Verleger vorgestellt

Viel Karriere, viel Engagement und kein Ende in Sicht - Dr. Jürgen A. Bach, Seemann Henschel Verlage.

Dr. Jürgen A. Bach, der Geschäftsführer der Seemann Henschel Verlage, spricht im Interview über seinen abwechslungsreichen und erfolgreich verlaufenden Lebensweg in der Verlagsbranche und gibt einen Einblick in die Geheimnisse seines (Verlags-) Erfolges.

Jürgen A. Bach©Antje Fleischhauer
Jürgen A. Bach©Antje Fleischhauer

Namensgeber der Verlagsgruppe ist der älteste deutsche Kunstverlag, der Verlag E.A. Seemann. 1858 von Ernst Arthur Seemann in Leipzig gegründet, war er der erste Verlag, der  sich ausschließlich auf Kunstliteratur und Gemäldereproduktionen spezialisierte, mit Erfolg. Zu den Leistungen seines Gründers gehört die Herausgabe der ersten deutschen Kunstzeitschrift: ab 1866 erschien die „Zeitschrift für bildende Kunst“ mit der als „Beiblatt“ erscheinenden „Kunstchronik“, die über Auktionen, Ausstellungen und andere Neuigkeiten informierte. Der Seemann Verlag hat mit seinen Publikationen auch die Herausbildung der Kunstgeschichte als wissenschaftliche Disziplin wesentlich mitbestimmt.
Seit 1911 erscheint im E.A. Seemann Verlag der „Thieme-Becker“, DAS Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, seit 2009 auf DVD-ROM.

Bis zur Enteignung der letzten Inhaberin Irmgard Nußbaum-Seemann 1952 war der Verlag im Familienbesitz, in der DDR wurde er ein volkseigener Betrieb. Der E.A. Seemann Verlag gehört zu den wenigen Verlagen, die nach dem Ende der DDR ihr Profil und ihren Namen weiterführen konnten. Seit 2003 ist er im Besitz der Gesellschafter Bernd Kolf und Jürgen A. Bach und gehört zur Verlagsgruppe Seemann Henschel GmbH & Co.KG.

Antje Fleischhauer hat sich auf der Leipziger Buchmesse mit Dr. Jürgen A. Bach getroffen, dabei ging es auch um den E.A. Seemann Verlag von heute.

Herr Dr. Bach, Sie sind geschäftsführender Gesellschafter der Seemann Henschel Verlage, die sich aus insgesamt vier Verlagen zusammensetzen: dem E.A. Seemann Verlag, dem Verlag Edition Leipzig, dem Koehler und Amelang Verlag, allesamt in Leipzig, und dem Henschel Verlag in Berlin. Wie kam es zu diesem Zusammenschluss?

Die Verlage, außer Koehler und Amelang, waren schon in einer Gruppe vereint, die gehörten zusammen zur Dornier-Medien-Holding. Und als diese sich von den drei Verlagen trennen wollte, haben wir unser Interesse angemeldet und die Verlage übernommen, das war im April 2003. Im Sommer 2004 haben wir den Koehler und Amelang Verlag von der Deutschen Verlagsanstalt bzw. von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in München gekauft und nach Leipzig zurückgebracht, so dass wir seit dieser Zeit die vier Verlage unter einem Dach vereinen.

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Wie kann man sich diesen Zusammenschluss vorstellen? Gibt es da auch eine Zusammenarbeit oder existieren die Verlage völlig getrennt voneinander und haben auch thematisch nichts miteinander zu tun?

Sie unterscheiden sich schon thematisch, sie haben verschiedene Programmstrukturen und Profile. Aber im Vertriebsbereich, im kaufmännischen Bereich und im herstellerischen Bereich werden sie zentral gesteuert und verwaltet, so dass dort eine Zusammenarbeit stattfindet. Die Lektorate haben jeweils eigene Aufgaben und von daher ist es eine Mischung von einzelnen Verlagen, die für sich arbeiten, und einer Organisation, die alles Wichtige zusammenfasst.

Also gemeinsame Organisation, thematische Trennung. Und die Verlage treten auch nach außen getrennt auf?

Sie treten als Verlagsgruppe auf, aber jeweils als eigene profilierte Programme.

Sie sind Vorsitzender des Verlegerausschusses im Börsenverein des Deutschen Buchhandels und im Beirat der Leipziger Buchmesse, auf der wir uns gerade befinden. Wie verlief Ihre Karriere? Wie sind Sie Verleger geworden?

Wie viel Zeit haben Sie? (lacht)

Nur begrenzt…

Zunächst einmal bin ich nicht mehr Vorsitzender des Verlegerausschusses. Das war ich bis vor zwei Jahren. Ich bin Mitglied im Verlegerausschuss, aber nicht mehr Vorsitzender. Das war ich sechs Jahre lang. Im Beirat der Leipziger Buchmesse bin ich noch, da bin ich auch gern.
Ich bin relativ spät in die Verlegerei gekommen, erst habe ich Speditionskaufmann gelernt. Das hatte mit meinen Eltern zu tun, die eine Spedition besaßen, wo ich sehr gern einige Jahre lang gearbeitet habe. Mit 35 Jahren, nach Studium und Promotion, bin ich dann zu Herder gegangen und habe eine Lehre als Verlagsbuchhändler angefangen.

War das der klassische Weg damals? Erst einmal die Lehre als Buchhändler?

Für mich war es wichtig, zu wissen, wie ein Verlag funktioniert und nicht als promovierter Historiker, der von nichts eine Ahnung hat, dort einzusteigen. Das hätte mir nicht gefallen. Ich bin dann noch einmal richtig in die Lehre gegangen, habe ein Volontariat gemacht und parallel dazu eine Lehre. Die Lehre hab ich natürlich auch abgeschlossen, wie sich’s gehört und wurde danach von Herder übernommen.
Ich blieb 10 Jahre dort, war in verschiedenen Positionen tätig, u. a. als Lektor und Marketing-Leiter. Ich habe zwei Jahre und sehr gern das Kinderbuchlektorat geleitet, das war die Zeit, in der meine Kinder auch noch klein waren, das habe ich sehr gern gemacht. Ich habe immer noch eine hohe Affinität zu den Kinder- und Jugendbuchverlagen.
Und nach ziemlich genau 10 Jahren bin ich als Cheflektor zu Ullstein nach Berlin gegangen, Ullstein und all die Verlage, die damals dazu gehörten. Nach zwei Jahren bin ich innerhalb der Gruppe nach Stuttgart gewechselt als Geschäftsführer von Kosmos, den die Verlagsgruppe gerade erworben hatte. Zwei Jahre später haben wir Belser dazu genommen und weitere zwei Jahre später übernahm ich auch die Verlagsleitung von Berlin, so dass ich permanent zwischen Stuttgart und Berlin gependelt bin.
1995 bin ich schließlich zu Dornier gegangen, der mich ansprach und sagte, er habe fünf Verlage aus der DDR übernommen und die wolle er wieder auf die Beine stellen. Das fand ich sehr reizvoll, mich hatte diese ganze Wende-Problematik gepackt. Ja, das wollte ich machen  und so habe ich die Verlage übernommen, bei 4 Millionen Mark Umsatz und ungefähr einem Verlust in gleicher Höhe. Als ich dann 2000, nach fünf Jahren, ging, waren die Unternehmen bei 35 Millionen und einem vernünftigem Ergebnis. Und dann bin ich noch mal zwei Jahre zurück zu Herder in die Geschäftsleitung. 2003 habe ich mich mit Herrn Kolf zusammen für die Ihnen bekannten Verlage engagiert und seit der Zeit gibt’s die vier Verlage in Leipzig und Berlin und wir versuchen, sie am Laufen zu halten.

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Was Ihnen ja offensichtlich glückt bisher?

Es gibt nie eine 100%ige Sicherheit bei Verlagen und es gibt auch nicht immer nur gute Ergebnisse. Das ist wie im Leben, ziemlich kunterbunt.

Also eine Herausforderung?

Ja, aber die nimmt man gerne an.

Gibt es bestimmte Themenbereiche, die Sie besonders interessieren?

Ja, es gibt schon Themenfelder, die einem noch ein wenig mehr Freude machen und besonders nachdrücklich interessieren. Da ich vom Studium her Historiker bin, ist die Kunstgeschichte und dort die Weimarer Zeit für mich besonders interessant. Aber auch die Ausbildungsliteratur bei Henschel hat hochinteressante Titel.

Herr Dr. Honnefelder, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, hat vor kurzem gesagt: „Inhalt und Inszenierung werden immer wichtiger für die Verlage, um sich auf dem Buchmarkt und gegen die Konkurrenz behaupten zu können.“ Gibt es dahingehend auch eine neue Ausrichtung der Seemann Henschel Verlage? Gerade auch im Zuge der  „Wirtschaftskrise“?

Ich schätze unseren Vorsteher und seine Statements. Wenn Sie ein tolles Buch machen, das niemand zur Kenntnis nehmen kann, weil Sie es auf die falsche Schiene gesetzt haben, wird es schwerlich erfolgreich sein können.
Es ist ja so, dass man bei einem Buchprojekt die mediale Präsentation oder Inszenierung immer gleich mitdenkt. Wenn wir bei Henschel Bücher über Schauspieler verlegen, dann tun wir das nicht, ohne darüber nachzudenken, wie wir es platzieren. Wie wird die Presse reagieren, wie kann sich der Besprochene selbst beteiligen, steht er dem Ganzen skeptisch gegenüber, wird er dafür etwas tun, hat er die Zeit etwas zu tun? Das sind alles Punkte, die man von vornherein berücksichtigen muss.

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Wie kommen Sie denn an ein Buch? Wie kann man sich das vorstellen?

Da gibt es viele Wege. Manchmal kommt ein Autor auf uns zu oder es taucht ein Thema in den Medien auf oder man sieht, wie ein Schauspieler sich entwickelt, eine tolle Rolle nach der anderen übernimmt und eine gewisse Ausstrahlung hat…

Sprechen Sie von Nina Hoss, deren Porträt  unlängst bei Ihnen verlegt wurde?

Ja, durchaus. Bei Nina Hoss kam noch eines hinzu: Der Vater war mir als  Betriebsratsvorsitzender von Daimler Benz in Stuttgart bekannt. Ein sehr tüchtiger, gescheiter Mann. Das hat jetzt nicht unmittelbar damit zu tun, aber manchmal ergeben sich ungewöhnliche Zufälle.
Ganz wichtig ist, dass man auch international die Augen aufhält, um Lizenzen zu übernehmen von Büchern und so an interessante Themen aus anderen Sprachräumen herankommt.

Wie ist es denn ganz speziell bei Nina Hoss, das ist ja nun eine Schauspielerin, die unheimlich gut ist, bei der man sich immer freut, wenn sie in deutschen Filmen zu sehen ist. Wie ist denn das Projekt „Nina Hoss“ zustande gekommen?

Na ja, der Ausgangspunkt ist, dass man sagt, das ist eine interessante Person, die macht tolle Filme, der eine Film hatte schon Erfolg, der andere wird sicher auch ein Erfolg sein. Nina Hoss hat eine unglaubliche Ausstrahlung und noch dazu einen Blitzstart hingelegt - sie ist einfach eine Persönlichkeit, die interessant ist. Dann sagt man sich: „Wen hätte man denn da, der etwas darüber schreiben kann?“ Man nimmt also sowohl den Kontakt zum Autor auf und gleichzeitig den zu demjenigen, der porträtiert werden soll, in diesem Fall Nina Hoss. Schließlich kann ein Verlag so ein Projekt nicht gegen die darzustellende Person machen, nicht nur aus juristischen Gründen.
Wir werden das Buch jetzt vorstellen im Deutschen Theater in Berlin nach einer abendlichen Vorstellung. Dabei ist es natürlich wichtig, dass Nina Hoss persönlich anwesend ist.

Wie finden Sie den Autor? Haben Sie mit den meisten vorher schon zusammengearbeitet?

Ja, wir kennen einige Autoren, von denen wir wissen, wie sie schreiben. Es gibt viele Journalistenkollegen, deren Schreibe wir kennen, die wir auch manchmal ansprechen. Wir haben zu einigen Journalisten und Autoren der überregionalen Zeitungen Kontakte. Die Zusammenarbeit macht viel Freude, das sind ja alles Leute, die was zu sagen und die selbst auch Ideen haben.

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Herr Dr. Bach, ich möchte noch zur Ausbildungssituation und Nachwuchsförderung einige Fragen stellen. In vielen Verlagen werden zwar Praktika angeboten, diese sind in der Regel aber unbezahlt. Es gibt sehr wenige Volontariate, dabei scheint es doch ein großes Interesse  zu geben, gerade bei den Universitätsabsolventen, in die Verlagsbranche einzusteigen. Wie sehen Sie das als Geschäftsführer von Seemann Henschel? Ist es auch eine Aufgabe der Verlage darauf zu achten, dass genügend zukünftige Verlagsmitarbeiter ausgebildet werden?

Natürlich sind wir daran interessiert, dass junge Leute nachkommen. Ich bin ja nun schon lange im Beruf und habe viele von den Kollegen in den Volontariaten gehabt, die inzwischen in den Verlagen ihren Weg gegangen sind. Wir haben also vor allem über die Volontariate im Lektorat die Möglichkeit auszubilden. Der Lektor ist ja kein klassischer Lehrberuf. Also können wir entweder geniale „Reinspringer“ finden, die sind aber so häufig nicht, oder eben ein Volontariat anbieten. Und dann schaut man am Ende, ob diese Leute bei uns bleiben oder auch woanders hingehen, auf jeden Fall sollten sie die Möglichkeit haben, in den Beruf hineinzuwachsen. Wir haben mit Volontären überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Manchmal merkt man vielleicht nach einem halben Jahr, das Fachgebiet ist nicht so passend, dann sollte derjenige wechseln.
Wir bieten in der Regel einjährige Volontariate an mit der Perspektive einer Verlagsassistenz, wenn diejenigen im Haus bleiben. Aber ich stelle mit großer Freude fest, dass die Volontäre, die nach diesem Jahr das Volontariat bei Seemann Henschel in ihrer Biografie stehen haben, wir haben ja keinen schlechten Ruf, meist erfolgreich den nächsten wichtigen Schritt bei anderen Verlagen machen.

Gibt es ein Buch, das Sie besonders beeindruckt hat?

Aus unserem Verlag? Obwohl ich selbstverständlich Bücher aus anderen Verlagen auch gut finde, (lacht) ist es natürlich immer sehr erfreulich, wenn Bücher aus dem eigenen Verlag einem besonders nahe sind. So etwas passiert zum Glück immer wieder.
Ich denke da an ein erzählerisches Sachbuch von Thomas Blubacher  über die Geschwister Mendelssohn. Zwei Geschwister aus der berühmten Familie in den 20er Jahren in Berlin, in der Zeit der Weimarer Republik, wo kulturell und gesellschaftlich unglaublich viel passierte, mit allen Höhen und Tiefen. Und diese beiden waren in goldene Kissen geboren und gleichzeitig hochgradig künstlerisch begabt. Ihre Taufpatin war die Duse, eine der ganz großen Schauspielerinnen des letzten Jahrhunderts. Der Bruder war ein großer Cellist, befreundet mit Schauspielern, Regisseuren, Kulturschaffenden, Künstlern aus dieser Zeit. Dieses Geflecht von Beziehungen ist unglaublich. Wenn man das Buch gelesen hat, das auch sehr präzis recherchiert ist, dann erfährt man sehr viel Neues über diese Zeit und wird dazu noch glänzend unterhalten.
Was sehr schön ist: Dieses Buch ist auch eines unserer erfolgreichsten Bücher, wir haben jetzt die vierte Auflage gedruckt. Und es ist in der Presse extrem gut angekommen,.jede große Zeitschrift und Zeitung hat es besprochen. Das war sehr erfreulich für den Autor und uns.

Gibt es noch etwas, was Sie sich für die Zukunft der Seemann Hensche-Verlagsgruppe wünschen?

Weiterhin gute Bücher! Und natürlich möchte man immer, dass die Perspektiven abgesichert sind, dass die Größenordnungen stimmen, dass die Struktur stimmt, dass das Haus von daher schon eine Zukunftsperspektive hat. Ich würde mir wünschen, dass wir uns noch vergrößern können, durch Zukauf oder Ausweitung eines Programmbereiches. So dass wir eine Größenordnung erreichen, die eine stärkere Sicherheit gibt. Im programmatischen Bereich bin ich sehr damit einverstanden, wie wir uns aufgestellt haben, nun ja, man ist immer parteiisch, aber ich finde unser Programm sehr gelungen. (lacht)

Ist Berlin auch ein attraktiver Verlagsort für Sie, neben Leipzig?

Na ja. Berlin ist natürlich die Hauptstadt und man sieht jetzt an Suhrkamp, wie es einige Verlage dort hinzieht. Es ist auch eine spannende Stadt, ich habe ein paar Jahre dort gelebt und sehr gern dort gelebt, die auch für unsere verlegerische Arbeit eine Rolle spielt. Der größere organisatorische Teil der Verlagsgruppe ist jedoch in Leipzig und wir werden auch die Herstellung hier konzentrieren, weil wir uns nicht noch mal aufsplitten können, dafür ist der Verlag zu klein, also werden wir den Verlagsort Leipzig eher stärken.
Allerdings muss ich sagen, dass wir manchmal ein bisschen enttäuscht sind, wie wenig die kommunalen Institutionen sich um Verlage bemühen , die Verlage spielen in der Stadt Leipzig keine fühlbare Rolle, was ich sehr bedaure. Da hoffen wir auf unseren neuen Kulturdezernenten, der als Verleger die Branche natürlich bestens kennt.


Herr Dr. Bach, ich danke Ihnen für das Gespräch.
 

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