Kataloge

Trnek, Renate (Hrsg.): Selbstbild. Der Künstler und sein Bildnis, AusstKat. Der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien. Verlag Hatje Cantz, Ostfildern- Ruit 2004.

Der Titel dieses Bandes „Selbstbild. Der Künstler und sein Bildnis“ vermeidet Eindeutigkeit.

Denn wäre er mit „Selbstbildnisse“ überschrieben, so wäre er in seinem Bedeutungsspielraum - wie die Linguisten sagen würden – zu denotativ, zu klar und konstant festgelegt: Der Maler vor der Staffelei, womöglich mit der Palette in der Hand oder angestrengt musternd in seinem Spiegelbild versunken. Auf jeden Fall dieser insistierende und oft wie eingefrorene, fixierend-bohrende Blick; ein starres, unnatürliches Sich-Taxieren und Befragen in der Endlosschleife des Imaginären, in der stummen Zwiesprache mit sich selbst: „Wer bin ich? Wie sehe ich außen, was ich innen halbwegs zu kennen glaube, ohne es zu wissen? Wie tief lässt sich das ausloten, was das Leben mit mir getan hat?“So aber ist der Titel vage und lässt Spielräume offen. - Was ließe sich denn nicht fassen unter dem Untertitel „Der Maler und sein Bildnis“?

Die Verfasser dieses Buches, eines Ausstellungskatalogs, haben einen probaten Trick angewandt: Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien, Schillerplatz 3, birgt ungeahnte Schätze, die von den Hauptströmen der Wien-Besucher meistens sträflich missachtet werden. Wie dem Abhilfe schaffen? Man nehme einige markante Meisterwerke aus der an Meisterwerken der europäischen Malerei vom 15. bis 19. Jahrhundert durchaus respektablen eigenen Sammlung, schaffe ohne großen Aufwand aus der näheren Umgebung einige andere hinzu, gruppiere sie thematisch zu lockeren konzentrischen Kreisen, wobei der übergeordnete Gesichtspunkt so frei gewählt sein muss, das unter einem großen Dach (will sagen ebenso unscharfen wie zugkräftigen Titel) sich manche Gemälde zwanglos versammeln lassen. – Entstanden ist ein anregendes Buch, das von 9 Autorinnen und Autoren gestaltet wurde, die ebenso wie die Bilder fast alle aus Wien kommen. Da erspart man sich große Anfragen, Transport- und Versicherungssummen, synergetische Effekte nennt man so etwas heutzutage.

Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen, denn so wird man beispielsweise wieder einmal auf das wunderbare Selbstbildnis des gerade 15jährigen Anthonis van Dyck aufmerksam, welches reizvoll mit Rubens’ zur selben Zeit, nämlich gegen 1614 gemalten Bild seines hoch geschätzten jungen „allievo“ (=Mitarbeiters) aus dem Rubenshaus in Antwerpen konfrontiert wird. Solche Konstellationen gehören ebenso zu den Glanzlichtern wie die reiche Selbstporträtserie der Professoren und Malerfürsten, welche nach der Neugründung der Wiener Akademie durch Marie Theresia im Jahre 1726 ihr Konterfei als Visitenkarte oder Nachlassstempel ihrer Kunst hinterließen. An dieser institutionseigenen „Ahnengalerie“ lässt sich repräsentativ, wenn auch keinesfalls auf gleich hohem Niveau, der stilistische Wandel bis an die Schwelle des 20 Jahrhunderts ablesen.

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Das Buch ist recht klar aufgebaut. Der Basisartikel von Rudolf Preimesberger holt weit aus: Jan van Eycks van der Paele-Madonna und Parmigianinos berühmtes Selbstporträt vom 30. Oktober 1524 im Konvexspiegel, vom 21-Jährigen als Empfehlung für den Papst angefertigt, dienen dazu, den Begriff der Selbstreflexivität aufzubrechen. Es geht ziemlich unscharf um Spiegelungen des Selbstbewusstseins und Reflexionen des Künstlertums im weitesten Sinn. Aber damit wird den 16 nachfolgenden Kapiteleinteilungen der Ausstellung der Weg bereitet. Dann folgt der Katalogteil: links der jeweils einseitige Kommentar, rechts die ganzseitige Abbildung. Die thematischen Schwerpunkte sind, auch gemessen an den wenigen Bildbetrachtungen, die sie manchmal enthalten, recht großspurig formuliert. Die weit gestreuten Aspekte behandeln etwa intellektuelle Malermythen wie die Zeuxis-oder Pygmalion-Legende, das Stillleben als Ensemble von Geheimzeichen und Verweisen auf seinen Schöpfer, die sich wandelnde Standortbestimmung des Malers zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Etliche Kapitel sind so vage überschrieben (“Maler, Künstler, Unternehmer“, „Ein respektabler Stand“), dass wenig ersichtlich wird, worin der Themabezug liegen soll. So wunderschön die Steckbretter eines Samuel van Hoogstraten als Kabinettstücke des Trompe-l’oeil sind, sie lassen sich nur schwer unter der Leitfrage fassen: „Wie repräsentiert sich der Maler in seiner Abwesenheit in seinem Bild?“  Solche in den gemalten Gegenständen versteckte „Selbstimplizierung“ überanstrengt den Rahmen des „Selbstbilds“, auch wenn sie an die verstohlene Art der Signatur in der frühen Neuzeit zurückdenken lässt.

Mancher Aspekt des solchermaßen sehr weit aufgefächerten Selbstbildnis-Begriffs wird auch schlichtweg zu flüchtig gestreift. Deshalb ist von dem Katalog auch keine wissenschaftliche Innovation zu erwarten, eher eine gewisse Auflockerung eines allzu starren Gattungsbegriffs. Aber vielleicht wollten die Autoren mit ihren knapp gehaltenen Hinweisen sich damit begnügen, zum Betrachten viel zu wenig beachteter Gemälde zu verführen.

Bibliographische Angaben

Trnek, Renate (Hrsg.): Selbstbild. Der Künstler und sein Bildnis. 
Katalog zur Ausstellung in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien. 23 x 28 cm, 263 Seiten, 132 Abb., davon 114 in Farbe,Verlag Hatje Cantz, Ostfildern- Ruit 2004.
ISBN: 3-7757-1480-4
Preis: 39,80 €

 

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