Ausstellungsbesprechungen

Von Danzig nach Lübeck. Günter Grass und Polen, Günter Grass-Haus Lübeck, bis 31. Januar 2011

»Polen im Puls: Eine Nation im Herzen Europas« heißt das diesjährige Motto des Schleswig-Holstein-Festivals. Im Rahmen des Festival-Begleitprogramms präsentiert das Günter Grass-Haus in Lübeck eine Sonderausstellung, in der die polnischen Wurzeln sowie das polnische Engagement des Romanciers und politischen Menschen Grass dokumentiert werden. Natürlich werden wie schon in der Dauerausstellung auch Druckgrafik, Zeichnungen und andere Arbeiten des Künstlers Günter Grass gezeigt. Stefan Diebitz hat die Ausstellung besucht.

Seit 2002 befindet sich das Günter Grass-Haus in der Lübecker Glockengießerstraße und liegt damit in unmittelbarer Nähe zu St. Katharinen, einer Museumskirche, die mit großer Kunst aufwarten kann. Dazu gehören zunächst die berührenden Plastiken Ernst Barlachs in Nischen unter dem Giebel auf der Straßenseite, die vom Künstler speziell für die Sicht von unten konzipiert wurden. Im Inneren der Kirche finden sich ein echter Tintoretto (»Auferweckung des Lazarus« von 1576) und eine Version des »St. Georg« von Bernd Notke. Allerdings wird Bernd Notke seit Neuestem die Urheberschaft für diese Plastik wie für das Schwesterkunstwerk in Stockholm abgesprochen.

Das Günter Grass-Haus zielt mit seiner Dauerausstellung auf die künstlerische Doppelbegabung von Grass, der die Themen seiner Bücher regelmäßig nach der Veröffentlichung als Grafiker nachbearbeitet und ja auch seit langem die Buchumschläge selbst gestaltet. Vom Blechtrommler bis zum Butt sind seine typischen Motive wohl jedem Leser bekannt. Das Haus hält ungefähr 1200 Arbeiten des Schriftstellers in seinen Archiven, aber für diese Ausstellung, die sich ganz auf die Beziehung des Autors zu seiner Danziger Heimat konzentriert, konnte es noch zusätzlich auf Leihgaben der Berliner Akademie der Künste und anderer Institutionen zurückgreifen. Dokumentiert werden Leben und Werk von Günter Grass von seinen Danziger Kindheitstagen bis hinein in die neunziger Jahre mit Fotos und Dokumenten wie Zeitungsausschnitten oder Briefen. Und natürlich mit Proben seiner künstlerischen Arbeiten: Zeichnungen, Grafiken oder „aquarellierte Manuskripte“, sprich: getuschte Sätze aus seinen Romanen.

Wirklich Neues zeigt die Ausstellung in Lübeck nicht, denn einerseits ist das Engagement des Autors hinreichend bekannt, andererseits ist auch sein künstlerischer Ehrgeiz nicht verborgen geblieben. Die Dokumente dominieren, aber daneben werden noch bekannte Radierungen gezeigt wie der »Butt«, die »Rättin« (das Tier ist umgeben von den Schlümpfen) oder die Kröte aus den »Unkenrufen«.

Die Ausstellung ist wie der Katalog konsequent zweisprachig, und zu jedem Exponat gibt es sowohl einen deutschen als auch einen polnischen Text. Im Katalog finden sich die beiden Fassungen desselben Beitrages unmittelbar hintereinander; es gibt ein Interview mit Grass und Beiträge von Siegfried Lenz und Klaus Wagenbach. Der zweifellos interessanteste Beitrag trägt den etwas umständlichen Titel „Wie sich das Chodowiecki-Haus in die Günter Grass-Galerie in Danzig verwandelte“.
1992 gründete Günter Grass die »Daniel-Chodowiecki-Stiftung», deren Zweck es ist, durch die Auszeichnung polnischer bildender Künstler die deutsch-polnischen Kulturbeziehungen zu fördern. Ein mit 5000 € dotierter Preis wird durch die Berliner Akademie der Künste vergeben. Es besteht also wirklich eine enge Beziehung des Künstlers zur bildenden Kunst.

Weitere Informationen

Der Katalog zur Ausstellung ist nur im Museum erhältlich.

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