Meldungen zum Kunstgeschehen

Timm Ulrichs – Blick zurück nach vorn, Museum Ritter in Waldenbuch, bis 19. September 2010

Timm Ulrichs gehört zu den einfallsreichsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Abseits des künstlerischen Mainstreams hat er ein komplexes Werk entwickelt, das genreübergreifend sämtliche existierenden kunsthistorischen Kategorien sprengt. In den vergangenen fünfzig Jahren hat der Künstler ein ebenso umfangreiches wie beeindruckendes Werk geschaffen und damit die Kunst des deutschsprachigen Raums nachhaltig beeinflusst. Eine Empfehlung von Verena Paul.

Das Museum Ritter ehrt den Künstler anlässlich seines 70. Geburtstages mit einer groß angelegten Einzelschau. Dazu werden im gesamten Obergeschoss des Museums rund achtzig Werke aus den vergangenen fünf Dekaden seines Schaffens zu sehen sein, darunter Collagen, Siebdrucke und Installationen. Ein filmisches Porträt und mehrere Arbeiten im Außenraum runden die Präsentation ab. Die Museumsleiterin und Kuratorin Gerda Ridler bringt die Konzeption der Ausstellung auf den Punkte, wenn sie sagt: »Und wie es sich für einen rastlos schaffenden kreativen Kopf wie Timm Ulrichs gehört, der sich selbst zum Totalkünstler ernannt hat, wird das Ergebnis umfassend und vielfältig, retrospektiv und zukunftsweisend sein: ‚Ein Blick zurück nach vorn’«.

Blickt man auf das heterogene Gesamtwerk diese Kunstschaffenden, können trotz einer großen Vielfalt an Themen, Medien und Techniken grob zwei Richtungen ausgemacht werden. An Goethes »Faust« angelehnt, erklärt Timm Ulrichs: »Zwei Seelen leben in meiner Brust: eine dadaistische und eine konstruktivistische«. Es ist naheliegend, sich in einem Museum, das sich auf das Quadrat in der Kunst und somit auf konkret-konstruktive Tendenzen spezialisiert hat, Werkgruppen zu zeigen, die sich auf Ulrichs’ konstruktivistisches Wirken beziehen. Der geschärfte Blick auf Alltägliches, das Hinterfragen von allgemein Gültigem und die Verflechtung von Kunst und Leben lassen den roten Faden in Timm Ulrichs’ Œuvre erkennen. Eine seiner künstlerischen Zielsetzungen ist die Sichtbarmachung des Unmöglichen, weshalb wir uns als Besucher nicht wundern dürfen, wenn in der idyllischen Landschaft des Aichtals – die sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums befindet – sowohl tanzende Bäume als auch die Quadratur des Kreises begegnen.

Besonders spannend finde ich, dass das Museum Ritter die Verwobenheit der bildenden Künste mit der Sprachkunst bei Ulrichs demonstriert und der Ausstellungsbesucher auf diese Weise viel über dessen Verhältnis von Wort zu Bild, über Paradoxien und Tautologien oder über die Relativität unserer Maßstäbe erfahren kann. Neben Timm Ulrichs Paradigmen der Konkreten und Visuellen Poesie sind Verbildlichungen von Sprichwörtern und Redensarten zu sehen. Dergestalt werden Metaphern vergegenständlicht, geflügelte Worte konkretisiert und erlangen Gedanken und Begriffe eine faktische Substanz.

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