Ägypten gebräuchliches gedoppeltes Rohrblattinstrument, und als Melodie- und Begleitinstrument zum Gesang diente die Kithara, ein Saiteninstrument, das von Apollon in seiner Rolle als Musenführer gespielt wurde.

Zu dieser kleinen, aber unbedingt sehenswerten Ausstellung ist im Habelt-Verlag Bonn ein informativer, hundert Seiten starker Katalog erschienen, in dem alle Exponate abgebildet sind und knapp kommentiert werden (17,80 € im Buchhandel, 10,- € an der Museumskasse). Die Ausstellung läuft noch bis zum 27. August 2017. Da es sich um ein Universitätsmuseum handelt, dessen personelle Ressourcen bedauerlicherweise eher begrenzt sind, ist es für Öffentlichkeit leider nur dienstags bis freitags von 15 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr zugänglich.

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